BR Fernsehen - EUROBLICK


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Lettland Integration der russischen Minderheit

Riga ist die einzige Stadt in der EU mit einer russischen Mehrheit. Für den Kreml ist die Verlockung groß, die lettischen Russen auf seine Seite zu ziehen. Es braucht nicht viel Fantasie für ein Szenario, in dem Moskau diese Russen wie schon in der Ukraine "beschützen" muss.

Von: Tilmann Bünz

Stand: 30.04.2017 | Archiv

Riga | Bild: BR

Mara zieht es auf den Zentralmarkt in Riga. Hier kommen Letten und Russen zusammen, die sich sonst kaum treffen.
Gleichberechtigt liegen lettische Neunaugen neben Karpfen und russischen Kaviar.

Mara Upmane Holsteine und Aleksej Zarkov

Mara ist überzeugte Lettin. Lettisch ist Staatssprache. Bei "Dill und Hering", trifft sie auf Aleksej. Er ist auch Lette. Seine Muttersprache ist aber Russisch. Ein Euro-Russe also.

Mara ist eine bekannte Sängerin, die schon beim Grand Prix für ihr Land gesungen hat, Aleksej ist Fotograf. Die Verständigung unter diesen beiden jungen Letten klappt ganz gut.

"Wir sprechen Lettisch. Ich habe die Initiative ergriffen, und dann war Aleksej so höflich, dabei zubleiben."

Mara Upmane Holsteine, Sängerin

"Wir Jungen können drei, vier Sprachen. Das ist ein 'must' und ganz normal."

Aleksej Zarkov, Fotograf

In der älteren Generation ist das schwieriger. Da erlebt Mara immer wieder die alte russische Dominanz:

"Wenn ich in einen Laden gehe und will auf Lettisch einkaufen und werde gezwungen, Russisch zu sprechen, dann ärgert mich das."

Mara Upmane Holsteine

Und das passiert häufig, denn Mara lebt in der Moskauer Straße. Die führte tatsächlich nach Moskau. Die Künstlerin ist vor 12 Jahren hierher gezogen – trotz des schlechten Rufs – und lebt als Lettin unter lauter Russen. Sie hat ihre zwei Kinder hier geboren.

Noch immer ist die "Maskatschka", die Moskauer Vorstadt, nicht ganz in der Europäischen Union angekommen. Mara liebt das Viertel, aber sieht auch die großen Schattenseiten. So gibt es wenige richtige Jobs und Drogenhandel an jeder zweiten Ecke. Eine Welt für sich, wo das Programm aus Russland den ganzen Tag läuft und kaum einer Lettisch spricht.

Ohne Lettisch kein Stimmrecht, kein Pass, kein Job im Öffentlichen Dienst. Das staatliche Fernsehen Lettlands hat viele dieser Bürger nie wirklich erreicht. Erst seit der Krimkrise sendet es Nachrichten auf Russisch. Diese Lücke war ein Einfallstor für Putins Propaganda. "Die Karten sind ausverkauft", sagt der Moderator. Ob ihm viele Russen in Lettland zuschauen?

"Es ist nie zu spät, einen Schritt dagegen zu tun. Aber, da man 25 Jahre lang darauf gewartet hat, bis man ein eigenes russischsprachiges Fernsehen einführt, das hat schon gewisse Spuren bei unseren Zuschauer hinterlassen."

Jekaterina Safronova, Leiterin des russischsprachigen Nachrichtendienstes des lettischen TV

Beim Versuch, den Medien aus Russland etwas entgegenzusetzen, haben sie Mitstreiter im schönen Jugendstilviertel von Riga, das immer schon Teil Europas war. Denn hierhin hat es 2014 einen Teil der russischen Intelligenzija verschlagen: 20 Profis von Russlands erfolgreichstem Internetportal leben hier im Exil. Es war nicht ganz leicht, den Chefredakteur Iwan Kolpakow zum Interview zu bewegen: viel los in Russland, die Jugend auf der Straße. Aber dann klappt es. Das Portal mit dem Namen Meduza nimmt jeden Tag Russland unter die Lupe, weltweit im Netz zu lesen, und bietet ein anderes, kritisches Bild.

Iwan Kolpakow

Sie bauen ihre Hoffnung auf die Zeit nach Putin, auf junge Menschen, die es gewöhnt sind, sich im Internet selbst mit Nachrichten zu versorgen:

"Die junge Generation in Russland guckt kein Fernsehen. Die Propaganda erreicht sie nicht mehr. Das macht die Leute um Putin nervös. Ihr Fernsehen erreicht nicht diesen wichtigen, großen und aktiven Teil der Bevölkerung."

Iwan Kolpakow, Portal Meduza / The Real Russia

Was macht man gegen Propaganda, gegen Schlagzeilen wie "Lettland vor dem Untergang" oder gegen die Falschberichterstattung über die Nato.

"Ehrlich gesagt, Russland ist besser gerüstet als Europa oder die USA in Sachen Propaganda. Das ist hart aber wahr."

Iwan Kolpakow

Alex geht Propaganda schon lange aus dem Weg. Er gehört der neuen Generation an – und macht sich lieber selber einen Bild und hat Maras bekanntestes Lied im Ohr.

"Das ist ein Teil von Riga, von meinem Riga, von einem schwierigen Riga, wo neues wächst."

Mara Upmane Holsteine

Man kann sie auch so verstehen: Wir stehen zwischen Russland und Europa. Darin liegt auch eine große Chance.


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