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Tschechien Präsidentenwahl in gespaltener Gesellschaft

Er hat es wieder geschafft: Milos Zeman ist der alte und neue Präsident Tschechiens und setzte sich gegenüber Jiri Drahos durch.

Von: Jürgen Osterhage

Stand: 28.01.2018 | Archiv

Die Prager Burg | Bild: BR

Ihm ist mehr als ein Achtungserfolg gelungen: Jiri Drahos, Chemieprofessor aus Prag und Politikneuling. In den Umfragen vor der Stichwahl sah es sogar lange so, als ob er den Amtsinhaber am Ende schlagen könnte. Ganz hat es aber nicht gereicht.

Milos Zeman

Seit mehreren Jahren scheint Tschechien unaufhaltsam Richtung Populismus zu driften. Mit verantwortlich dafür: Milos Zeman. Der tschechische Präsident hat zwar fast nur repräsentative Aufgaben, gilt aber als wichtiger Meinungsmacher. Und dabei nimmt er kein Blatt vor den Mund, polarisiert gerne und ist bekannt für seine deutliche Rhetorik gegenüber Migranten. So scheut er sich nicht, bei einer Versammlung von Rechtsextremen aufzutreten und den Islam als eine Religion des Hasses zu bezeichnen. In einem Interview im Privatfernsehen nennt er die Minderheit der Roma arbeitsscheu. Milos Zeman spaltet die Gesellschaft. Viele Bürger sind verärgert: "Ich möchte, dass mein Präsident sich anständig und nicht vulgär ausdrückt." "Ich erwarte mehr Respekt und Seriosität, dass wir uns für unseren Präsidenten nicht mehr schämen müssen."

Jan Herzmann

Der in ländlichen Gebieten beliebte und von Intellektuellen geschmähte Milos Zeman steht für eine pro-russische und pro-chinesische Politik:

"Präsident Zemann gehört zur alten Generation der Politiker: Er ist sehr kontrovers. Er nimmt die Verfassung nicht wörtlich."

Jan Herzmann, Politologe

Michal Klima

Der Politikwissenschaftler Michal Klima beschreibt Zeman als eine Art tschechischen Trump. Er sei sehr aggressiv, arrogant und angreifend gegenüber Journalisten:

"Seine Positionen verschieben sich immer mehr Richtung Russland und China und in Richtung autoritärer Tendenzen. Damit gefährdet er die Stabilität des Rechtsstaates und die euro-atlantische Verankerung Tschechiens."

Professor Michal Klima, Metropolitan Universität Prag

Jiri Drahos

Ganz anders dagegen sein Herausforderer bei der Stichwahl: Jiri Drahos. Der 68-jährige Intellektuelle, Professor für physikalische Chemie und ehemals Vorsitzender der tschechischen Akademie der Wissenschaften, pflegt eher die leisen und nachdenklichen Töne:

"Ein Präsident sollte eine Führung geben, eine kultivierte politische Führung und ein Repräsentant des Staates für alle sein."

Jiri Drahos

Jiri Drahos ist ein Politik-Neuling. Ihm ist gegen den Amtsinhaber mehr als ein Achtungserfolg geglückt. Erstmals seit mehreren Jahren vermittelte er den Tschechen den Eindruck und die Hoffnung, dass man den Populismus eindämmen kann.

"Er ist ein Wissenschaftler. Er denkt im logischen Sinne. Ein anständiger. Er hat keine Bindung zur politischen Elite der alten Zeiten."

Jan Herzmann, Politologe

Selbst bei heiklen Themen wie Migration gibt sich Jiri Drahos zurückhaltend. Er ist Verfechter der EU-Mitgliedschaft und befürwortet anders als Zeman die EU-Sanktionspolitik gegenüber Russland.

"Er steht in der Mitte und tritt auf als jemand, der ein würdiger Präsident sein könnte, der die Konflikte in der Alltagspolitik moderiert, den Parteienstreit zügelt und für Werte und Moral eintritt, die der Amtsführung des früheren Präsidenten Havel nahestehen."

Professor Michal Klima, Metropolitan Universität Prag

Der 68-Jährige spielt Klavier und singt im Chor. Fast die Hälfte der Wähler bedauern, dass er nicht gewonnen hat:

"Er gefällt mir ausgezeichnet. Wenn er redet, hört man, dass er einen Überblick hat. Das gefällt mir."

Ein Wähler

Viele waren die die Eskapaden des alten Zynikers auf der Prager Burg leid. Trotzdem hat es nicht gereicht: Milos Zeman hat gewonnen.
Nun wird er eine wichtige Rolle bei der schwierigen Regierungsbildung spielen. Andrej Babis, der amtierende Ministerpräsident, war damit im ersten Versuch gescheitert. Er bekam keine Mehrheit. Unter anderem deswegen, weil die Polizei gegen ihn wegen EU-Subventionsbetrug ermittelt. Seine Immunität wurde inzwischen aufgehoben.

Der alte und neue Staatspräsident hat aber schon angekündigt, Babis einen zweiten Versuch zur Regierungsbildung zu gestatten. Das alles kann sich lange hinziehen. Stabile politische Verhältnisse in Tschechien: Sie sind nicht in Sicht.


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