Norwegen Die Zukunft tief unter der Erde
Nördlich von Bergen schiebt sich der Nordfjord mehr als 100 Kilometer ins Land hinein. An seinen Ufern liegt Lefdal. Ein kleines Dorf mit ein paar Höfen – so wie es Tausende in Norwegen gibt.
Geir Arne Lefdal lebt hier. Alle im Tal heißen Lefdal. Ihm gehört der Grund und Boden zusammen mit drei anderen Familien. Aber was man hier nicht sieht: unter der Erde liegt ein riesiger Schatz, ein digitaler Schatz! Die neue Währung des Digitalzeitalters:
"Am Anfang war das wie Science Fiction für uns. Aber mittlerweile bin ich von der Idee mehr und mehr überzeugt. Ich kann es gar nicht erwarten bis die ganze Grube voll davon ist."
Geir Arne Lefdal, Grundbesitzer
Das alte Bergwerk: Bis 2009 wurde hier Olivin abgebaut, ein Gestein, das für die Stahlproduktion gebraucht wird.
Mats Andersson kommt normalerweise mit Kunden aus dem Silicon Valley hierher. In dem alten Bergwerk entsteht ein gigantischer Tresor für Daten und ein riesiges Rechenzentrum. Betreiber ist ein Konsortium aus norwegischen und internationalen Investoren. Für die weitere Digitalisierung, wie zum Beispiel die Steuerung von selbstfahrenden Autos, müssen in Zukunft riesige Datenmengen verarbeitet werden. Das kann hier passieren:
"Das besondere an unserem Rechenzentrum unter der Erde ist die Sicherheit. Wir sind hier 600 Meter tief im Fels. Das schützt vor Strahlen, aber auch vor allen anderen Angriffen. Und es gibt noch einen weiteren Vorteil: das Bergwerk war schon da. Wir mussten es nur umbauen. Das ist viel günstiger, als irgendwo über der Erde neu zu bauen."
Mats Andersson, Lefdal Data Mine
Die erste Ebene ist fast fertig. Drei weitere können folgen. Ein Großteil der Technik kommt aus Deutschland. Über eine Datenleitung ist Lefdal mit der ganzen Welt verbunden.
Wenn es nach den Plänen der Betreiber geht, soll hier am Fjord einmal das größte Rechenzentrum der Welt stehen.
Was die Rechner außer Daten vor allem brauchen ist eine konstante Kühlung und riesige Mengen Strom. Beides gibt es hier. Der Fjord liefert das Kühlwasser. Sieben Grad kalt wird es unterirdisch über zwei riesige Rohre in die Mine geleitet. Und der Strom kommt aus den Bergen, unter anderem vom Björndalsvatnet, dem Bärental: In mehr als 1000 Metern Höhe wird das Wasser gestaut und dann kontrolliert ins Tal geleitet.
In Sandane liegt eines von mehr als 26 Kraftwerken in der Region. Ola Lingaas ist mit seinem Kollegen auf Rundgang im Turbinenhaus. Die Technik ist einfach und langlebig. Einige der Generatoren laufen schon seit mehr als 70 Jahren. Auch das macht den Strom preiswert. Für die Kilowattstunde zahlt ein Unternehmen in Norwegen nur knapp ein Drittel im Vergleich zu Deutschland. Das rechnet sich gerade für die enormen Mengen, die ein Rechenzentrum verbraucht.
"Das passt gut zusammen. Wir reden hier über Ökostrom, mit dem wir die Daten-Mine in Lefdal versorgen können, obwohl Sandane das älteste Kraftwerk in der Region ist und sehr klein. Aber es läuft schon seit mehr als 100 Jahren und produziert nachhaltig Strom."
Ola Lingaas, Sogn og Fjordane Energie
An einem Tag im Herbst wirkt Nordfjordseid, der größte Ort in der Region, wie ein stilles, fast verlassenes Städtchen. Aber rund 250 neue qualifizierte Arbeitsplätze sind schon entstanden. Darauf ist auch der Bürgermeister stolz:
"Ich bin mir sicher, dass in der Welt auf lange Sicht Speicherkapazitäten für Daten benötigt werden. Und genau das ist die Entwicklung, bei der wir dabei sein möchten."
Alfred Bjørlo, Bürgermeister Nordfjordeid
Zurück in Lefdal: Vor dem Gemeindehaus haben sich die Grundbesitzer zum Kaffee versammelt. Wie viel sie jedes Jahr mit ihrem alten Bergwerk verdienen, wollen sie nicht erzählen. Aber natürlich wirft die Verpachtung Geld ab. Dabei hatte es ganz am Anfang noch andere Ideen für die Grube gegeben: sie sollte als Müllkippe oder gar Zwischenlager für Atommüll aus dem Ausland genutzt werden. Geir Arne Lefdal ist froh, dass daraus nichts geworden ist. Er lebt bescheiden in seinem Haus am Berg und weiß um das Privileg des digitalen Schatzes unter der Erde. Der reicht aus, um mal die eine oder andere Kreuzfahrt zu machen, denn ab und an zieht es Geir dann doch aus seinem Tal hinaus in die Welt:
"Mit den Einnahmen aus dem Bergwerk können wir hier die Häuser in Schuss halten, können neu bauen. Wir führen ein gutes Leben in einer Gegend, die sonst als Außenposten bezeichnet wird. Am Ende hilft das den Leuten, dass sie hier nicht wegziehen müssen und wohnen bleiben können."
Geir Arne Lefdal, Grundbesitzer
Die Zukunft für das Tal liegt also vergraben unter der Erde: ein digitaler Schatz, der nicht gehoben, sondern sogar Jahr für Jahr wachsen soll.
Die Geschichte aus Lefdal – sie klingt wie eine Sage aus der märchenhaften Fjordwelt.