Griechenland Die Onassis-Tradition
In solchen Yachthäfen liegen ihre Boote. Doch von den reichen und mächtigen Besitzern, Griechenlands Reedern, ist zunächst niemand zu sehen. Je mehr ihr Land der Pleite entgegensteuert, desto mehr scheuen sie die Öffentlichkeit.
Doch dann haben wir Glück: Nicolas Vernicos, Vorstandsmitglied des mächtigen griechischen Reederverbands erscheint an Bord. Er will aufräumen mit dem schlechten Image, das ihm und seinen Kollegen zu schaffen macht. Nicht jeder griechische Reeder sei ein rücksichtsloser Geldprotz, sagt er und gibt sich volksnah:
"Es ist eine klassische Holzyacht. Hier können sie einen Fischer genauso willkommen heißen wie einen Ministerpräsidenten und können sich dabei gut fühlen."
Nicolas Vernicos, Reeder
Doch viele Griechen fühlen sich gar nicht gut, wenn sie an Reeder wie Vernicos denken, denn ausgerechnet diese Superreichen genießen gesetzliche Steuervorteile in Milliardenhöhe und verschieben ihr Geld ins Ausland.
"Die haben ja nicht bloß Schiffe, sondern auch andere Geschäfte, in denen sie ihr Geld verstecken."
Straßenumfrage
"Klar zahlen die zu wenig Steuern. Und wenn man sie zur Kasse bittet, verlassen sie vielleicht das Land."
Straßenumfrage
"Ich hoffe, die Regierung ändert diese Ungerechtigkeit. Sie war ja mit solchen Ideen angetreten."
Straßenumfrage
Die linke Regierung unter Ministerpräsident Tsipras hatte versprochen die Privilegien der reichen Reeder zu beschneiden. Das klingt nach der Wahl nicht mehr ganz so vollmundig.
Die Gewerkschaft der Steuereintreiber berät die Regierung, wie mehr Steuereinnahmen in die leeren Staatskassen fließen könnten. Doch mit den Reedern wollen es sich auch die Steuerbeamten nicht verscherzen.
"Wir erwarten, dass die Regierung ihre Steuerpläne umsetzt. Aber vielleicht sollte sie in einen Dialog mit den Reedern treten, damit sie mehr Steuern zahlen. Sie sind wichtig für die Wirtschaft, aber mehr Steuern könnten sie trotzdem zahlen."
Tryfon Alexiadis, Vizepräsident Gewerkschaft der Steuereintreiber
Nicolas Vernicos kann sich nicht vorstellen, mit dem Staat über höhere Steuern zu verhandeln. Die Privilegien der Reeder sind schließlich in der Verfassung verankert. Nirgendwo sind sie so mächtig wie in Griechenland.
Und das hat Tradition. Seit Jahrzehnten leben sie wie Könige, umgeben von schönen Frauen, in teuren Palästen. Aristoteles Onassis verkörperte wie kein anderer den Typ des millionenschweren griechischen Reeders.
Reeder wie Vernicos genießen ihren Reichtum heute lieber bescheidener. Ohne die Steuerprivilegien kann er sich nicht vorstellen, weiter unter griechischer Flagge zu segeln.
"Wenn sich an der Steuerpolitik für die Schifffahrt etwas ändert, dann werden die Banken, die uns finanzieren, zum Beispiel die Deutsche Bank, sagen: 'Herr Vernicos, wir mögen Sie und wollen Sie unterstützen. Aber bitte wechseln Sie zu einer anderen Flagge. Sie verlieren sonst ihre Wettbewerbsfähigkeit.'"
Nicolas Vernicos, Reeder
Im Hafen von Piräus operieren die großen Schlepperschiffe von Vernicos Reederei. Sie haben wieder mehr zu tun, seit Chinesen hier an den Containerterminals ihre Waren umschlagen. Daran verdient auch Vernicos. Für seine Schiffe zahlt er aber nur eine niedrige Steuerflatrate. Sämtliche Versuche früherer Regierungen daran etwas zu ändern, scheiterten bisher kläglich. Die Drohgebärden der neuen Regierung nimmt Vernicos deshalb auch nicht ernst.
"Das sind Populisten. Die wissen genau, dass Griechenlands Reeder ihre Geschäfte hauptsächlich außerhalb unseres Landes machen."
Nicolas Vernicos
Reeder wie Vernicos sehen sich lieber als Mäzene der Kunst. Er schmückt sich mit einer von ihm finanzierten Kunstgalerie unweit des Hafens. Auch das im Bau befindliche neue Opernhaus werde von den Reedern finanziert.
Vernicos sieht sich im Recht. An der Staatspleite trügen Reeder wie er keine Schuld. Und eigentlich, erzählt er uns zum Schluss, kommt es auf das Geld ja auch gar nicht so sehr an.
"Auch jemand mit nur fünf Euro in der Tasche kann sich einen schönen Tag machen. Er nimmt die Straßenbahn für 50 Cent zum Strand und verbringt den Tag in der Sonne."
Nicolas Vernicos, Reeder
Griechenland steht am Abgrund – und die Reeder schauen zu. Auf ihre Hilfe wartet das Land bis jetzt vergeblich.