BR Fernsehen - EUROBLICK


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Schweiz Villa am Genfer See

Es ist das Jahr 1952: Charlie Chaplin sucht nach einem neuen Zuhause für sich und seine Familie hier am Genfer See, denn seine Heimat in den USA wurde ihm weggenommen von einem Tag auf den anderen.

Von: Susanne Fiedler

Stand: 09.11.2014 | Archiv

Charlie Chaplin | Bild: BR

Es waren die USA der Mc Carthy-Ära: Er sympathisiere mit den Kommunisten, so der Vorwurf. Nach einer Auslandsreise wurde ihm die Rückkehr verweigert.

Oberhalb von Vevey verliebt sich Charlie Chaplin in ein altes Weingut, das Manoir le Ban, ein Herrenhaus von 1830. Charlie Chaplin zählt damals bereits zu den bekanntesten Unterhaltungskünstlern, berühmt als Stummfilm-Star in Slapstick-Komödien mit Melone und Schnurrbart.

Michael Chaplin

Michael ist der älteste Sohn von Charlie Chaplin aus dessen Ehe mit Oona. In den USA geboren, kam er mit der Ausweisung seines Vaters an den Genfer See. Heute noch besucht er das Haus regelmäßig.

"Natürlich ist es hier voller Erinnerung: Ich war sechs Jahre alt, als ich das erste Mal hierhergekommen bin, und lebte hier bis zu meinem 16. Lebensjahr, ein großer Teil meiner Kindheit also. Und nach dem Tod meiner Mutter bin ich wieder zurückgekehrt mit meinem Bruder Eugene und unseren Familien. Somit besteht eine starke Beziehung zu diesem Haus. Aber ich freue mich, wenn es einem großen Publikum geöffnet wird."

Michael Chaplin

Charlie Chaplin ist 54 Jahre alt, als er Oona O`Neill in Amerika heiratet. Damals ist sie gerade mal 18. Mit ihr fängt er in der Schweiz nochmals ganz neu an: Ein neues Leben mit einer immer größer werdenden Familie. Acht Kinder hat er mit Oona.

Über 35 Jahre ist Chaplin inzwischen tot. Und obwohl es stiller um ihn geworden war, pilgerten immer wieder Menschen zu seinem Haus, bis heute. An eine Frau, die sogar aus dem Nahen Osten kam, erinnert sich Michael ganz besonders.

"Die Frau küsste die Mauern des Hauses. So glücklich war sie, das Haus sehen zu können. Da sich mein Vater über die Mimik ausdrückte, ganz ohne Worte, gewann er Anhänger auf der ganzen Welt. Das Verhalten dieser Frau hat mich sehr beeindruckt und es hat zu der Idee beigetragen, aus dem Haus ein Museum zu machen."

Michael Chaplin

Mit den Mitteln des Stummfilms beschreibt Chaplin die Nöte der kleinen Leute.

"Das war eine Sprache, die jeder verstehen konnte, alles mit seiner Mimik, seiner Gestik, das ist außergewöhnlich. Es war eine Magie, die noch vor den Tonfilmen existierte, denn die Faszination entstand dadurch, dass er sich mit seinem Körper ausdrückte. So hat er es geschafft, das man ihn überall verstanden hat."

Michael Chaplin

Nun soll das Haus als Museum wieder zum Leben erweckt werden. Darum kümmert sich der kanadische Kurator Yves Durand. Das Flair der vergangenen Zeiten ist überall präsent.

"Die größten Stars des 20. Jahrhunderts sind hier ein- und ausgegangen. Stellen Sie sich die Berühmtheiten von damals vor: Sophia Loren, wie sie die Treppe hinaufsteigt, hinauf in den Salon, in dem sie von Oona herzlichst begrüßt wurde."

Yves Durand, Museumskurator Chaplins Welt

Yves Durand

Nicht nur die Filmwelt traf sich in seinem Haus. Chaplins Reich war seine Bibliothek, hier hat er seine Lebensgeschichte geschrieben. Das wollte er keinem anderen überlassen.

"Charlie Chaplin legte sehr großen Wert auf seinen Ruf. Es war ihm extrem wichtig, seine Autobiographie selbst zu verfassen. Er wollte ein Erbe hinterlassen, von seinen Filmen und seinem Leben erzählen, aber so, wie er es sehen wollte."

Yves Durand

Musiker, Regisseur und Schauspieler: Charlie Chaplin war weit mehr als nur Komiker und dazu ein großer und überaus erfolgreicher Geschäftsmann. Für seinen Sohn Michael war er ein strenger Vater. Nur einmal, als sie gemeinsam auftraten, ist er ihm richtig nahe gekommen.

"Ich hatte viele Auseinandersetzungen mit meinem Vater. Er kannte wirklich die echte Armut, die er in seiner Kindheit erlebt hat. Er musste hart kämpfen für das, was er erreicht hat. Er wollte, dass seine Kinder eine gute Ausbildung bekommen, denn für ihn war Bildung der einzig wahre Schutz im Leben vor der Armut, unter der er als Kind gelitten hat."

Michael Chaplin

Charlie Chaplin hatte eine liberale Weltanschauung und war Pazifist, für eine Größe im Filmbusiness war das damals revolutionär. Zentrales Thema in Moderne Zeiten ist die Kritik an der zunehmenden Industrialisierung.

Während das Manoir le Ban zu dem Museum Chaplins Welt umgebaut wird, lagern hier im Depot die Möbel der Familie. Zudem ist man dabei, verloren gegangene Möbelstücke wieder zurückzukaufen. Das Haus soll wieder so aussehen wie zu Lebzeiten der Chaplins.

Ein eigener Filmvorführraum ist geplant, in dem gerade seine kritischen Filme laufen sollen, zu denen Der große Diktator zählt, sein erster Tonfilm, mit der bekannten Parodie auf Hitlers Faschismus.

"Es steckt vor allem eine Idee hinter dem Konzept des Museums: Charlie Chaplin empfängt seine Besucher, die aus der ganzen Welt herkommen. Man lernt hier sein Leben kennen, seine ganz private Seite, welcher Mensch sich hinter dem Filmemacher versteckt."

Yves Durand

Die Besucher dürfen sogar in sein Schlafzimmer.

"Hier ist der privateste Raum im ganzen Haus: Hier waren Charlie und Oona ganz unter sich. Hier haben sich beide jeden Abend getroffen. Sie haben beide immer zusammengehalten. Charlie hätte nie Oona verlassen und Oona nie Charlie."

Yves Durand

Beide sind hier gestorben, Charlie Chaplin an Weihnachten 1977,´seine Frau 14 Jahre später.

Vevey lebt von Charlie Chaplin, heute sogar mehr als früher. Diese Skulptur wurde von einem britischen Künstler aus seinem Geburtsort London geschaffen. Selbst die Fassaden zweier Häuserblocks aus dem sozialen Wohnungsbau erinnern an ihn. Und nun soll ein weiteres Denkmal folgen: Seine Villa mit dem großen Park. 2016 soll das Museum eröffnet werden – eine Erinnerung an das Universaltalent Charlie Chaplin, der weit mehr als nur Komiker und Filmproduzent war und an seine letzte Heimat am Genfer See.


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