Italien Sardinien trotzt der Bankenkrise
Es klingt nach einer Wunderwaffe, die auf Sardinien kursiert. Ihr Name: Sardex. Für Leute wie Pier Giaccomo Saddi ist diese Parallelwährung Gold wert.
Er stellt traditionelle sardische Messer her, und seit er Mitglied bei "Sardex" ist, brummt sein Geschäft wie nie zuvor:
"Seit ich vor eineinhalb Jahren Mitglied bei Sardex geworden bin, habe ich 20.000 Sardex eingenommen. Die habe ich gerne ausgegeben: eine Solaranlage und eine Klimaanlage bei mir installiert und weitere Maschinen oder Materialien davon gekauft oder meine Einkäufe gemacht. Ich mache einfach alles, ganz problemlos."
Pier Giacomo Saddi, Knife Sardinia
Ohne den Sardex, erzählt Michele Cherchi, weiß er nicht, wie sein Unternehmen überlebt hätte. Der Gastronom und Käsehändler ist einer von vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen, die investieren wollen und müssen, aber nicht können. Sie alle scheitern an der Bank.
"Wir haben bei Banken nach Krediten gefragt. Aber wir alle wissen, wie lange sie für die Vergabe brauchen, welche Garantien sie einfordern. Die Banken geben dir Geld, wenn du selbst welches hast. Aber wenn ich welches habe, dann brauche ich keines von ihnen…"
Michele Cherchi, Gastronom und Käsespezialist
Für solche Probleme erfanden fünf Sarden eine Lösung: Sie schufen den Sardex, eine virtuelle Währung, parallel zum Euro, mit realem Wert für den Austausch von Waren und Dienstleistungen. Besonders wichtig: Sie vergeben Kredite an Unternehmen – zinsfrei. Ein Sardex entspricht einem Euro.
"Wir legen Wert auf Miteinander, Vertrauen und den lokalen Handel. Das ist der Unterschied. In der Finanzwelt wird global gedacht, da gibt es nicht mehr den heimischen Bezug zur Region wie früher. Wir arbeiten wie Banken mit Unternehmen zusammen. Aber wir sind eher ein Dienstleistungsunternehmen, das den Mitglieder mehr bringt, als es sie kostet."
Giuseppe Littera, Gründungsmitglied Sardex
Mittlerweile weiß Michele Cherchi das auch zu schätzen. Am Anfang war er skeptisch; sein Bruder hat ihn überredet bei Sardex mitzumachen. Weil die Mitglieder des Netzwerkes alle Dienstleistungen und Waren mit Sardex zahlen, hat sich für ihn eine ganz neue Welt aufgetan.
"Wir konnten einen Geschäftsverlust von etwa 20 Prozent mit den Sardex-Kunden ausgleichen. Die wären ansonsten wohl nie eigens zu uns gekommen, zumal sie von weit her kamen. Der Sardex verpflichtet ja niemanden, bei einem bestimmten Unternehmen zu kaufen. Einige Kunden waren neugierig auf unsere Produkte und sind dann treu geblieben."
Michele Cherchi, Gastronom und Käsespezialist
Wirtschaftswachstum – das Zauberwort für die Finanzwissenschaftlerin Annalaura Ianiro. Italiens Unternehmen brauchen Anreize zu investieren. Gefördert wird das dadurch, dass man beim Sardex weder Zinsen bekommt noch Zinsen zahlt, deshalb wird er kräftig ausgegeben, der Markt ist ständig in Bewegung.
"Gerade jetzt geht es nicht nur ums Überleben, sondern auch ums Wachsen, denn das Sardex-Modell bietet nicht nur einen Austausch von Waren und Dienstleistung an, sondern die Begegnung verschiedener Unternehmen. Das alles kann Wirtschaftswachstum bringen."
Annalaura Ianiro, Finanzwissenschaftlerin Universität Luiss
Pier Giacomo Saddi würde sich sogar vom Euro verabschieden, wenn er könnte. Er findet seine neue Währung so gut; er macht mittlerweile sogar Ferien bei Sardex-Unternehmen. Seit sieben Jahren gibt es den Sardex jetzt, alles prima, nur wenig verbesserungswürdig:
"Es gibt nur wenige Schlitzohren unter den Mitgliedern. Ich würde Sardex raten, eine Seite mit Rezensionen einzurichten. Dann kann man diejenigen entlarven. Es sind wirklich nur ganz wenige. Manche von ihnen verkaufen dir Dinge, die weniger wert sind, oder sie erhöhen einfach den Preis."
Pier Giacomo Saddi, Knife Sardinia
In der Sardex-Zentrale werden alle Unternehmen vorab auf ihre Seriosität geprüft, und von hier aus werden alle Zahlungen getätigt, im vergangenen Jahr allein 100 Millionen Sardex.
Seit einiger Zeit wird auch daran gearbeitet, dass alle italienischen Regionalwährungen miteinander harmonisieren. Dass das zu machen ist, davon sind sie überzeugt.
Und alle eint ein Wunsch: Was auf Sardinien funktioniert, muss in der ganzen Welt funktionieren. Das Modell Sardex soll Schule machen. Und selbst an der Idee wird schon gearbeitet.