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Rumänien Proteste gegen die Regierung

Eine Sportzeitung die Korruption aufdeckt? Was auf den ersten Blick nicht richtig zusammenpasst – in Rumänien sind die Leser davon begeistert.

Von: Till Rüger

Stand: 05.03.2017 | Archiv

Gazeta Sporturilor | Bild: BR

Razvan Lutac

Ausgerechnet die Gazeta Sporturilor, die sonst vor allem über Fußball oder Tennis berichtet, hat sich zu einem der wichtigsten investigativen Medien des Landes entwickelt. Vieles was andere Zeitungen aus Rücksicht auf Werbekunden oder Politiker nicht schreiben, decken nun Sportjournalisten wie Razvan Lutac auf. Der 23-jährige ehemalige Rugbyspieler sorgt im Bereich Korruptionsbekämpfung regelmäßig für einen "touch down":

"Als Außenseiter ist es für uns viel einfacher über Korruption zu berichten. Viele nehmen uns nicht ernst, weil wir Sportreporter sind und denken wir haben eh keine Ahnung."

Razvan Lutac, Sportreporter Gazeta Sporturilor

Den Skandal um gestreckte Desinfektionsmittel zum Beispiel haben sie hier enthüllt: Medizinische Desinfektionslösung wurde aus Gründen der Gewinnmaximierung um das Zehnfache verdünnt und unwirksam an Krankenhäuser verkauft. Erst die Analyse der Gazeta Sporturilor, deckte den Betrug auf, der vermutliche zahlreichen Patienten das Leben gekostet hat.

"Natürlich sagen einige: 'Ihr habt mit euren Recherchen die Bürger aufgeweckt.' Ich aber denke, wir haben eben nur unseren Job gemacht, nicht mehr und nicht weniger."

Razvan Lutac

Mirela Neag

Wieder arbeiten Razvan und seine Kollegin Mirela an einer neuen Recherche, wieder geht es statt um Sport um Bestechung. Der Eigentümer des Medienkonzerns, zu dem die Gazeta Sporturilor gehört, sitzt zwar derzeit selbst wegen Korruption im Gefängnis, das hält die Journalist aber nicht davon ab, weiter kritisch zu berichten. Anfangs hätten sich die Leser zwar gewundert, inzwischen aber lieben sie es.

"Jedes Mal, wenn ich zu einer Sportveranstaltungen gehe, wollen die Trainer und Sportler mit mir über Korruption und investigative Recherchen sprechen statt über den Sportwettbewerbe und die Ergebnisse zu diskutieren."

Mirela Neag, Sportreporterin Gazeta Sporturilor

Korruption ist seit Jahren eines der beherrschenden politischen Themen in Rumänien. Und genau deshalb seien die Menschen auch so aufgebracht, erklärt Razvan Lutac: Weil es besser wurde mit der Bestechung – und jetzt von der Politik alles wieder zurückgedreht wird, das befürchten zumindest die Demonstranten auf dem Siegesplatz, am Sitz der Regierung in Bukarest.

Seit dem Sturz des kommunistischen Diktators Ceaușescu 1989 hat Rumänen keine solchen Massenproteste mehr gesehen. Auslöser war eine spät abends von der sozialliberalen Regierung verabschiedete Eilverordnung: Korruption sollte demnach nur mit Gefängnis geahndet werden, wenn der Streitwert weniger als umgerechnet etwa 44.000 Euro beträgt. Damit würde nach Ansicht der Opposition vor allem der Vorsitzende der mitregierenden Sozialisten, Liviu Dragnja, geschützt. Er steht derzeit vor Gericht. Der Vorwurf: Amtsmissbrauch mit einem Schaden von umgerechnet zirka 20.000 Euro.

Die Eilverordnung wurde zwar zurückgenommen, dennoch gehen die Proteste weiter. Die Menschen trauen den Regierenden nicht mehr: "Der Hauptgrund ist, dass wie denen da oben nicht mehr glauben, weil sie versuchen sich raus zu mogeln. Von der Regierung hatte sich niemand vorstellen können, das Hunderttauende auf die Straße gehen würden und zwar nicht für höher Löhne oder Renten, sondern für eine Idee, nämlich den Kampf gegen Korruption." "Wir brauchen und wir wollen keine Korruption mehr in unserm Land. Ich denke, 27 Jahre sind genug. Die Politiker verstehen das nicht. Es ist jetzt die Zeit für die junge Generation auf die Straße zu gehen und das Land wieder zurück zu erobern."

Die Sportreporter Mirela und Razvan nehmen uns mit zum Malaxa-Krankenhaus im Osten von Bukarest. Einer der Angestellten hatte ihnen Dokumente zugespielte, der Direktor solle Gelder in Millionenhöhe veruntreut haben: Private Rechnungen eines Juweliergeschäfts wurden als "Desinfektion von medizinischen Instrumenten" über das Krankenhaus abgerechnet. Erst nachdem die Gazeta Sporturilor berichtet hatte, wurde der korrupte Krankenhausmanager entlassen:

"Die Klinik ist sehr wichtig für die Menschen, die hier im Viertel leben. Und nach unseren Veröffentlichungen und den Konsequenzen, die daraus gezogen wurden, glaube ich, fühlen sie sich jetzt sicher und besser, wenn sie ins Krankenhaus gehen."

Razvan Lutac

Es wird ein langer Kampf werden, um die Korruption auszumerzen. Davon sind beide überzeugt: Doch man merkt, sie und die vielen tausend Demonstranten sind stolz darauf, dass die Demokratie in ihrem Land funktioniert und korrupte Politiker wohl langfristig keine Chance mehr haben in Rumänien.


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