Nierentransplantation Neues Leben mit gespendeten Organen
Die erste erfolgreiche Lebendorganspende gelang im Jahr 1954, die erste postmortale 1962. Seitdem wurden in Deutschland über 142.000 Organe verpflanzt. Reporterin Veronika Keller trifft Menschen, die auf ein Organ warten, Paare, die eine Lebendspende hinter sich haben und Ärzte, die Nierentransplantationen durchführen.
In der Dialyseabteilung des Klinikums rechts der Isar gehört das Warten auf ein Organ zum Alltag. Hierher kommen Menschen, deren Nieren nicht mehr funktionieren. So wie Karl-Leopold Sommer, der seit acht Jahren dreimal die Woche an der Dialyse liegt.
"Ich werde gewaschen, genauer gesagt, mein Blut wird gewaschen. Nicht so perfekt wie natürliche Nieren das schaffen, aber es sichert mein Überleben. Paradoxerweise ist man nach der Dialyse kaputter als vorher. Und man bekommt Hunger während der Dialyse. Diese Maschine isst mit. Mein Leben hängt jetzt von der Maschine ab. Aber ich habe ein Grundvertrauen, sonst wäre ich ja schon seit acht Jahren tot."
Karl-Leopold Sommer, Dialysepatient
Dr. Claudius Küchle betreut die Dialysepatienten. Für ihn ist die maschinelle Blutwäsche eine geniale Errungenschaft, auch wenn sie beschwerlich ist.
"Die Dialyse erhält Ihnen Ihr Leben, doch es gibt nichts umsonst in der Medizin. Und das Problem ist, wenn in fünf Stunden das getan werden muss, was sonst in einer Woche getan wird, ist das natürlich anstrengend."
PD Dr. med. Claudius Küchle, Nephrologe, Klinikum r.d. Isar, TU München
Rudi Fischer hatte das Glück, ein Spenderorgan zu bekommen. Er leidet an Zystennieren, einer erblichen Erkrankung, bei der die Nierenfunktion kontinuierlich abnimmt. Seit einem Jahr hat er ein Transplantat.
"Mir gehts sehr gut und ich bin sehr zufrieden. Weil man die ganzen Medikamente nehmen muss, gibt´s immer noch Einschränkungen. Aber das sind Nebenschauplätze gegenüber früher, dem Leben mit der Dialyse. Mit dem Spenderorgan ist es einfach toll: Man kann ein ganz normales Leben führen! Meine Lebensgefährtin hat sie mir gespendet. Ein sehr großes Geschenk, ein echter Liebesbeweis."
Rudi Fischer
Seine gespendete Niere wird regelmäßig genau untersucht. Es gilt, Engstellen aufzuspüren, die den Blut- und Harnfluss stören würden. Aber alles sieht gut aus. Glücklicherweise kommt die schlimmste Komplikation, der Verlust einer Spenderniere, nur sehr selten vor.
Rudi Fischers Partnerin Monika Ambronn ist 50 Jahre alt. Auf eine neue Niere aus einer postmortalen Spende hätte der mindestens sieben Jahre warten müssen, schätzen die beiden. Die Lebendspende konnte die Zeit stark verkürzen und ihm die Dialyse ersparen. Und auch ihr geht es gut.
"Mir gehts tatsächlich gut. Was ich manchmal merke ist, dass ich hin und wieder leichter müde werde. Aber selbst da bin ich nicht sicher, ob das damit zusammen hängt. Dass da bei mir ein Organ fehlt, merke ich gar nicht. (...) Am Anfang hatte ich tatsächlich keine Angst. Aber wie es dann ernst wurde, wir unser erstes Gespräch in der Klinik hatten, da waren schon mal drei Tage, wo es mir ganz schön mulmig wurde. Doch von Untersuchung zu Untersuchung wurde mein Gefühl immer besser."
Monika Ambronn
Nach monatelanger Vorbereitung konnten die beiden schließlich vor einem Jahr operiert werden.
"Für mich is es eigentlich das größte Geschenk, wie ein neues Leben. Man übernimmt da schon zumindest vom Gefühl her auch Verantwortung. Man überlegt sich auch, ob man die tragen kann, wenn irgendwas schiefgeht. Die Niere kann ja auch abgestoßen werden. Dann hat sie mir etwas gegeben, und wir haben beide nichts davon."
