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Mittelmeer Israelisches Gas für Europa

Die Ägäis bot schon immer eine Menge Zündstoff, ganz neu nun mit einem Besuch, der als historisch gilt. Denn 65 Jahre hat sich kein türkischer Präsident in Griechenland blicken lassen.

Von: Cornelia Kolden

Stand: 25.03.2018 | Archiv

Eine israelische Bohrinsel | Bild: BR

Anlass zur Freude ist das dennoch nicht, vor allem, als Erdogan Ansprüche auf griechisches Gebiet anmeldet. Das weist der griechische Präsident Pavlopoulos strikt zurück, und die Stimmung sinkt auf den Nullpunkt.

Dimitris Keridis

In Thessaloniki treffen wir den Politologen Dimitris Keridis, der den Türken ein bisschen Verständnis entgegen bringt:

"Griechenland kontrolliert ja offenbar ein sehr viel größeres Seegebiet als die Türkei. Und das finden viele Türken unfair. Die Türkei möchte hier eben auch als große Macht auftreten."

Dimitris Keridis, Experte für Internationale Politik

Der Türkei bleibt nur ein Küstenstreifen, denn Griechenland verfügt durch seine vielen Inseln über sehr viel Meer. Das griechische Gebiet schließt nahtlos an das von Zypern an, dank einer winzigen Insel im äußersten Osten. Diese Insel ist Kastelorizo in Wurfweite vor der türkischen Küste. Noch während der Finanzkrise galt die Insel als absoluter Klotz am Bein des griechischen Mutterlandes. Alles muss hierher geliefert werden, für eine Handvoll Touristen und Einwohner. Alles muss teuer subventioniert werden: die wenigen Straßen, ja sogar die Ziegen.

"Inseln haben aber nach internationalem Recht ihr eigenes Seegebiet mit exklusiver Wirtschaftszone. Also obwohl klein, hat die Insel große Anrechte im Meer. Wenn jetzt etwas im Meer gefunden wird, also Bodenschätze unter Wasser, dann verfügen wir über neuere Technologie. Vorher konnten wir solche Seegebiete nicht ausbeuten, aber jetzt können sie richtig wertvoll sein."

Dimitris Keridis, Experte für Internationale Politik

Nicht die Griechen, sondern Zypern und Israel haben Gas gefunden, sehr viel Gas: "Aphrodite" vor Zypern und "Leviathan" vor Israels Küste. Hier hat man bereits mit amerikanischer Beteiligung gebohrt, fehlt nur noch die Kundschaft. Und da favorisiert Israel Europa als besten Kunden.

"Sie müssten über Land eine Gaspipeline bauen durch teilweise umkämpfte und schwierige Gebiete. Daher gibt es diese Idee, durch das Meer an der Türkei vorbei zu bauen und das Gas über Griechenland in das europäische Netz einzuspeisen."

Dimitris Keridis

Emmanuel Navon

So könnte die Pipeline durch den zyprisch-griechischen Seeraum verlaufen. Einen Vorvertrag darüber haben Griechenland, Zypern und Israel bereits geschlossen. In Tel Aviv erläutert uns der Strategieexperte Emmanuel Navon, warum Israel die Türkei bei dem Deal umgehen will:

"Ja, unsere Beziehungen zur Türkei hatten Höhe- und Tiefpunkte, mittlerweile mehr Tiefpunkte. Die Türkei wird immer unberechenbarer, rückt geopolitisch Russland näher, obwohl sie Mitglied der NATO ist. Eine Pipeline via Türkei? Problematisch!"

Emmanuel Navon, Jerusalem Institute for Strategic Studies

Erdogan allerdings verbittet sich die Gasgeschäfte vor seiner Haustür. Mitte Februar droht er vor allem Zypern und Griechenland mit seinem gesamten Waffenarsenal, zum Beifall des Parlaments. Davon zeigt man sich in Israel unbeeindruckt:

"Es ist ein sehr ehrgeiziger Plan: es wäre die längste Leitung der Welt, sehr teuer, sehr zeitaufwendig. Aber es macht durchaus Sinn, was Israel und Europa betrifft. Erst Mal schließen wir uns zusammen mit Griechenland und Zypern. Dann würde Israel ein wichtiger strategischer Gaslieferant für Europa. Und wir wissen, dass sich die Europäische Union bei Gasimporten breiter aufstellen will, damit sie nicht mehr so abhängig von Russland ist. Geopolitisch macht das absolut Sinn. Ob es wirtschaftlich Sinn macht, das ist eine andere Frage."

Emmanuel Navon, Jerusalem Institute for Strategic Studies

Für die Europäische Union könnte die Rechnung sogar aufgehen, wenn sich Griechenlands klamme Staatskasse endlich wieder über das Meer füllen würde.


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