Ukraine Der Krieg und die Folgen
Viele ukrainische Soldaten kehren mit psychischen Problemen aus dem Krieg im Donbass zurück. Etliche kommen im zivilen Leben nicht mehr zurecht, doch staatliche Hilfe gibt es kaum.
Seit mehr als einem Jahr ist Andrij wieder zu Hause in Kiew. Hunderte Kilometer liegen zwischen ihm und der Front, doch der Krieg lässt ihn nicht los. Seine Gedanken kehren immer wieder zurück in die Vergangenheit, in den Donbass…
"Du schleppst einen Verwundeten hinter dir her durch den Schnee. Die Kugeln schlagen überall ein, direkt um deine Füße rum. Dann schaffst du es ein paar Meter weiter und dann fällst du nochmal hin weil der Beschuss so stark ist…"
Andrij Taran, Veteran
Andrij verbrachte drei Jahre an der Front. Nach der Revolution auf dem Maidan zog er als Freiwilliger in den Krieg im Donbass, zunächst beim rechten Freiwilligenbataillon Asow. Das war der schnellste Weg an die Front zu kommen, sagt er. Später wurde er Sanitäter. Der brutale Kampf, die Furcht vor feindlichem Beschuss, die grausamen Erlebnisse des Krieges – sie machen es ihm und tausenden anderen Kriegsheimkehrern heute unmöglich, ein normales Leben zu führen.
"Es kommt ganz plötzlich – alles ist gut und dann: mir wird heiß, meine Arme und Beine werden zu Butter, mein Herz fängt an zu rasen, der Blutdruck steigt hoch...manchmal kommt es zur vollständigen Panikattacke."
Andrij Taran, Veteran
Ärzte sprechen von einer posttraumatische Belastungsstörung: sein Körper schüttet willkürlich Adrenalin aus: Und trotz allem zieht es ihn manchmal an die Front zurück, denn das Leben der Rückkehrer ist nicht einfach. Dankbarkeit erwarte keiner, sagt uns Andrij, aber selbst eine Arbeit zu finden sei schwierig. Veteranen seien nicht gern gesehen, zu groß ist die Angst der Arbeitgeber sie könnten gewalttätig werden.
Hilfe vom Staat hat Andrij bis lang keine bekommen. Wir fragen nach beim ukrainischen Militär. Ein Problem will man hier nicht wahrhaben:
"Kriegsrückkehrer haben natürlich Anpassungsschwierigkeiten – das kann erhöhte Aggressivität sein, Unruhe, Depressionen. Doch das alles vergeht nach drei Tagen zuhause."
Olexij Lessjuk, Militärpsychologe Ukraine
Mehr als 600 Selbstmorde unter Soldaten im aktiven Dienst im umkämpften Donbass sowie in den Kasernen nach der Rückkehr. Diese Zahl vom Militärstaatsanwalt sorgt schon seit Monaten in der Ukraine für Aufruhr. Doch diese Statistik will die ukrainische Armee nicht anerkennen:
"Die Zahlen liegen nicht über dem ukrainischen Durchschnitt. Zu sagen, dass die Selbstmordfälle in der ukrainischen Armee einen kritischen Zustand erreicht hätten, das wäre falsch."
Olexij Lessjuk, Militärpsychologe Ukraine
Wo die Regierung versagt, muss die Gesellschaft einspringen. Wir sind in Werkhowina, im hintersten Winkel der ukrainischen Karpaten. Viel weiter weg von Kiew geht es kaum. Kriegsteilnehmer können hier ihrem Alltag entkommen, unterstützt von Psychologen und Kunsttherapeuten. Finanziert wird das ganze ausschließlich durch Spendengelder. Zehn Tage lang muss Andrij rundum um die Uhr sein Leben mit der Gruppe teilen.
"Ich will keine Hasen, keine Blumensträuße sehen...ihr sollt nur mit den Farben experimentieren."
Witalina Maslowa
Vor dem Krieg war Witalina Maslowa Lehrerin. Aus ihrer Arbeit mit traumatisierten Maidan-Teilnehmern wurde schnell eine Vollzeitbeschäftigung. Doch wie bringt man Erwachsene, Soldaten dazu zu malen?
"Ich sag einfach immer: Mach mal, versuch es… Die Teilnehmer sind ganz erstaunt, dass ihnen etwas Schönes gelingt. Wir schaffen eine vertrauensvolle Umgebung an einem sicheren Ort, drumherum haben wir die schöne Natur. Die Leute können endlich mal loslassen und sich Gedanken machen wie es weitergehen soll."
Witalina Maslowa, Kunsttherapeutin