Ungarn und Mazedonien Autokraten gegen Milliardär Soros
Osteuropa 1989, die Wende. Seitdem finanziert der liberale US-Milliardär George Soros Projekte, um Zivilgesellschaften zu stärken.
"Eine offene Gesellschaft gibt es nur, wenn Bürger die Regierenden kritisieren können."
George Soros
Heute allerdings ist Soros mit seinem Engagement für Bürgerrechte und Rechtsstaatlichkeit in Osteuropa immer mehr verhasst, aktuell vor allem im politisch äußerst unruhigen Südosten Europas. Täglich protestieren in Mazedonien Anhänger der abgewählten rechtspopulistischen Regierung oder stürmen das Parlament wie Ende April und prügeln ein auf Sozialdemokraten und ihren Spitzenkandidaten Zoran Zaev, hier am Kopf verletzt, der an einem demokratischen Machtwechsel gehindert werden soll. Desonders ein Gerücht macht dabei die Runde, und zwar: Soros habe Zaev gekauft.
"Unsere politischen Gegner haben dieses Gerücht gestreut, weil sich zivilgesellschaftliche Organisationen hier bei uns einsetzen, mit uns gemeinsam, für Freiheitsrechte, für einen Rechtsstaat. Doch wir als Partei haben nie Geld erhalten oder Kontakt gehabt zu Soros."
Zoran Zaev, Vorsitzender, Sozialdemokraten Mazedonien
Die bisherigen rechtspopulistischen Machthaber gehen noch weiter und fordern die Abschaffung der von Soros mitfinanzierten Zivilorganisationen:
"Wir werden kämpfen für die Ent-Sorosisierung Mazedoniens. Niemand Fremdes darf unsere Zivilgesellschaft kontrollieren."
Nikola Gruevski, Vorsitzender, Rechtskonservative Mazedonien
Ent-Sorosisierung in Mazedonien heißt: Jagd auf Personen wie Vladimir Milcin, den langjährigen Leiter der Soros-Stiftung in Skopje. Er wurde zusammengeschlagen, mitten im Zentrum der Stadt. In Sicherheitstechnik hat er investiert, rund um seine Wohnung, weil er um sein Leben fürchtet. Gezielte Hetze gegen ihn und Soros betreiben Zeitungen in Mazedonien, die den Rechtspopulisten nahe stehen.
"Es genügt nicht mehr, Soros politisch anzugreifen, sondern er muss dämonisiert werden. Er muss zu einem Vampir werden. Deswegen gibt es bei uns Titelseiten, wo Soros als dunkle Figur dargestellt wird, die wir kennen, aus Spielfilmen, dem Fiction-Bereich."
Vladimir Milcin, ehemaliger Leiter der Soros-Stiftung Mazedonien
Die Folge davon: Jedes Mal, wenn er seine Wohnung verlässt, sieht er vorher nach: steht unten wohlmöglich der Nächste, der ihn als Soros-Mann angreifen will.
Mazedonien ist EU-Beitrittskandidat, doch kaum anders ist auch die Entwicklung: in manchen EU-Ländern. In Budapest protestieren immer wieder Tausende: das riesige Herz: ein Symbol für die Zivilgesellschaft und zugleich Protest gegen die heftige Anti-Soros-Propaganda der Regierung, wie etwa neulich im Europaparlament.
"George Soros und seine Nichtregierungsorganisationen wollen jedes Jahr eine Million Migranten in die Europäische Union herholen. Das hat Soros persönlich angekündigt."
Viktor Orban, Ministerpräsident Ungarn
Ähnlich verschwörungstheoretisch: dieser aktuelle Spot im ungarischen Staatsfernsehen. Ungarn werde, wie es hier heißt, fremdbestimmt, von Brüssel und NGOs, die von Soros finanziert werden. Nicht nur medial, auch im Parlament wird gegen Soros vorgegangen, mit Gesetzen, etwa zur Schließung der von Soros finanzierten Hochschule in Budapest oder um künftig die Arbeit von NGOs zu behindern, wenn sie Geld erhalten aus dem Ausland und eben auch von Soros.
Ähnlich wie in Putins Russland sollen NGOs als sogenannte ausländische Agenten gebrandmarkt werden, mit absehbaren Folgen, zum Beispiel für das führende Enthüllungsportal zur Korruption in Ungarn. Tamas Bodokys Recherchen werden von Soros mitfinanziert. Ob er so weiter arbeiten kann wie bisher, ist ungewiss.
"Das neue Gesetz hat zum Ziel, uns kritischen Beobachtern die Glaubwürdigkeit zu entziehen. Fast jeder in Ungarn ist betroffen, wer auch immer Kritisches schreibt über die Regierung und staatliche Institutionen."
Tamas Bodoky, Investigativjournalist
Tamas Bodokys wichtigstes Kapital ist seine journalistische Glaubwürdigkeit. Er hofft, dass ihm die nicht genommen wird, und setzt auf Proteste der Zivilgesellschaft gegen die zunehmend demokratiefeindliche Politik, mitten in Europa.