BR Fernsehen - EUROBLICK


9

NATO Zwei Prozent für die Verteidigung?

Seit Mitte Januar kann man sie beobachten: fast 90 amerikanische Panzer und rund dreieinhalbtausend Soldaten aus Amerika im Westen von Polen beim gemeinsamen Training mit polnischen Kollegen. Hier an der Ostflanke der NATO üben sie gegen eine neue Bedrohung:

Von: Bernd Niebrügge / R. J. Schoenheinz

Stand: 05.03.2017 | Archiv

Amerikanische und polnische Soldaten beim Manöver | Bild: BR

Es ist Russland, das seit der Besetzung der Krim wieder als Gegner gesehen wird. Polen wie Amerika rüsten auf bei Waffen und Soldaten. Trotz Sprachschwierigkeiten klappt die Zusammenarbeit wie bei diesen. Woher kommen sie?

"Polen! – America! – I am from Poland. – From America. – From Poland! – From America. – Polish. – America!"

Soldaten

Die Amerikaner sind von der Zusammenarbeit begeistert:

"Das ist unglaublich! Es ist das Beste, was ich je erlebt habe. Wir haben viele gute Freunde in der Nato. Aber ich denke, wir haben keine besseren Verbündeten, als das polnische Volk."

Chad Foster, Kommandeur 4. Squadron, 10. US-Cavalry Regiment

Bis Anfang der 90er Jahre waren hier in Żagań russische Panzer stationiert. Jetzt ist die Stimmung pro-amerikanisch; man hofft auf Sicherung der Nato-Ostgrenze.

"Noch mehr Truppen und mehr Ausrüstung brauchen wir."

Ein Mann

Auch der Kioskbesitzer erwartet sich mehr von der Nato:

"Noch andere Truppen sollen kommen. Nicht nur amerikanische, auch deutsche oder niederländische."

Ein Kioskbesitzer

Bundeskanzlerin Angela Merkel

Auf der Münchener Sicherheitskonferenz ist das militärische Engagement der europäischen Nato-Partner Thema Nummer Eins. In Anwesenheit der Bundeskanzlerin droht US-Vizepräsident Mike Pence, die USA werde ihre Rolle als Schutzmacht Europas überdenken, falls die Partner nicht mindestens zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung in die Verteidigung stecken. Die Kanzlerin beschwichtigt:

"Deutschland hat sich verpflichtet, innerhalb von zehn Jahren das Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen. Wir werden alle Anstrengungen übernehmen. Wir fühlen uns diesem Ziel verpflichtet."

Angela Merkel, Bundeskanzlerin

Derzeit leisten nur fünf Nato-Staaten Militärausgaben in Höhe von mindestens zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung, darunter Estland und Polen. Alle anderen liegen darunter, so auch Frankreich, Deutschland und Italien – und das mit fallender Tendenz, insbesondere in Deutschland.

Witold Waszczykowski, polnischer Außenminister

Die deutschen Regierungsvertreter betonen auf der Sicherheitskonferenz, dass Deutschland mit viel Geld für UN oder Friedensmissionen das Nato-Bündnis stärke. Doch gerade Polen und andere osteuropäische Staaten bestehen auf ihren klaren Forderungen:

"Ich hoffe, dass alle Nato-Staaten kooperieren und ihre Ausgaben erhöhen, insbesondere die europäischen Mitglieder. Und ich hoffe, dass der Beschluss der Europäer, den Aufbau einer gemeinsamen Verteidigung erneut anzugehen, nun auch verfolgt wird."

Witold Waszczykowski, polnischer Außenminister

Jetzt hat das Verteidigungsministerium die Aufstockung der Bundeswehr auf 200.000 Mann angekündigt. Doch bleibt deren Gerät mangelhaft. Vom Transporthubschraubern NH 90 zum Beispiel ist derzeit nur ein Drittel einsatzbereit. Viele Waffensysteme der Bundeswehr sind nicht funktionsfähig, schon vor dem ersten Einsatz veraltet oder werden überteuert angeschafft, so das Ergebnis auch des letzten Berichts zur Einsatzbereitschaft der Bundeswehr.

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen

Interessant da diese Statistik: Während Russland mit jährlich nur 67 Milliarden US-Dollar eine modernisierte Armee unterhält, glauben sich Großbritannien, Frankreich und Deutschland, trotz doppelt so hoher Ausgaben, unterlegen. Und der Militäretat der USA übertrifft den russischen um ein Vielfaches. Dennoch die Forderung nach mehr Geld.

"Das Parlament schickt ja die Bundeswehr in die Einsätze, sei es nach Mali, im Mittelmeer, in Afghanistan oder im Irak, sei es die Aufklärungsflüge über Syrien – nur um einige Themen zu nennen. Wenn wir das von unseren Soldaten und Soldatinnen verlangen, dann müssen wir sie auch gut ausrüsten und ausstatten."

Ursula von der Leyen, Bundesverteidigungsministerin

Angesichts der Probleme der Bundeswehr hält der Deutsche Bundeswehrverband 45 Milliarden Euro, also 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung für nötig. Der aktuelle Bundeshaushalt sieht aber weniger vor.

"Der Plan sieht vor, dass wir bis 2020 auf knapp über 39 Milliarden anwachsen sollen, im jährlichen Etat. Und das reicht bei weitem nicht aus. Ich sage bis 2020, wenn dieses Modernisierungspaket, das von der Leyen geschnürt hat, tatsächlich realisiert werden soll. Also wenn den Worten auch Taten folgen sollen, dann muss das erhöht werden auf 45 Milliarden."

André Wüstner, Deutscher Bundeswehrverband

Die Bundeswehr unterstützt weltweit Missionen der UN, wie hier in Mali, oder führt Kampfeinsätze neben anderen Nato-Partnern. Eine gemeinsame militärische Verteidigungsarchitektur der Europäer fehlt jedoch. Das Eurokorps etwa oder die neue EU-Battlegroup – sie sind Papiertiger geblieben. Beschaffung und Forschung folgen allein nationalen Interessen.

"Das Problem ist ja nicht, dass es nicht genug militärische Fähigkeiten gibt. Das Problem ist nicht, dass es nicht genug Strukturen gibt. Das Problem ist der mangelnde politische Wille in diesem Bereich, weitere Integrationsschritte zu vollziehen. Ganz offensichtlich ist die Anwendung militärischer Gewalt und damit die Entscheidung über Leben und Tod europäischer Soldaten für viele Entscheidungsträger doch im Kernbereich der nationalstaatlichen Souveränität verankert."

Markus Kaim, Stiftung Wissenschaft und Politik

In Polen klappt die internationale Zusammenarbeit mit den Amerikanern vorzüglich. Eine gemeinsame und starke europäische Verteidigungspolitik bleibt dagegen noch immer Wunschdenken.


9