Griechenland Die Woche nach der Wahl
Es ist ein politisches Erdbeben, das Tsipras und sein Finanzminister ausgelöst haben. "Ja zu Europa. Nein zur Troika!", "So sieht Krach mit Europa aus!" titeln die großen Tageszeitungen.
Schon am nächsten Tag beruft er ihn als Finanzminister: Janis Varoufakis; Ökonomieprofessor, Spieltheoretiker. Seine Aufgabe: Die vollmundigen Wahlversprechen einlösen! Wie zum Beispiel tausende, entlassene Beamte wiedereinstellen und einen neuen Schuldenschnitt bei den Kreditgebern aushandeln. Gelegenheit dazu hat er gleich in seiner ersten Regierungswoche. Doch Varoufakis verhandelt nicht mit dem Eurogruppen-Chef - er brüskiert ihn vor laufenden Kameras.
"Unsere Regierung wird mit größtem Engagement mit der Eurozone, der EU und dem IWF zusammenarbeiten. Aber mit der Troika, die ein Programm umsetzen will, dessen Idee wir als antieuropäisch betrachten, die auch das Europäische Parlament für nicht demokratisch legitimiert hält, wollen wir nicht zusammenarbeiten."
Janis Varoufakis, griechischer Finanzminister
Jeroen Dijsselbloem wartet noch kurz die Übersetzung ab, verzichtet auf jeglichen Kommentar und verlässt die Szenerie so schnell wie möglich. Show-Down im Finanzministerium.
"Was halten sie von Varoufakis Aktion?"
Reporterfrage
"Er hat uns gerettet. Für mich ist er Gott. So soll es sein. Er musste irgendwas machen."
Straßenumfrage
"Aber in einem Monat geht Griechenland das Geld aus."
Straßenumfrage
"Ach, das sind alles Lügen. Europa will uns doch nur an der Nase rumführen."
Straßenumfrage
"Ich finde es überhaupt nicht gut, was Varoufakis gemacht hat. Wir wissen überhaupt nicht, was er konkret vorhat, ob es einen Plan B gibt. Ist es der Grexit? Die Syriza-Partei sollte nicht vergessen, dass sie nur von 36 Prozent der Griechen gewählt wurde!"
Straßenumfrage
Ist Varoufakis ein Geisterfahrer oder ein ausgefuchster Stratege? Wenn Griechenland seine Kontrolleure rausschmeißt, dann bricht es internationale Verträge. Folglich gibt es keine EU-Gelder mehr, die den griechischen Haushalt am Leben erhalten. Rast Athen bewusst Europa davon?
Am Donnerstag war ein alter Bekannter des neuen Regierungschefs nach Athen gekommen: Martin Schulz, Präsident des EU-Parlaments. Ohne Krawatte zwar wird der hohe Gast von dem Frischling im Amt begrüßt. Doch die Chemie zwischen den beiden scheint trotzdem zu stimmen.
"Ich freue mich sehr, dass sie der erster Besucher sind, den ich als Premier empfange. Das hat große Symbolkraft."
Alexis Tsipras, Ministerpräsident Griechenland
Das Gespräch dauert doppelt so lang wie geplant. Der von Griechenlands neuer Regierung geforderte Schuldenschnitt - Tsipras spricht ihn nur am Rande an. Stattdessen erklärt er Schulz, dass er erst einmal die versteckten Steuermilliarden der superreichen Griechen eintreiben will.
"Ich habe ihm auch aus meiner Sicht gesagt, wo Chancen und Möglichkeiten liegen. Das waren teilweise Punkte, die er akzeptieren konnte, teilweise Punkte, die er nicht akzeptiert hat. Also, das war schon ein Gespräch, bei dem wir uns nicht gestritten haben. Das war jetzt kein Zoff, aber schon ein Meinungsaustausch – teilweise sehr kontroverser Art."
Martin Schulz, Präsident EU-Parlament
Eines der Themen: Die Annäherung an Russland. Anfang der Woche hatte Tsipras noch den Moskauer Botschafter empfangen. Kurz darauf die Beschwerde nach Brüssel. Die Verschärfung der Russland-Sanktionen sei gegen den Willen Griechenlands.
Drei Tage später: Bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel rudert der neue Außenminister wieder zurück - obwohl bekennender Russland-Freund. Selbst zu Hause in Griechenland kann man sich keinen rechten Reim daraus machen.
"Ich will einfach nur das Beste für mein Land. Egal ob durch die EU oder Russland, Amerika oder China."
Straßenumfrage
"Tsipras ist ein guter Diplomat. Er muss das Spiel von Geben und Nehmen spielen – in unserem Interesse."
Straßenumfrage
Das neue Tsipras-Kabinett. Die erste Regierungswoche gleicht der Fahrt auf einer Achterbahn, mal Moskau, mal Europa; mal Kuschelkurs mit dem EU-Parlamentspräsidenten, dann wieder offene Brüskierung des Euro-Gruppenchefs. Ende Februar fließen die letzten Rettungsgelder. Wie will Tsipras dann Rentner und Beamte bezahlen?