Russland Rappen wider Putin
Alles soll brennen, singt sie: Provozierende Töne vor dem Sitz der russischen Regierung. Experimenteller Elektro-Sound aus Moskau. Die Band heißt IC3PEAK. 14 Millionen Klicks hat allein dieses Video.
"In diesen Zeilen geht es darum, dass sich die Sängerin Kerosin in die Augen gießt, um bloß nicht mehr sehen zu müssen, was in diesem Land passiert. Damit will sie aber auch Aufmerksamkeit erzeugen, denn nur so schenkt der Staat den Problemen und Lebensverhältnissen der Bevölkerung überhaupt Beachtung."
Wasilina Karawaewa
Sankt Petersburg am frühen Abend: Wasilina Karawaewa trifft sich mit ihren Freunden. Sie ist 17 und Schülerin. Die starken Bässe und der energische Rhythmus haben es ihr als erstes angetan. Dann hat sie aber auch angefangen, bei den Texten genauer zuzuhören. Es sind Texte und Bilder, die dem Staat nicht passen. Vor allem bei Jugendlichen sind sie angesagt: Es geht um den tristen russischen Alltag, um Behördenwillkür und Zensur.
"Irgendwann verstehst du, wie hart die Welt ist. Wenn du das realisierst, wirst du traurig. Du willst, dass dir jemand zuhört. Und bei solchen Bands wie IC3PEAK oder bei dem Rapper Husky fühlst du dich mit deiner Meinung nicht mehr so allein."
Wasilina Karawaewa
Dass das Konzert überhaupt stattfinden konnte, ist erstaunlich. Denn in mehreren Städten wurden die Auftritte abgesagt – oft aus fadenscheinigen Gründen. Mal gab es eine Bombendrohung, mal tauchten Feuerwehr oder Polizei auf und sperrten den Saal. Manchmal ist sogar der Geheimdienst im Saal, sagt die Sängerin.
"Sie haben einfach Angst. Sie wissen nicht, was sie mit der jungen Generation machen sollen. Wir denken anders und drücken unsere Gedanken frei aus. Viele von uns lachen den Staat aus und nehmen ihn nicht ernst. In einigen Jahren werden unsere Fans wählen gehen und dann entscheiden sie über das Land."
Anastasia Kreslina, IC3PEAK
Dieses Video zeigt den Rapper Husky in der Stadt Krasnodar: Auch sein Konzert wurde verboten. Er rappt trotzdem – auf einem Autodach. Dafür muss er ins Gefängnis. Doch der Protest ist so groß, dass er nach drei Tagen freikommt. Der Kreml hat Angst, dass ihm die Jugendlichen entgleiten. Schon jetzt sehen sie ihren Präsidenten deutlich skeptischer als die Erwachsenen in Land. Sie sind weniger empfänglich für die staatliche Propaganda.
"Das ist Teil unserer Kultur, deshalb muss man sehr vorsichtig vorgehen. Aber, womit ich einverstanden bin: wenn wir das nicht stoppen können, dann müssen wir uns eben an die Spitze setzen und es in die entsprechende Richtung lenken."
Wladimir Putin
Plötzlich spricht auch das Staatsfernsehen über Jugendkultur. Einen staatlichen Rap-Contest soll es bald geben. Auch Stipendien sind im Gespräch. Und dann erklärt auch noch der Moderator der wichtigsten politischen Sendung, dass Rap sowjetische Wurzeln habe. Sein Vorläufer sei der Dichter Wladimir Majakowski. Als Beweis dafür rappt er tatsächlich eines seiner Gedichte.
"Das ist ja schrecklich! Ich verstehe, dass sie versuchen, sich an die Jugend heranzutasten, aber das sieht lächerlich aus, wenn Erwachsene auf derselben Welle schwimmen wollen. Das ist nicht normal. Wenn sie in einer anderen Zeit aufgewachsen sind, dann sollen sie auch weiterhin ihre Künstler lieben. Und wir bleiben bei unseren."
Wasilina Karawaewa
Nächstes Jahr will Wasilina ihr Schauspielstudium beginnen. Sie will nicht, dass sich der Staat in die Kunst einmischt und diese für seine Zwecke missbraucht. Er solle lieber den Künstlern zuhören und die Lage im Land verbessern.