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Moldawien Ein Land sucht seine Zukunft

Moldawien, ein Land zerrissen zwischen Ost und West, zwischen Russland und EU, ein Land zwischen den Stühlen. Auch für die Apfelbauern dort ist das ein großes Problem.

Von: Ralph-Jürgen Schönheinz

Stand: 22.03.2015 | Archiv

Apfelsteigen in einer Lagerhalle | Bild: BR

Ende Oktober hatte es im Norden Moldawiens 15 Grad minus. Ein Schreck für die Apfelbauern, die ihre Ernte nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen konnten.

"In diesem Jahr haben sehr viele unter dem Frost gelitten, sehr viele."

Eine Feldarbeiter

Manche hier im Dorf Unguri waren so verzweifelt, dass sie ihre Apfelbäume herausrissen. Aber der Grund dafür war nicht nur der Frost: Zwei Drittel der Apfelernte wird nach Russland verkauft, die Region ist gewissermaßen der Apfelgarten Russlands. Und damit gibt es nun ein Problem: Jewenij Topeiu, zum Beispiel, könnte eigentlich zufrieden sein: Er hat einen Kredit aufgenommen und ein modernes Lagerhaus gebaut und konnte dadurch seine Äpfel retten. Aber jetzt: Das Lager quillt über, denn die Russen nehmen keine Äpfel mehr. Im Juni letzten Jahres unterschrieb Moldawien das Assoziierungsabkommen mit der EU, und Russland stoppte daraufhin die Einfuhr von Obst aus Moldawien. Wohin jetzt mit den Lieblingssorten der russischen Kunden? Eugeniu Topeiu ging es zu schnell mit dem Assoziierungsabkommen:

"Ich habe nichts dagegen, wenn Moldawien sich der EU nähert, aber nicht so abrupt, wie uns diktiert wurde, nicht so schnell. Man hat uns einfach alle über den Tisch gezogen."

Eugeniu Topeiu, Apfelbauer, Unguri

Eugeniu Topeiu

Viele Apfelbauern fühlen sich von der Regierung in Chişinău im Stich gelassen. Im Parlament regiert eine Koalition aus drei proeuropäischen Parteien. Man träumt vom Beitritt zur Europäischen Union.

Aber viele wissen auch, dass es für die ehemalige Sowjetrepublik nicht leicht ist, sich ganz von Russland zu lösen.

Zwischen Ost und West bewegen sich Moldawiens Politiker auf Glatteis. Für seine Enkel sieht dieser ehemalige Ingenieur dennoch nur einen Weg:

"Natürlich nach Westen. Ob man will oder nicht, alle Entscheidungen und das ganze Leben zeigen, dass es richtig ist und es nur so geht."

Valentin

"Nach Europa. Auf jeden Fall."

Vico

"Haben Sie da Jemanden?"

Reporter

"Fast alle meine Verwandten sind schon in Europa. Fast alle."

Vico

"Das Problem aus meiner Sicht ist, dass es in Moldawien eine soziale Kluft gibt zwischen den Leuten, die für Russland sind, und solchen, die für die Integration nach Europa stimmen."

Alexandru

Wer in Moldawien prorussische Stimmen hören will, fährt nach Transnistrien oder nach Gagausien, ein autonomes Gebiet. Und was in Nordmoldawien die Äpfel sind, ist bei den Gagausen der Wein. Auch davon gingen zwei Drittel nach Russland, und das bereitet Weinhändler Fiodor Vlath große Sorgen, denn auch seine Produkte fallen unter das Embargo.

Fiodor Vlath

Seit ein paar Monaten hat Moskau es für ein paar ausgewählte gagausische Winzer gelockert. Aber Fiodor gehört nicht zu den Glücklichen.

"Wir verkaufen unsere Produkte nur auf dem heimischen Markt, sonst nirgends. Früher habe ich nach Russland geliefert. Jetzt geht da gar nichts mehr hin."

Fiodor Vlath, Weinhändler, Gagausien

Die meisten hier geben den Pro-Europäern die Schuld dafür. Die 160.000 türkischstämmigen Gagausen lassen den Lenin vor der Regierung stehen. Gesprochen wird russisch oder gagausisch, rumänisch dagegen kaum. Und trotz türkischer Wurzeln sind die Gagausen christlich orthodox, bilden einen prorussischen Staat innerhalb der Republik Moldau.

"Nein, nicht in die Europäische Union, das ist klar. Russland ist uns näher, was Mentalität, Geschichte und viele andere Dinge angeht. Die Zollunion ist uns einfach näher als die EU."

Eine Frau

"Wir setzen mehr auf Russland. Verstehen Sie, wir sind nicht reich. Für Reiche ist die Eurozone besser. Was können wir dort schon machen? Wer braucht dort schon unsere Arbeit? Mit Russland haben wir es leichter. Das ist unsere Meinung."

Eine andere Frau

Moldawien zerrissen zwischen Russland und der EU.

Schauen wir nochmal zu den Apfelbauern im Norden der Republik Moldau. Im winzigen Dorf Bratusenii soll heute eine hochmoderne Apfelsortieranlage in Betrieb gehen. Landwirtschaftsfunktionäre aus dem ganzen Land kommen eigens zur Einweihung hierher. Die neue Anlage ist ein Schritt in Richtung Europäische Union.

Mit ihr lassen sich die Äpfel entsprechend europäischer Qualitätsnormen sortieren, eine Voraussetzung für den europäischen Markt. Der Vorsitzende des Obstbauernverbands sieht im russischen Embargo sogar eine Chance:

"Das russische Embargo ist der Moment der Wahrheit, denn wir müssen unsere Produktionstechnik und Infrastruktur modernisieren, damit wir überhaupt exportieren können; nicht nur Richtung Russland, sondern auch für den europäischen Markt und in den Mittleren Osten."

Iurie Fala, Direktor der moldawischen Fruchtproduzenten und Fruchtexporteure

Ein Problem: Die Apfelsorten sind auf den russischen Geschmack optimiert und im Westen oft unbekannt. Das ist ein Verkaufshindernis. EU-Standardsorten müssten erst mühsam gepflanzt werden. Auch der Trick, sie über den Dnjestr auf die ukrainische Seite zu bringen, dort umzuetikettieren und als ukrainische Äpfel nach Russland zu bringen, funktioniert seit Anfang des Jahres nicht mehr.

"Alles dicht. Man kann nicht mehr über die Ukraine nach Russland exportieren."

Eugeniu Topeiu, Apfelbauer, Unguri

Aber irgendwie geht dann doch was. Morgen soll ein LKW kommen und 20 Tonnen Äpfel nach Kasachstan mitnehmen. Eugeniu Topeiu hat schnell Leute zum Sortieren angeheuert. Ihm blutet das Herz, dass er die Äpfel nicht auf den europäischen Markt bringen kann.

"Wir sind noch nicht so weit. Ich kann noch nicht Äpfel nach Europa liefern. Obwohl, für unsere Begriffe, sind die Äpfel hervorragend. Aber wir haben keine Kunden, keiner Partner; die müssen wir erst finden, sich treffen, alles besprechen, sich anschauen, was die Kunden genau haben wollen."

Eugeniu Topeiu, Apfelbauer, Unguri

Wohin mit all den 200 Tonnen Äpfeln? Bis spät nachts grübelt Eugeniu. Vielleicht nach Weißrussland und dann weiter mit falschen Papieren über die russische Grenze? Aber das wäre illegal.


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