Ukraine Hilfe für AIDS-Kranke
Ein bedeutendes Treffen steht bevor. Der Münchner Karl Walter hat alle, die mit der Aidsbekämpfung in Odessa zu tun haben, heute ins Bayerische Haus eingeladen.
"Hallo, wie geht’s?"
Karl Walter, Initiator der HIV/Aids-Netzwerke in der Südukraine
Großes Jubiläum: Vor genau zehn Jahren hat Karl Walter das Netzwerk zur Aidsbekämpfung gegründet – Moment der Bestandsaufnahme:
"Ein herzliches Grüß Gott, Dank und Anerkennung! Das ist eine tolle Leistung, die sich wirklich abhebt von Vielem. Wir haben damals gemeinsam das Ziel definiert: HIV-positive und aidskranke Menschen erhalten medizinische Versorgung."
Karl Walter
Wiederverwendete Spritzen Drogensüchtiger - ein Hauptverbreitungsgrund von AIDS in der Ukraine. Wer die alten Spritzen abgibt, bekommt die gleiche Anzahl neuer, steriler Spritzen.
Rund ein Prozent der ukrainischen Bevölkerung ist HIV-positiv. Damit gehört die Ukraine zu den am meisten betroffenen Ländern Europas.
"Wenn ein Drogensüchtiger Geld hat, dann nimmt er es für Drogen und nicht für Spritzen. Dann sieht er auf der Straße: 'Oh, da liegt ja eine Spritze.' Die nimmt er dann, wäscht sie mit Wasser aus - das war's."
Andreij
Vor zwei Jahren war Andreij beim AIDS-Test negativ. Aber seitdem ist viel passiert. Heute wagt er es nochmal. Bei der nichtstaatliche Hilfsorganisation "Daróga k domu" ist der Schnelltest im Bus kostenlos:
"Über zwei Wochen hat es gedauert, bis diese Wunde zu war. Die Heilungsstörung spricht für schwache Immunität, vielleicht eine Infektion. Gib Gott, dass es nicht so ist. Schauen wir mal."
Andreij
Andreij ist nervös:
"Ich fühle mich so in der Schwebe. Die meiste Zeit habe ich saubere Spritzen verwendet. Aber einige Male die von einem Freund."
Andreij
"Und Sexualkontrakte? Haben Sie Kondome benutzt?"
Reporter
"Ja, meistens. Aber nach ein paar Drinks bist du auch mal morgens aufgewacht und da war's halt ungeschützt passiert."
Andreij
"Schau, nur ein Strich. Wenn es zwei wären, müssten wir weiter testen."
Oxana, Daróga k domu, Odessa
"Das ist ein gutes Gefühl. Meine Stimmung ist da gleich besser."
Andreij
"Dann hör endlich auf mit den Drogen!"
Oxana, Daróga k domu, Odessa
Odessa ist die AIDS-Hauptstadt der Ukraine. Nirgendwo sonst gibt es so viele Infizierte wie hier in der Hafenstadt am Schwarzen Meer. Mit den Schiffen bringen die Seeleute nicht nur Waren, sondern auch die HIV-Seuche. Viele Matrosen gehen zu Prostituierten, fordern von ihnen Geschlechtsverkehr ohne Kondom. Rund 21.700 HIV-Positive sind im Gebiet registriert. Die Dunkelziffer ist um ein Vielfaches höher.
Weit raus, in die Vororte muss er fahren, wenn Karl Walter die staatliche AIDS-Gebietsklinik von Odessa besuchen will. Mit seiner Hilfe wurde hier eine Hotline für HIV-Infizierte eingerichtet. In erster Linie geht es darum, Betroffene an die richtige Stelle weiter zu vermitteln:
"Guten Tag! Hotline für HIV-Infektionen. Sie sprechen mit Galina. … Wann haben Sie von dem Testergebnis erfahren? … Heute? … Hören sie, beruhigen Sie sich jetzt. Es gibt für Sie professionelle Hilfe."
Galina Naniwskaja, Krankenschwester, Hotline in der Bezirks-Aidsklinik Odessa
"Mich interessierte jetzt insbesondere: Mit welchen Problemen kommen heute die Anrufer schwerpunktmäßig?"
Karl Walter
"Sehr häufig rufen Eltern an, die mit ihren Kindern im Park spazieren waren und die sich an einer Spritze oder einem Glas so verletzt haben, dass es blutete."
Galina Naniwskaja, Krankenschwester, Hotline in der Bezirks-Aidsklinik, Odessa
"Nicht jeder wagt, offen darüber zu reden. Da kann ein Gespräch schon mal 40 Minuten dauern."
Alena Derewjanko, Oberschwester, Regionales AIDS-Zentrum, Odessa
Karl Walter fährt ins Gebiet Mylolajiw zur Kleinstadt Otschakiv, rund 14.000 Einwohner. Alles sieht idyllisch aus. Gibt es hier HIV-Infizierte?
"Also, ich habe davon nichts gehört. Das hier ist eine kleine Stadt. Ich glaube, so etwas gibt es hier nicht. In Großstädten, das ist eine ganz andere Sache."
Ein Vater
Doch Walter weiß: Die Infektionsrate bei Erwachsenen liegt auch hier bei etwa 1,5 Prozent, ähnlich wie in der Metropole Odessa.
Für das medizinische Personal des kleinen Krankenhauses hat Karl Walters HIV/AIDS-Netzwerk ein 30-stündiges Seminar organisiert. Es geht gerade um Diskriminierung:
"Ich habe nicht das Recht, zum Friseur zu gehen. Ich habe Angst, ins Schwimmbad zu gehen. Ganz besonders schlimm ist die Selbststigmatisierung: 'Ich bin schlecht. Ich habe zu nichts mehr das Recht.' Das alles fresse in mich hinein und leide unter ständigem psychischem Stress. Solche Leute gibt es sehr viele."
Irina Svetaschowa, Psychologin
Die Finanzierung der Seminare hat Walter aus Spendengeldern organisiert.
"Das Ziel, das wir in der gesamten Region Mykolajiw HIV/AIDS-Infizierten helfen, ein normales Leben zu führen."
Karl Walter
Tausende von Ärzten, Krankenschwestern und Sozialarbeitern haben schon die AIDS-Seminare besucht.
"Die Leute leben hier, brauchen eine Perspektive, wollen fröhlich sein, wollen lustig sein, wollen leben. Denen sage ich: 'Es findet Entwicklung statt.' Und daraus entwickle ich für mich immer die Perspektive für morgen."
Karl Walter
Aber wer weiß schon, was der Morgen bringt, in einem Land, das immer noch im Kriegszustand lebt.