BR Fernsehen - EUROBLICK


68

Ukraine Leihmütter verhelfen Deutschen zum Wunschkind

"Wir können keine Straßen bauen, aber beim Kinder zeugen im Reagenzglas da sind wir spitze." Mit diesem Satz wirbt eine ukrainische Reproduktionsklinik um Kunden aus der ganzen Welt.

Von: Manuela Roppert

Stand: 05.02.2017 | Archiv

Charkiw | Bild: BR

Die 1,4 Millionen Stadt Charkiw liegt im Osten der Ukraine, unweit der russischen Grenze und nur 200 Kilometer vom Konfliktgebiet um Donezk entfernt. Von den Kämpfen ist in der zweitgrößten ukrainischen Stadt nichts zu spüren. Aber auch hier ist das Überleben schwierig.

Kristina mit ihrem Mann und ihrer Tochter

Kristina ist 23 Jahre alt und bereits Mutter. Sie wohnt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in einem kleinen Zimmer. Als Friseurin hat sie rund 300 Euro im Monat verdient. Im Internet stieß sie auf ein weitaus attraktiveres Angebot. Demnächst wird sie für ein ihr bislang unbekanntes Paar ein Kind austragen.

"Bei uns kann man anders nicht genügend Geld verdienen, um ein Haus zu kaufen und unserem Kind eine Zukunft zu bieten."

Kristina Osidse, Leihmutter

"Kristina hat diese Möglichkeit gefunden, und es mir vorgeschlagen. Am Anfang war ich dagegen. Ich fand es seltsam. Aber dann habe ich nachgedacht, dass es eben so ähnlich ist, wie wenn man Blut spendet oder ein Organ, um anderen Menschen zu helfen."

Wjatscheslaw Osidse, Kristinas Mann

Aljona Siwasch

Sie will zum zweiten Mal am Leihmutterschaftsprogramm der Klinik "Professor Feskov" in Charkiw teilnehmen, einer von rund 40 Reproduktionskliniken in der Ukraine. Um Leihmutter zu werden, musste sie nachweisen, dass sie völlig gesund ist und schon eine komplikationslose Geburt hinter sich hat. Auch die Psychotherapeutin der Klinik checkt Kristina noch einmal durch. Sie soll herausfinden, ob Kristina das Kind nach der Geburt auch wirklich ihren Auftraggebern überlassen wird.

"Wir sorgen uns natürlich um den psychischen Zustand unserer Leihmütter, weil wir eine Verantwortung gegenüber unseren Auftraggebern haben. Die Leihmütter, mit denen wir arbeiten, sind ja auch Menschen. Nach einer Geburt kann es immer zu Depressionen kommen, umso mehr, wenn sie begreifen, dass sie dieses Kind, das sie gerade geboren haben, nie mehr sehen werden."

Aljona Siwasch, Psychotherapeutin

Kristina Osidse

Kristina hat den Test der Psychotherapeutin bestanden und sich schon Gedanken darüber gemacht, wie sie ihren Nachbarn die Schwangerschaft erklären will:

"Ich werde sagen, dass es unser Kind ist, von mir und meinem Mann. Verbergen kann man es ja nicht, weil man den Bauch sehen wird. Nach der Geburt ziehen wir von hier weg und so wird es niemand erfahren."

Kristina

Tausende ukrainische Frauen arbeiten wie Kristina als Leihmütter.

Sie muss Hormone nehmen, um die anstehende Schwangerschaft vorzubereiten. Wenn bis zur Geburt alles gut verläuft und die glücklichen Eltern das Kind in den Armen halten, bekommt die Leihmutter umgerechnet gut 10.000 Euro. Und bis es soweit ist, noch zusätzlich 350 Euro monatlich Unterhalt.

Um sich eine eigene Wohnung oder ein Häuschen leisten zu können, muss Kristina zwei bis drei Mal ihren Bauch vermieten.

Kristina bereitet sich für die Klinik vor. Heute findet der Embryonentransfer statt:

"Ich bin aufgeregt und hoffe, dass alles gut geht. Ich dachte, dieses Mal werde ich es nicht mehr sein. Es ist ja schon das zweite Mal."

Kristina

Für Kristina steht einiges auf dem Spiel: jede Schwangerschaft ist ein Risiko. Aber es geht um die Zukunft ihrer Familie.

"Mein Mann arbeitet und arbeitet, aber wofür? Es reicht nur für das Essen und die Kleidung. Für unser Kind bekommen wir keine Unterstützung vom Staat. Auch die Eltern können uns nicht helfen. Deswegen muss ich es aus eigener Kraft schaffen."

Kristina

Die Klinik bekommt rund 30.000 Euro für das Kind, das Kristina austragen wird – ein lukratives Geschäft. Auch etwa 25 deutsche Paare nehmen pro Jahr die Dienste dieser Klinik in Anspruch. Vor dem Ausbruch der Ukraine-Krise waren es sogar doppelt so viele.

Im Labor der Klinik werden unterdessen die Embryonen vorbereitet. Vor fünf Tagen wurden die Eizellen befruchtet. Es werden zwei Embryonen in Kristinas Gebärmutter eingesetzt, um die Chancen auf eine Schwangerschaft zu erhöhen. Die Eizellen stammen von einer Spenderin, damit Kristina nicht gleichzeitig auch die genetische Mutters des Kindes ist, das sie austragen wird. So soll das Risiko, dass sie das Kind nach der Geburt nicht hergeben will, minimiert werden.

Kristina schützt sich vor der bevorstehenden Trennung, in dem sie versucht, zu dem Kind in ihrem Bauch keine Beziehung aufzubauen.

"Ich trage dieses Kind nur aus, dann gebe ich es wieder her. Als ich mit meinem eigenen Kind schwanger war, habe ich den Bauch gestreichelt und mit ihm geredet. Aber das ist ein fremdes Kind, das werde ich bei ihm nicht tun."

Kristina

Die Wirtschaft in der ehemaligen Sowjetrepublik liegt am Boden, das Geschäft mit den Wunschkindern aber boomt.


68