Polen Robben spalten die Gesellschaft
Über Jahrzehnte galt die Kegelrobbe an der polnischen Ostseeküste als ausgestorben. Langsam erobern sich die Tiere ihre einstige Heimat zurück, nach drei Jahrzehnten intensiven Schutzes. Doch das gefällt nicht allen.
19 tote Robben wurden dieses Jahr an der polnischen Küste gefunden: sie wurden ertränkt, ihnen wurde der Bauch aufgeschlitzt, der Kopf eingeschlagen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Der Verdacht fiel schnell auf die Fischer. Seit Jahren klagen sie: über sinkende Fischbestände, angefressene Fische, zerstörte Netze – der Haupttäter ist in ihren Augen die Robbe. Auch Mirosław Daniluk sieht das so:
"Wenn wir beispielsweise Seeforellen fangen, da fressen uns manchmal die Robben sieben Fische weg, manchmal aber auch mehr als 20 Fische. Und das macht dann 80 Prozent meines Fangs aus."
Mirosław Daniluk, Fischer
In den sozialen Medien posten die Fischer, welche Schäden Robben ihnen beim Fischfang anrichten. Haben die Fischer die Robben getötet? Fischer Daniluk weist den Vorwurf entschieden zurück. Gleichzeitig ist er überzeugt, die Kegelrobben würden sich rasant vermehren und man müsse endlich etwas gegen sie unternehmen.
In der Meeresstation der Danziger Universität werden Robben, die an der polnischen Küste gefunden werden, auf ihre Todesursache untersucht. Es waren die Forscher, die die getöteten Robben der Polizei meldeten. Die hat bisher aber keinen Täter gefunden.
Aussagen von Fischern, wonach es zu viele Robben gibt, lösen hier Kopfschütteln aus. Gut 30.000 Kegelrobben leben heute in der Ostsee, ein Drittel des einstigen Bestandes:
"Die Frage ist eigentlich, wie die Fischer darauf kommen, dass es zu viele Robben gebe? Die Kegelrobbe ist zwar nicht mehr vom Aussterben bedroht, aber ihr Bestand ist nach wie vor nicht gesichert."
Bartłomiej Arciszewski, Meeresstation der Universität Danzig
In der Forschungsstelle werden deshalb am Strand aufgelesene verletzte Robben gesundgepflegt und hier geborene Jungtiere im Meer ausgesetzt.
Mittlerweile ist die Robbe in der polnischen Politik angekommen: Im Frühjahr sagte die PiS-Abgeordnete Dorota Arciszewska-Mielewczyk in einem Interview: die Robbe sei ein Schädling. Man müsse endlich für Ordnung sorgen. Die Politikerin spricht sogar vom Abschuss, nimmt die Idee aber später zurück.
Zwei Monate nach dem Interview fand man die ersten toten Robben an der polnischen Küste. Doch die getöteten Robben sind nur die Spitze des Eisbergs. Bis zu 150 Robben sterben jährlich in den Netzen der Fischer, weil sie sich dort verfangen, verletzen oder erwürgen. Deswegen bietet die Meeresstation den Fischern statt Netzen diese Gestelle an. Die Robbe kommt nicht an den gefangenen Fisch ran, kann sich aber auch nicht verletzen. In Skandinavien werden diese Gestelle bereits angewendet.
Fischer Daniluk hält nichts von dem Gestell. Die polnische Küste wäre dafür wegen hoher Wellen nicht geeignet und der Fisch wäre dann zu teuer:
"Die Sache hat für mich keinen Sinn. Ich glaube nicht, das die polnischen Konsumenten bereit sind, für einen Dorsch, der mit dem Käfig gefangen wurde zwei-, dreimal so viel zu bezahlen?"
Miroslaw Daniluk
Für den Ökologen Michal Krause vergessen die Fischer, wie wichtig die Robbe für die Ostsee ist:
"Die Robbe macht im Meer das, was der Wolf im Wald macht: Sie reduzieret die schwächsten Fische und hält das Ökosystem im Gleichgewicht. Und die Robbe ist nicht der Grund dafür, dass die Fischer nichts zu fischen haben. Das Hauptproblem ist, dass die Ostsee überfischt ist."
Michał Krause, WWF Polska
Deswegen will er weiter Druck auf die polnische Regierung machen, damit sie sich in Brüssel für niedrigere Fangquoten einsetzt. Sonst geht für ihn der Konkurrenzkampf um die letzten Fische in der Ostsee zwischen dem Fischer und der Robbe in die nächste Runde.