Rumänien Schäfer gegen Raubtiere
Die Südkarpaten. Hier treiben sie ihre Herde von Alm zu Alm, auf der Suche nach den saftigen Weiden: Schäfer Gheorge und sein Helfer Simeon.
Genau 333 Schafe sind ihnen anvertraut von den Bewohnern ihres Dorfes – für manche der einzige Besitz. Das Hüten ist deshalb für die Schäfer nicht nur Aufgabe, sondern persönliche Verpflichtung, die sie nur mit ihren Hunden erfüllen können.
"Ein guter Schäferhund kennt seine Aufgabe genau. Zwei, drei müssen immer vorne laufen vor die Herde und dabei schauen, ob es wilde Tiere gibt. Und die anderen Hunde müssen die Herde hinten vor Angriffen schützen."
Gheorge Barb, Schäfer
Doch vor einem gibt es hier kaum einen Schutz: dem Wetter. Ständig geht der Blick nach oben, denn ein plötzlicher Umschwung kann hier schnell in einer Katastrophe enden, so wie vor wenigen Wochen auf einer nahe gelegenen Bergkuppe: mehr als 200 Schafe, erschlagen von einem einzigen Blitz, hier Amateuraufnahmen.
"Das schockiert mich noch immer. Unvorstellbar, wenn 200 Schafe sterben, dann ist es ein Riesenschlag für die Schäfer, ein fürchterlicher Schock. Die Existenz ist für sie zerstört."
Gheorge Barb
Die Herde zieht weiter. Die ständige Bewegung und immer neue Kräuter, meint Schäfer Gheorge, erst das sorgt für den Geschmack der Milch und des Fleisches.
Doch an dieser Lichtung wird er unruhig. Hier kommt es immer wieder zu Zwischenfällen mit Bären.
"Er kommt von dort oben, versteckt sich hier hinter den Tannen, reißt ein Schaf und verschwindet dann nach unten damit."
Gheorge Barb
Eine Gefahr, die immer größer wird und vom Menschen mitverschuldet ist. Unten im Tal zeigt uns Ranger Bogdan den makabren Grund: Auf dieser Lichtung, ein Pferdekadaver, nicht der einzige in diesen Wäldern. Er dient als Köder, um Bären anzulocken. Denn die Bärenjagd ist ein lukratives Geschäft in Rumänien. Auf dem Schießstand gleich daneben legt sich der Ranger auf die Lauer.
"Diese Art, Bären mit Ködern anzulocken, ist besonders gefährlich, weil die Bären gewöhnen sich daran, an das Fleisch. Und wenn es plötzlich aufhört mit den Ködern, mit dem Fleisch, ja dann greifen die Bären die Schafe und Kühe in der Umgebung an."
Bogdan Danciu, Waldhüter
Es dauert nicht lange, dann kommt ein Fuchs, er macht ran sich an den Kadaver. Doch plötzlich wittert er etwas. Ein Stück weiter der Grund: ein junger Braunbär taucht auf, macht sich an Knochenresten zu schaffen. Ausgewachsen wird er bis zu sechs Zentner schwer: das mächtigste Raubtier Europas – kurz darauf verschwindet er.
Unterdessen haben die Schäfer die Koppel erreicht.
Seit gut 12 Stunden sind Mensch und Tiere auf den Beinen, doch noch immer kein Feierabend. Die Tiere müssen gemolken werden – jetzt im Spätsommer ein mühsames Unterfangen.
"Jetzt geben die Tiere nur noch wenig Milch. Sie sind lange nicht mehr trächtig, die Zeit ist vorbei und die Gräser haben nicht mehr die Kraft wie im Frühjahr."
Simeon Mare, Schäfer
Es wird Abend und der Hirte Simeon zieht den Hang hinauf. In der Zeit hier oben schläft er unter diesem Baum: Dieser Holzkasten dient dem Schutz vor Bären. Doch vor allem ist das sein Zuhause. Er hatte mal eine Familie, eine Frau, erzählt er uns, doch das ist lange vorbei.
"Es ist irgendwie traurig, aber was soll ich machen. Die Zeit ist vergangen, aus und vorbei. Die Schäferei ist mein Leben. Es ist das, was ich kann. Ich kann das Rad nicht zurückdrehen und mein Leben neu leben. So ist es eben."
Simeon Mare
Doch dann plötzlich Alarm, die Hunde schlagen an. Sofort sind die Schäfer auf den Beinen. Etwas ist in die Koppel eingedrungen.
"Hier war was, hier hat sich genähert, aber die Hunde haben es verjagt."
Gheorge Barb
"Es kann nur der Bär gewesen sein."
Simeon Mare
"Schaut, das war mein Schaf. Das war das, was gehinkt hat. Ich habe es schon heute früh beim Melken gemerkt, dass es nicht dabei war. Deshalb habe ich es gesucht. Der Bär hat sie gerissen."
Gheorge Barb
Für Schäfer Gheorge ein herber Verlust und doch Alltag in den Karpaten, wie schon seit Hunderten von Jahren.