Russland Putins langer Arm im Inland
Vier Kugeln in den Rücken – der renommierte russische Oppositionspolitiker Boris Nemzow wird Ende Februar in Kremlnähe erschossen. Die Hintergründe des Mordes sind bisher noch unklar.
Nemzow ist Ende der neunziger Jahre auf dem Höhepunkt seiner politischen Karriere, wird Vize-Regierungschef. Er wird sogar als Jelzins Nachfolger gehandelt. Doch der schwerkranke Präsident entscheidet sich für Putin. Enttäuscht geht Nemzow in die Opposition, wird zum wichtigsten Putin-Kritiker und scharfen Gegner der russischen Ukrainepolitik.
Und seit der Ukrainekrise sind Kritiker wie Nemzow plötzlich Staatsfeinde, denn Putin und seine Propaganda stützen die prorussischen Separatisten im Donbass. Und wer das in Frage stellt, wird schnell zum Vaterlandsverräter.
Das alles dominierende staatliche Fernsehen brandmarkt jeden, der zur prowestlichen Kiewer Regierung hält: "Unbedeutende Wichtigtuer", "Agenten der verhassten USA", "Fünfte Kolonne" – und hinter allem stehen die USA und die von ihnen abhängigen Staaten in Europa.
"Sie werden uns weiter das Hirn malträtieren. Es gibt nur ein Gegengift: Kollektive Verachtung und Hass gegenüber allen Verrätern und Panikmachern."
Michail Liontew, Erstes Russisches Fernsehen
Worte, die in unseren Ohren an schlimmste Zeiten erinnern, aber die meisten Russen empfinden sie als angemessen und normal. Nur wenige denken wie Natalia Logwinenko: Sie erträgt die Kremlpropaganda nicht. Auch das russische Internet sei voll von stupider Gehirnwäsche und Kreml-Größenwahn:
"Das Klima des Hasses, das vom Staat unterstützt wird, ist fatal. Es macht Verbrechen wie jüngst den Mord an Boris Nemzow erst möglich."
Natalia Logwinenko, Juristin
Ganz anders dagegen Natalias alte Schulfreundin Elena: Sie steht voll und ganz hinter dem aggressiven Auftreten der Staatsmedien gegenüber der Opposition. Sie ist wie die Bevölkerungsmehrheit absoluter Putinfan:
"Unser Präsident ist ein kompetenter Mann, der den Westen und vor allem den Amerikaner zeigt, dass wir wieder da sind, Kraft haben."
Lena Isatschenko, PR-Managerin
So wie Elena Isatschenko denken rund 80 Prozent der Russen und stehen voll hinter Putin. Und das obwohl das rohstoffabhängige Riesenreich wegen des niedrigen Ölpreises und der westlichen Sanktionen in einer schweren Wirtschaftskrise steckt. Die Propagandamaschine des Kremls funktioniert:
"Es ist klar, dass die Gegner unserer Führung von irgendjemand Geld kriegen. Sonst läuft doch nichts. Geld ist die treibende Kraft. Wer will Russland zerstören? Der Westen, Amerika. So ist das."
Ein Mann
"Viele Oppositionelle waren mal an der Macht. Sie wollen wieder an die Futtertröge. Putin weiß, das zu verhindern. Recht hat er."
Ein anderer Mann
"Ich glaube, dass unter den Kremlkritikern viele ehrliche Leute sind, die keine Lust auf das autoritäre System haben, passionierte Oppositionelle. Ich muss zur Arbeit."
Eine Frau
Eine liberale Stimme auf Moskaus Straßen – viele gibt es nicht. Die Propaganda in den alles beherrschenden Staatsmedien treibt einen Keil zwischen Russland und den Westen. Und wer wie Boris Nemzow laut protestiert, muss offensichtlich damit rechnen, aus dem Weg geräumt zu werden.