Portugal Weltmeister im Plastiktütenverbrauch
Die Plastiktüten haben die Portugiesen voll im Griff. Portugal war noch vor 40 Jahren ein Agrarland, alles natürlich, Bio aus reiner Not.
Heute ist das EU-Land Europameister in Palstiktütenverbrauch, mehr als 500 pro Person und Jahr.
Auf die Schandzahl antwortet ein Videokünstler mit Humor und kreiert die Figur des Melankomikers. Er steht für den Lebensstil der Portugiesen in der Konsumgesellschaft. Der Mann mit den zwei Tüten.
"Plastiktüten sagen uns: der Mensch beschäftigt sich zwar mit großen existentiellen Fragen, aber die Plastiktüten ziehen ihn auf den Boden der Tatsachen. Sie sind die Verbindung zum Alltäglichen, Banalen. Egal, wie wichtig wir uns nehmen, mit den Plastiktüten sehen wir alle gleich aus."
Nuno Costa Videokünstler, Komödiant
"Der Melankomiker" will mit seinen Platiktüten-Auftritten das Absurde im Leben zeigen. Dreharbeiten für die Fernsehserie von Nuno Costa, dem Vater des "Melankomikers".
"Ich wollte das portugiesische an der Tüte zeigen. Zeigst du die Portugiesen ohne Tüten, ist es so, wie wenn du Humphrey Bogart ohne Zigarette zeigst."
Nuno Costa
Die Idee zum Melankomiker kam ihm, als er sich selbst mit zwei Tüten in der Hand erwischte, sich umschaute und plötzlich merkte, dass fast alle Portugiesen ständig damit herumlaufen. Die Plastiktüte ist in Portugal allgegenwärtig, unausweichlich.
"Schau, selbst die größte Wochenzeitung des Landes kommt schon vom Verlag in einer Tüte."
Nuno Costa
Die Tüte ist für Nuno Costa das Symbol der Alltagslast eines modernen Konsummenschen wie er selbst: Patchwork-Familie, zwei Jungs, die von der Schule abgeholt werden müssen, Einkaufen gehen, kochen. Das ist, was aus dem Künstler den irdischen, normalen Mensch macht, auch der routinemäßige Weg zum Supermarkt.
Sie sind die immer sprudelnden Quellen der Plastiktüte, die Verteilzentralen: Ganze Tüten-Heere verlassen minütlich die Einkaufszentren – und die Portugiesen haben sich ihnen widerstandslos ergeben...
"Wir Portugiesen sind sehr gut darin, mit dem Finger auf die anderen, auf die Regierung, auf den Nachbarn zu zeigen. Eigene Verantwortung für das Gemeinwohl - Fehlanzeige. Und für die Ökologie braucht man Gemeinsinn."
Nuno Costa
Ohne Gemeinsinn sind die Portugiesen zu Wachs in den Händen der Handelsketten geworden, schaden so der Umwelt. Bereits Verpacktes wird hier noch einmal in Tüten geschoben, jede Ware einzeln, höchstens zu zweit - kostet ja nichts. Wer das nicht will, hat die Öko-Kasse, für zwei Cent pro Tüte. Ist das schon Öko?
"In den anderen Kassen wäre das hier statt in zwei, in sechs oder sieben Tüten."
Ein Kunde
"Die Lösung ist das Ende von kostenlosen Tüten."
Eine Kassiererin
Aber es gibt auch andere Gründe, an der 'grünen' Kasse zu stehen:
"Ich bin hier, weil keiner an dieser Kasse stand."
Eine Kundin
Nuno steht zwar an der normalen Kasse, will aber nur eine Tüte für alles. Das stört den Ablauf.
"Die Tüte wird zu schwer, geht kaputt."
Ein Kassierer
"Ich habe es ja versucht und gesagt: 'Nur eine Tüte.' Er lachte ironisch, wie einer, der sagen will: 'Ja, Kumpel, du bist schon ein Champion.' So habe ich erneut dem Druck des Marktes nachgegeben. Ich sagte mir: 'Okay, sei kein Fundamentalist und nimm noch ein Tütchen mit nach Hause.‘ Ich denke, die Portugiesen werden Ökoregeln kaum befolgen."
Nuno Costa
"Bei Rot – trotzdem eintreten", steht an der Tür des privaten Fernsehkanals "Q". Hier arbeitet Nuno. "Q" – wie "Was?"
Dabei will er mit seiner Arbeit nichts hinterfragen. Aber vielleicht bringt er doch mit der Poesie seiner Bilder seine Landsleute über ihr Konsumverhalten zum Nachdenken. In Poesie waren die Portugiesen schließlich schon immer Weltmeister.