Missbrauch in der katholischen Kirche Recherche-Kooperation für Grimme Online Award nominiert
Eine gemeinsame Recherche von BR und CORRECTIV zu einem Missbrauchsfall im Erzbistum München und Freising ist für den Grimme Online Award, Deutschlands renommiertesten Preis für Online-Publizistik, nominiert. Die Recherche wurde im Januar 2022 kurz vor Veröffentlichung des Münchner Missbrauchs-Gutachtens bekannt und sorgte bundesweit für Aufsehen. Daraus entstand der Webartikel "Das unsichtbare Kind" auf correctiv.org. Im BR wurde das Thema für alle Ausspielwege umgesetzt, u. a. im Politikmagazin "Kontrovers" und im BR24 Radio-"Funkstreifzug" (Titel "Missbrauch unter den Augen der Bischöfe").
Die Recherche von Antje Dechert (BR-Redaktion Religion und Orientierung) und Beate Greindl (BR, Kontrovers) sowie Marcus Bensmann, Justus von Daniels und Gabriela Keller von CORRECTIV enthüllte einen bis dato unbekannten Missbrauchsfall. Demnach ließ die Kirche H. trotz rechtskräftiger Verurteilung wegen mehrfachen Kindesmissbrauchs nicht nur unbehelligt mit Kindern arbeiten, sondern vertuschte Hinweise auf neue Übergriffe.
Neue belastende Aussagen
Ein Opfer, Stefan, berichtete erstmals gegenüber CORRECTIV und dem BR, wie er als Kind Anfang der 1990er-Jahre von Peter H. in der bayerischen Gemeinde Garching an der Alz über mehrere Jahre missbraucht wurde. Der Fall H. zählt zu den gravierendsten Missbrauchs-Skandalen innerhalb der katholischen Kirche: Vorwürfe wegen sexualisierter Gewalt gegen Kinder gegen den aus Gelsenkirchen stammenden Geistlichen sind seit den späten 1970er-Jahren aktenkundig. Die katholische Kirche versetzte den Pfarrer mehrfach in immer neue Gemeinden.
Seiner Aufnahme im Erzbistum München und Freising soll auch der damalige Erzbischof und spätere Papst Joseph Ratzinger zugestimmt haben, der gegenüber CORRECTIV und dem BR aber bestritt, von den gegenüber H. erhobenen Vorwürfen Kenntnis gehabt zu haben.
Kontrovers-Beitrag vom 12.1.2022: Missbrauch vertuscht? Kritik an Ratzinger, Wetter und Marx
"Der Funkstreifzug" mit dem Titel "Missbrauch unter den Augen der Bischöfe - was wussten Ratzinger und seine Nachfolger?" ist als Podcast verfügbar, der Kontrovers-Beitrag in der BR Mediathek sowie ein Webartikel bei BR24. Der Webartikel "Das unsichtbare Kind" von CORRECTIV ist hier nachzulesen.
Begründung der Nominierung
"In einem zurückhaltend sachlichen und dennoch empathischen Text mit Audio-Elementen zeigen die Autor*innen im Detail auf, wie die Kirche bis in die höchsten Ebenen den Priester geschützt hat. Und wie Stefans Schicksal immer wieder übersehen wurde. An seinem Fall wird das System dahinter auf erschreckende Art deutlich", begründet die siebenköpfige Nominierungskommission die Benennung der Recherche für die finale Auswahl. Die Verleihung der Grimme Online Awards findet am 23. Juni 2022 statt.
Abstimmen für den Publikumspreis
Neben den regulären Auszeichnungen gibt es beim Grimme Online Award einen Publikumspreis, der unter allen Nominierten vergeben wird. Userinnen und User können unter www.grimme-online-award.de/voting auch für das Rechercheprojekt von BR und CORRECTIV abstimmen.