Rudi Fischer
Auch für die operierenden Ärzte ist eine Transplantation immer etwas Besonderes
"Eine Lebendspende ist immer etwas ganz Besonderes, weil die beiden, das Spenderpaar sich Wochen und Monate drauf vorbereitet haben, diesen langen Prozess durchlaufen sind, wo am Anfang gar nicht klar war, ob es überhaupt funktioniert, diese Lebendspende zu machen. Und wir tragen ne besondere Verantwortung gerade für den Spender, weil diese Person sich für sich selbst ja gar keine Operation unterziehen müsste."
V. A.
Bei der Lebendtransplantation werden Spender und Empfänger direkt nacheinander operiert. Die Niere wird, sobald sie entnommen ist, mit einer Konservierungsflüssigkeit blutleer gespült und gekühlt. Dann wird sie innerhalb kürzester Zeit dem Empfänger transplantiert. Der entscheidende Moment kommt, wenn der Chirurg die Arterien vernäht und auch den Harnleiter mit dem Spenderoragn verbunden hat.
"Die Niere hat wieder komplett die Farbe wie vorher angenommen, wird komplett durchblutet. (…) und wir sehen hier schon, dass der Harnleiter arbeitet, also mutmaßlich wird schon in der neuen Niere Urin produziert, der in die Blase hinunterläuft."
PD Dr. med. Volker Aßfalg, Klinikum r.d.Isar, TU München
Wie lange überleben gespendete Organe?
Hannelore und Jörg Kukuk hatten kürzlich Jubiläum: Vor zehn Jahren hat er ihr eine Niere gespendet. Heute, mit 80 und 79, sind sie topfit, reisen mit dem Wohnmobil und halten ihren Garten in Schuss. Ein Vorgespräch zur Transplantation ist ihnen besonders in Erinnerung geblieben.
"Und wie die mich fragen: Wie lang denken sie, dass so eine Niere aushält? Da habe ich gesagt, 20 Jahre. Da sagte der Herr dann, na, Sie sind Optimist. Aber ich denke, zehn Jahre haben wir schon. Und die nächsten werden wir auch packen (…)
Man ist sich so bewusst, dass das ein neues Leben ist. Gut, das wird natürlich auch zur Gewohnheit im Laufe der Jahre. Aber das war schon ein Wahnsinnsgefühl."
Hannelore und Jörg Kukuk, der seiner Frau eine Niere spendete
Die beiden wurden im Klinikum Großhadern operiert. Prof. Dr. Meiser leitet dort das Transplantationszentrum. Wie lange überleben gespendete Organe?
"Sind Organ und Empfänger gut gematcht, passen also bei den wichtigen Auswahlkriterien gut zusammen, können Organe eine lange Lebensdauer haben. Es gibt Patienten, die leben schon über 30 Jahre mit einem transplantierten Herzen. Bei Lungen liegt die durchschnittliche Lebensdauer ungefähr zwischen fünf und zehn Jahren und bei Nieren zwischen fünzehn und achtzehn Jahren. Die Wartezeit für eine postmortal gespendete Niere liegt bei acht bis zehn Jahren. Viele Dialyse Ärzte melden die Patienten wegen der langen Wartezeiten erst gar nicht mehr zur Transplantation an."
Prof. Dr. med. Bruno Meiser, Leiter des Transplantationszentrums, Klinikum der Universität München
Alternative: Schweinenieren für Menschen?
Im Januar 2022 gab es die erste Xenotransplantation eines Schweineherzen auf einen Menschen. Sind Schweinenieren vielleicht bald auch eine Möglichkeit für Dialysepatienten? Dr. Manfred Stangl hatte die Nierentransplantation bei den Kukuks vor zehn Jahren durchgeführt. Er meint, vorerst müssen Nieren weiterhin von Menschen gespendet werden.
"Für Patienten, die jetzt auf der Warteliste stehen, wird’s wohl noch keine Option sein. Es wird noch eine Zeitlang dauern, denn es müssen mehrere Probleme und Faktoren überwunden werden: Einmal die Immunologie, dass der Mensch diese tierischen Organe leicht abstößt. Und: Die Niere hat die Entgiftungsfunktion und gleichzeitig produziert sie Hormone und Faktoren, die der Mensch braucht, um leben zu können. Und diese Faktoren sind beim Schwein anders als beim Menschen."
PD Dr. med. Manfred Stangl, Klinikum der Universität München