Polen Wirtschaftsboom und Facharbeitermangel
Wadowice bei Krakau: In der Heimatstadt des verstorbenen polnischen Papstes arbeiten seit einem Jahr Gastarbeiter aus Bangladesch. Die Selfies mit Johannes Paul II. schicken sie immer wieder gern ihren Familien in der Heimat.
Sie arbeiten in einer der größten polnischen Schuhfabriken. Die Firma Badura hat sie wochenlang direkt in Bangladesch rekrutiert. Hunderte junge Männer haben sich um den Job in Polen beworben, 16 haben einen Vertrag bekommen. Auf ein Arbeitsvisum in der EU mussten sie dann noch sechs Monate warten.
"Polen ist ein großartiges Land. Es ist in der Europäischen Union und man kann hier gut arbeiten. In Bangladesch gibt es viele politische Konflikte."
Md Noor Uddin
Sie bekommen den gleichen Lohn wie ihre polnischen Kollegen.
"Polen ist ein großes Land und man kann hier viel Geld verdienen. Ich mag auch das Wetter hier. Es ist heiß und kalt. Es gibt Vielfalt. Ich mag es."
Rubel Miah
In Polen verdienen sie sechsmal so viel wie in Bangladesch. Fast alles schicken sie ihren Familien.
"Ich verdiene großes Geld. Mama, Papa sind glücklich. Ich bin auch glücklich."
Mamudul Hasan
"Für sie war es ein Schock, dass da eine Frau kam und dass sie das Sagen haben soll. Einige sind beinahe in Ohnmacht gefallen: eine weiße Frau, mit kurzen Haaren. Es war eine harte Erfahrung für sie, weil ihre Kultur völlig anders."
Aneta Gal, Produktionsleiterin in Badura
Auch die Teamleiterin Bożena Legień musste sich an die jungen Männer aus Bangladesch erst mal gewöhnen:
"Es war ein bisschen merkwürdig für mich, dass wir da nur Männer bekommen haben. Wir haben meistens Schneiderinnen in Polen. Aber sie erklärten uns, dass in Bangladesch hauptsächlich Männer arbeiten gehen. Sie verdienen Geld für die Familie. Sie haben uns aufgeklärt, dass in Bangladesch Männer Schneider sind. Frauen sind zu Hause, kümmern sich um die Kinder."
Bożena Legień, Teamleiterin
Sie haben den Schneiderberuf nie gelernt, jobbten aber an der Nähmaschine in verschiedenen Textilfabriken.
"Die Jungs erzählten uns, dass sie seit dem 14., 15. Lebensjahr in Bangladesch arbeiten. Sie versorgen ihre Familien, ihre Mütter, wenn es keinen Vater mehr gibt, wie bei Einigen. Dann sind sie das Oberhaupt der Familie."
Bożena Legień
Bijoy zeigt Fotos seiner Familie in Bangladesch. Sie ist in großer Sorge, weil der 27-Jährige vor kurzem einen Herzinfarkt hatte. Noch ist er krankgeschrieben.
"Er hatte großes Glück, dass er in Polen war. In seinem Land hätte er nicht so viel Hilfe bekommen. Das Gesundheitswesen ist dort nicht so gut."
Aneta Gal
Bijoy bedankt sich bei seiner Chefin mit Hilfe eines Übersetzungsprogramms: "Ich respektiere dich wie meine Mutter, du hast mir sehr geholfen. Meine Familie ist dir dankbar," steht da geschrieben.
"So reden wir eben mit den Jungs aus Bangladesch."
Aneta Gal
Die Fabrik respektiert auch muslimische Bräuche. An muslimischen Feiertagen haben die jungen Männer frei.
"Ich bin Muslim und habe damit hier keine Probleme. Katholiken haben ihren Gott und ich habe meinen. Kein Problem."
Md Noor Uddin
"Unsere Mitarbeiter haben sie sehr herzlich aufgenommen. Bei uns spürt man keinen Rassismus."
Aneta Gal
Jeden Tag verlässt einer der Mitarbeiter die Nähmaschine zur Mittagszeit und kocht für das ganze Team traditionelle südasiatische Speisen.
"Wir haben uns da nicht eingemischt; unser polnisches Essen schmeckt ihnen nicht. Das ist für sie unüberwindbar. Sie kaufen für sich ein und kochen Essen für sich selbst. So versorgen sie sich nicht nur an Werktagen, sondern auch an Feiertagen."
Aneta Gal
Nach der Arbeit spielen sie meistens Fußball – barfuß.
"Jetzt spielen wir nur untereinander, weil wir keine Fußballschuhe haben. Wenn wir uns die Schuhe besorgt haben, werden wir mit den Polen zusammenspielen."
Md Noor Uddin
Oft gehen sie Eis essen, bummeln oder zum Friseur, immer in den Salon Kreczmar, weil Herr Wiesław genau auf ihre Wünsche eingeht. Trotzdem holt sie immer wieder das Heimweh ein und dann erzählen sie von ihren Familien:
"Sie vermissen ihre Familien und sagen es auch offen. Einige weinen, dass sie getrennt sind, aber sie wollen bleiben, denn hier können sie der Armut entkommen, die in Bangladesch herrscht."
Aneta Gal