Niederlande Rechtspopulisten im Umfragehoch
Niederländischer geht es kaum: Im Fischerdörfchen Volendam hält man die Tradition hoch. Ausländer kommen höchstens als Touristen, die sich in Tracht fotografieren lassen. Das soll auch so bleiben, findet man hier.
Volendam gilt als eine der Hochburgen von Rechtspopulist Geert Wilders. Vor der Kamera will uns das aber niemand sagen. Im Heimatmuseum hatte man uns sowieso abgeraten, die Volendamer selbst zu fragen. Wim Keizer will nicht, dass sein Dorf als Rassistenort dasteht. Die Menschen hier seien seit jeher hilfsbereit, auch Flüchtlingen gegenüber, sagt er, und erklärt, warum so viele Wilders wählen.
"Aus Protest! Die Fischerei hier wurde buchstäblich zerstört durch Brüssel. Und vor allem für die Jugend, die hart arbeitet, ist es ein Problem, dass ihnen ungelernte Arbeiter vor allem aus Osteuropa die Jobs wegnehmen."
Wim Keizer, Museum Volendam
Und so braucht Gert Wilders die Frustrierten nur noch einzusammeln und die Wut auf Brüssel zu bedienen. In Koblenz übt er den anti-europäischen Schulterschluss mit Marine Le Pen und Frauke Petry. Mit der Presse spricht er nur, wenn er will. Unsere Interviewanfragen blieben unbeantwortet.
"Unsere Parteien geben den Menschen die Gelegenheit, gute Patrioten zu wählen, Patrioten, die unsere Grenzen wieder sichern wollen, Patrioten, die Masseneinwanderung stoppen wollen."
Geert Wilders in Koblenz
Sein Wahlprogramm passt auf eine DIN A4-Seite: die Niederlande de-islamisieren, den Koran verbieten, raus aus der EU. Das kommt an. In den großen Städten sagen seine Wähler auch ganz offen, warum:
"Es kommen zu viele Ausländer ins Land. Und zu viele Flüchtlinge. Das schaffen wir nicht mehr, das kostet zu viel."
Wilders-Wähler
"Ich hab zwei erwachsene Kinder zuhause wohnen. Die finden keine Wohnung. Immer heißt es: Bedürftige haben Vorrang. Und wer kommt dann rein? Ausländer!"
Wilders-Wähler
Seine Partei führt in den Umfragen, 22 Prozent. Wenn es dabei bleibt, bräuchte Wilders aber Koalitionspartner. Ministerpräsident Mark Rutte von den Konservativen, zweitstärkste Kraft in den Umfragen, schwankte lange, sagt jetzt aber nein:
"Meine Partei wird nicht mit Wilders Partei zusammenarbeiten, keine Koalition, keine Minderheitsregierung."
Mark Rutte, Ministerpräsident
Stattdessen setzt er setzt jetzt selbst auf harte Kante: Mit einem Brief an alle Niederländer, aber mit einer deutlichen Warnung an Migranten: "Verhalte dich normal oder geh weg." Ein klarer Rechtsruck, der nun auch neuen Parteien Appetit macht: Jan Roos, bekannt als schriller Meinungsmacher, will als Spitzenkandidat mit der neuen Partei "Voor Nederland" hier im Parlament einziehen, als eine Art "Wilders light".
"In Wilders Wahlprogramm sind lauter Vorschläge, die nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, also nicht umsetzbar sind. Für eine Änderung des Grundgesetzes würde Wilders niemals eine Mehrheit bekommen. Er beschwert sich jetzt seit 12 Jahren über die Probleme im Land. Aber wir wollen sie auch anpacken und lösen."
Jan Roos, Spitzenkandidat Voor Nederland (VNL)
Und zum Beispiel das Europaparlament abschaffen. Laut Umfragen könnte Roos es ins Parlament schaffen. Rechtspopulist Wilders öffnet den Raum aber nicht nur für neue Parteien am rechten Rand. Auch diejenigen, die er beschimpft und ausgrenzt, organisieren sich jetzt. Als erste Immigrantenpartei Europas tritt "DENK" bei den Wahlen an, übersetzt: "Denk nach!"
Sie zielt auf die mehr als zehn Prozent Niederländer mit Migrationshintergrund, fordert Migrantenquoten in öffentlichem Dienst und Unternehmen, härtere Strafen für Rassismus. Ein Interview bekamen wir nicht.
Was ist da los in der niederländischen Gesellschaft? Der Schriftsteller Robert Vuisje beobachtet die Integrationsfrage und beschreibt es so:
"Die angestammten Holländer sagen: 'Das ist unser Land, Migranten dürfen hier wohnen, aber ihren Mund sollten sie nicht aufmachen, denn hier gelten unsere Regeln.‘ Und auf der anderen sind die Menschen mit Migrationshintergrund, die sagen: ‚Das ist doch genauso auch mein Land, warum soll ich zu euren Bedingungen leben?' Und diese beiden Gruppen knallen nun aufeinander, deshalb ist das jetzt für die Wahlen so ein großes Thema."
Robert Vuijsje, Journalist und Autor
Ethnische Zugehörigkeit als entscheidendes Merkmal für Parteien und deren Wähler? In Volendam will man sich das lieber nicht vorstellen. Hier möchte man einfach nur, dass alles wieder wird wie früher.