Russland Randale gegen Nawalny
Im März 2018 wird gewählt. Höchstwahrscheinlich wird sich Präsident Putin im Amt bestätigen lassen. Noch ist unklar, ob Putins schärfster Widersacher Alexei Nawalny an den Wahlen teilnehmen darf.
"Macht auf, Feiglinge, Schande!" skandieren die sogenannten Putin-Brigaden. Diese Rentner belagern im südrussischen Krasnodar das von innen verriegelte Wahlkampfbüro des Kremlgegners Alexei Nawalny. Sie wollen eine mögliche Teilnahme des Oppositionspolitikers an den Präsidentschaftswahlen verhindern. Das ist schon der 15. Angriff der kremlnahen Rentner-Sturmtruppen. Die Putin-Brigaden gibt es bisher nur in Krasnodar. Sie bestehen aus rund 100 Pensionären.
"Wir glauben, dass Nawalny einflussreiche Freunde im Ausland hat. Sie haben ein Interesse daran, dass unser Land zerfällt."
Eine Frau
"Amerika. Er hat mit Amerika zu tun."
Eine andere Frau
Die Taktik der Sturmtruppen: Demoralisieren durch permanentes Piesacken. Wer sich für Putin besonders ins Zeug legt, könne mit einer staatlich finanzierten Urlaubsreise rechnen, sagt eine der Anführerinnen der Putin-Brigaden. Fatima Dinaeva agiert meist als oberste Anti-Nawalny-Einpeitscherin:
"Sie haben sich wie Ratten in einem Loch versteckt. Fürchtet uns! Wir werden sie hier in Krasnodar stoppen."
Fatima Dinaeva, Putin-Brigaden
Dieses Handyvideo haben Nawalny-Mitstreiter aus dem Inneren des Wahlkampfbüros in Krasnodar gemacht. Die Polizei lässt sich meist erst gar nicht blicken, wenn die Putin-Brigaden randalieren. Dinaevas Kalkül: Je schriller das Auftreten desto größer die mediale Resonanz:
"Wir zertrampeln diese Mistkerle höchstpersönlich. Wir sind das russische Volk. Wir brauchen von niemandem Hilfe. Wir zertrampeln sie selbst."
Fatima Dinaeva, Putin-Brigaden
Dinaevas aggressive Rhetorik ist mit ihrem Vater abgestimmt. Marrat Dinaev ist der Chef der Putin-Brigaden. Er rechnet nach eigenen Angaben damit, dass sich sein lautstarkes Engagement für Putin bald finanziell auszahlen dürfte, etwa in Form von Spenden durch die Kreml-Administration. Die Dinaevs agieren angeblich rein eigeninitiativ. Sie räumen jedoch ein, Kontakte nach Moskau zu haben:
"Wir lassen uns nur von ganz oben anhalten. Wir sind russische Patrioten und Anhänger Putins. Und ich glaube, dass im Kampf gegen unserer Gegner so gut wie alle Mittel erlaubt sind."
Marat Dinaev, Chef Putin-Brigaden
Neben den Putin-Brigaden gibt es in Russland noch weitere äußerst aggressive Nawalny-Gegner: Die Nationale Befreiungsbewegung des Duma-Abgeordneten Federow, kurz NOD, hat sich auf die sogenannte Seljonka-Taktik spezialisiert. NOD spritzt dem Oppositionspolitiker mehrmals schwer abwaschbares Desinfektionsmittel ins Gesicht. Nawalny lief unlängst sogar Gefahr auf einem Auge zu erblinden. Diese Aktivisten bezeichnen Nawalny als amerikanischen Agenten und bestechlichen Vaterlandsverräter. Der Kremlkritiker hält dagegen:
"Ich Nawalny Alexei Anatoljewitsch wohne in Moskau-Marina in einer Plattenbauwohnung. Ich bin nach Biisk gekommen, um über Korruption zu sprechen. Nicht ich bin korrupt, das System Putin beklaut euch jeden Tag."
Alexei Nawalny
Die Nawalny-Sprecherin kritisiert die Übergriffe der Kreml-Sturmtruppen als armselig. NOD und Putins Brigaden sind in Lubow Sobols Augen opportunistische, geldgierige Putin-Günstlinge. Erschreckend sei, dass sich der Staat solcher Schergen bedient:
"Tatsache ist: Der Staat lässt unsere Gegner gewähren und kämpft nur gegen Andersdenkende, gegen diejenigen, die ehrliche Wahlen, feie Presse und unabhängige Gerichte wollen. Wenn gegen die Opposition Straftaten begangen werden, sieht die Staatsmacht darüber großzügig hinweg."
Lubow Sobl, Sprecherin von Alexei Nawalny
Diese These stützen Moskauer regierungskritische Politologen. Sie bezeichnen die Anti-Nawalny-Sturmtruppen als Produkt einer Hetzkampagne. In den Staatsmedien werde gegen Putin-Kritiker Hass geschürt. Dmitrij Oreschkin von der Russischen Akademie der Wissenschaften spricht von einer Hexenjagd gegenüber Andersdenkenden:
"Die russische Führung will keinen Konkurrenzkampf. Sie versucht, ihre Gegner mit billigem Schmutz zu demoralisieren. Anders kann Putin die Lage nicht kontrollieren. Es ist wie eine Hysterie-Spirale. Überall werden Feinde vermutet, im Inneren, von außen. Und allen muss das Handwerk gelegt werden. Wie so etwas enden kann, hat uns die Epoche Stalins gezeigt."
Dmitrij Oreschkin, Russische Akademie der Wissenschaften
Ein doch etwas gewagter Vergleich, denn von Stalins Sowjetunion ist Putins Russland trotz eines autoritären Führungsstils weit entfernt.
Zurück im südrussischen Krasnodar: Von regierungskritischen Stimmen lassen sich die randalierenden Kreml-Sturmtruppen überhaupt nicht irritieren. Fatima Dinaeva droht: "Wir kommen wieder!" Ein alter Herr ergänzt: "Und zwar mehrmals!"
Unbeirrt verfolgen die Anführer der Putin-Brigaden ihr Ziel, in den Fokus des Kremls zu geraten und sich ein möglichst großes Dankeschön zu sichern! Die Erfahrung zeigt, dass der Staat verlässliche Gesinnungsgenossen meist großzügig aus seinem Spendentopf versorgt.