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Schweiz Abschiebung statt Asyl

Endlich in Sicherheit, am Ziel ihrer Träume. Sie sind zwischen 17 und 19, erlebten in Afghanistan den Terror der Taliban, verloren Freunde und Familie. Nach einer Odyssee durch die halbe Welt sind sie nun also am Seeufer von Lausanne gestrandet.

Von: Daniel Hechler

Stand: 08.11.2015 | Archiv

Flüchlinge am See von Lausanne | Bild: BR

"Wir haben in Afghanistan so viele Kriege erlebt. Davon habe ich ein für alle Mal genug. Ich wollte in ein Land, wo es garantiert keinen Krieg gibt. Und weil ich gelesen habe, dass die Schweiz neutral ist, sich nicht einmischt und sich für humanitäres Recht einsetzt, wollte ich hierherkommen."

Mohsen Khoshi, Asylbewerber

"Ich würde hier gerne zu Schule gehen, etwas lernen und mich dann später für mein Land nützlich machen. Ich möchte irgendwann zurückkehren und mithelfen, eine Zukunft für Afghanistan aufzubauen."

Nijat Nour, Asylbewerber

So wie sie riskieren Hunderttausende ihr Leben, um Schutz im sicheren Hafen Europa zu finden. An den EU-Außengrenzen sollen Flüchtlinge eigentlich sofort registriert, ihr Asylantrag geprüft und entschieden werden. Dieses Dublin-Verfahren aber existiert nur auf dem Papier. Die Ankunftsländer sind mit dem Zustrom hoffnungslos überfordert, die Lebensbedingungen für Flüchtlinge oft katastrophal. Die meisten ziehen sofort weiter Richtung Norden.

Nijat Nour

Sie kamen über Ungarn, wurden dort registriert. Und dahin sollen sie nun auch wieder zurück. Ihre Bescheide haben sie schon bekommen. Für die vier jungen Afghanen eine Hiobsbotschaft:

"Sie haben uns in Ungarn zwei Tage lang in Container gesperrt, ohne Essen und Trinken. Wir konnten uns nicht richtig bewegen, nicht einmal unsere Notdurft verrichten. Ich wurde immer wieder Zeuge von Gewaltszenen. Das war schrecklich!"

Nijat Nour, Asylbewerber

"Ich hätte mir nie vorstellen können, dass man uns wie Tiere behandelt, dass man uns Essen zuwirft wie im Gehege. Vielleicht gibt es so etwas im Gefängnis. In Europa habe ich damit nicht gerechnet. Das hat mich wirklich geschockt."

Mohsen Khoshi, Asylbewerber

Martin Reichlin

Da aber kennt die Schweiz keine Gnade. Der Flüchtlingsstrom zieht an den Eidgenossen bislang weitgehend vorbei. Dennoch schicken die Behörden Asylbewerber - anders als in Deutschland - konsequent zurück, wenn sie woanders zuerst registriert wurden. 2015 beantragte die Schweiz so schon 3500 Überstellungen nach Italien, 580 nach Deutschland und sogar 1000 nach Ungarn.

"Wir gehen davon aus, dass die Flüchtlingskonvention und die europäischen Verträge durch die Vertragsstaaten grundsätzlich eingehalten werden. Wir beobachten die Situation natürlich laufend vor Ort, sind aber der Meinung, dass prinzipiell Überstellungen nach Ungarn möglich sind."

Martin Reichlin, Staatssekretariat für Migration

Schweizer Flüchtlingsinitiativen prangern diese Praxis an. Gerade in Ungarn würden die Rechte von Flüchtlingen mit Füßen getreten. Dennoch beschleunige die Regierung das Dublin-Verfahren seit kurzem sogar noch. Mehrere Asylbewerber hätten nach ihrem Bescheid schon versucht, sich das Leben zu nehmen.

"Das ist einfach unmöglich, all diese Personen zurückzuschicken. Die Schweiz will einfach der ganzen Welt sagen, besonders den Flüchtlingen, sie sind nicht willkommen hier, sie müssen zu anderen Ländern gehen, lieber nach Italien, nach Deutschland, oder nach Ungarn – das ist uns egal, aber nicht in die Schweiz."

Michael Rodriguez, CollectifR Lausanne

Und so eint die vier jungen Afghanen die Angst, schon bald in einem ungarischen Lager leben zu müssen.

"Das belastet mich, macht mich krank. Ich kann keinen klaren Gedanken mehr fassen und weiß beim besten Willen nicht, was ich tun soll."

Nijat Nour, Asylbewerber

Sie flohen vor Krieg. Sicher aber fühlen sie sich in ihrem einstigen Wunschland Schweiz nicht.


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