Lebenslinien - Rosemarie und Josef Liebls Inklusions-WG Die Giglberger packen's an
Seit 45 Jahren sind Rosemarie und Josef Liebl ein Paar. Sie haben existenzielle Krisen auf ihrem Bauernhof in Niederbayern miterlebt, mussten immer dazu verdienen und haben drei Söhne großgezogen. Bis sie die größte Entscheidung ihres Lebens fällen: Aus dem Hof entsteht vor 15 Jahren die Wohngemeinschaft am Giglberg.
Rosemarie und Josef wachsen auf zwei nahe beieinanderliegenden Bauernhöfen im Vilstal auf. Beide sind geprägt von den frühen Verlusten ihrer Brüder und beide lernen, dass Verantwortung und Zusammenhalt die entscheidenden Werte im Leben sind. Sie sind 14 und 17 Jahre alt, als sie sich kennenlernen. Drei Jahre später heiraten sie und Rosemarie zieht auf dem Bauernhof von Josefs Familie am Giglberg ein.
Filminfo
Originalitel: Die Giglberger packen's an (D, 2019)
Regie: Monika Manoutschehri
Redaktion: Sonja Hachenberger
Länge: 45 Minuten
VT-UT, 16:9, stereo
Um den Hof weiterführen zu können, arbeiten beide zusätzlich in einer Fabrik. Ihre drei Buben werden von der Großmutter betreut. Josef versucht als einer der ersten Biobauern Bayerns den Hof auf Vollerwerb umzustellen, bis der Traum nach dem Reaktorunglück in Tschernobyl 1986 zerplatzt.
Als Rosemarie die anstrengende Akkordarbeit in der Ziegelfabrik nicht mehr schafft, beginnt sie als Pflegehilfskraft in einer Behinderteneinrichtung im nahe gelegenen Algasing zu arbeiten.
Auch Josef sattelt um und beide scheinen nun ihre Bestimmung gefunden zu haben. Nach ihrer Ausbildung zum Heilerziehungspfleger reift die Idee, den Bauernhof in eine Wohngemeinschaft für Menschen mit Behinderung umzubauen.
Mittlerweile arbeiten dort alle drei Söhne und Rosemarie und Josef haben endlich etwas mehr Zeit für sich.
Regiestatement von Autorin Monika Manoutschehri
Was hat dich an der Geschichte von Rosemarie und Josef besonders beeindruckt?
Mich hat so vieles beeindruckt. Ich habe hier zwei Menschen getroffen, die immer schon genau wussten, was für sie das Richtige ist; dass sie als Paar zusammengehören und das wortwörtlich in guten wie in schlechten Zeiten. Später dann, als sie ihre Liebe für die Arbeit mit behinderten Menschen entdeckt haben, sind sie auch diesen Weg konsequent gegangen, ohne sich jemals beirren zu lassen. Von ihrer Herkunft und ihrer schulischen Ausbildung, vom ganzen Umfeld her, hat eigentlich nichts darauf hingedeutet, dass sie aus ihrem Leben machen würden, was sie hier mit ihrer Wohngemeinschaft Am Giglberg geschafft haben.
Wie hast du die Beiden während der Dreharbeiten zusammen als Paar erlebt?
Das Schöne an den Dreharbeiten war, dass Rosemarie und Josef immer so authentisch geblieben sind. Sie haben schon viel darüber nachgedacht, ob sie beim Drehen auch alles richtig machen und waren sich selbst gegenüber sehr kritisch. Vieles hätten die Beiden gerne besser und eloquenter ausdrücken wollen, sind letztlich aber auch immer wieder zu dem Schluss gekommen, dass sie halt einfach so sind, wie sie sind. Als Paar habe ich sie auch während der Dreharbeiten so erlebt, dass sie sich immer gegenseitig ergänzen und unterstützen.
Was unterscheidet die Wohngemeinschaft am Giglberg von anderen Einrichtungen für behinderte Menschen?
Man spürt, dass die Menschen hier irgendwie glücklich sind und zufrieden. Und zwar nicht nur die WG-Bewohner, sondern auch Rosemarie, Josef und alle anderen Mitarbeitenden. Sie wollen mit ihrem Hof ja auch eine Art Heimat für die Bewohner schaffen und dieses Gefühl, wirklich zuhause zu sein, kann sich meiner Meinung nach in einer normalen Einrichtung nicht in dem Maß einstellen. Am Giglberg können die behinderten Menschen ein weitgehend selbstbestimmtes und individuelles Leben führen. Hier haben sie die Möglichkeit, ihre Hobbys und ihre unterschiedlichen Interessen auszuleben. Alle sind auf ihre Weise eingebunden und tragen so einen Teil zum gelingenden WG-Leben auf dem Bauernhof bei.