Seniorenteller Gibt es eine optimale Ernährung im Alter?
20 Jahre lang wurden rund 600 Senioren von Gießener Ernährungswissenschaftlern untersucht und nach ihrem Ernährungsverhalten befragt. Die Forscher wollen herausfinden, wie die Ernährung die Gesundheit im Alter beeinflusst. Welche Wechselwirkungen gibt es, wie sieht die Nährstoffversorgung mit wichtigen Vitaminen aus, welche Rolle spielt die Bewegung?
Heute sind die Studienteilnehmer 80, 90 zum Teil sogar 95 Jahre alt. Über die Jahre ist eine richtige Gemeinschaft entstanden.
Die Senioren mussten regelmäßig Ernährungsprotokolle führen, außerdem wurden sie nach ihren sportlichen und sonstigen Aktivitäten gefragt. Die Forscher bestimmten regelmäßig die Blutwerte der Probanden, ihren Ruhe-Energieumsatz, die Handkraft, Knochendichte und vieles mehr.
Die meisten Menschen verlieren mit zunehmendem Alter Muskelmasse, die Leistungsfähigkeit sinkt, ebenso ihr Ruheumsatz. Das Gewicht hingegen steigt an. Diese Veränderungen wirken sich negativ auf die Gesundheit aus. Ein erhöhter Fettanteil geht einher mit einem erhöhten Risiko einer ganzen Reihe an chronischen Erkrankungen, die im Alter stark zunehmen, sagt auch Prof. Monika Neuhäuser-Berthold, Leiterin der Gießener Studie.
Weniger Essen im Alter?
Sollten ältere Menschen deshalb grundsätzlich weniger essen, FDH (Friss die Hälfte) machen? Keine schönen Aussichten. Die Senioren der Studie sind dafür jedenfalls nicht zu begeistern und es ist auch nicht der richtige Weg.
Die gute Nachricht ist, dass der Ruheumsatz, also der Kalorienverbrauch in Ruhe, nicht zwangsläufig im Alter abnimmt. Das Zauberwort heißt "Bewegung". Das zeigt sich bei den Studienteilnehmern deutlich.
Unser Fitness-Test: Alt gegen Jung
Aber wie viel bringt Bewegung tatsächlich? Wir schauen uns zwei Männer unterschiedlicher Altersklassen genauer an. Beide sportlich, aber keine Leistungssportler. Unser "Oldie": Horst Bornhütter ist 68 Jahre alt. Er bewegt sich jeden Tag. Er schwimmt oder fährt eine Runde Fahrrad. Einmal pro Woche spielt er Tennis mit seinen alten Kumpels. Unser "Youngster": Jonas Lämmerhirt ist 22 Jahre jung. Der Sportstudent joggt zwei Mal pro Woche, spielt Handball und macht moderates Krafttraining.
Wir haben den Sportwissenschaftler Prof. Kuno Hottenrott von der Universität Halle- Wittenberg gebeten, die beiden körperlich unter die Lupe zu nehmen. Prof. Hottenrott bestimmt zuerst ihren Ruheumsatz. Nach den altersbezogenen Durchschnittswerten müsste der Ruheumsatz von Horst rund 30 Prozent geringer sein, als der von Jonas. Das Ergebnis: Jonas verbraucht in Ruhe 2.280 kcal am Tag und liegt damit im Normbereich seiner Altersstufe. Horst verbraucht 2.460 Kilokalorien, also sogar mehr! Bezieht man ihr Gewicht mit ein, sind ihre Werte fast identisch.
Der Grund für seinen überdurchschnittlich hohen Ruheumsatz ist regelmäßiger Sport. Bewegung aktiviert den ganzen Körper. Der Energiebedarf steigt. Aber ausschlaggebend ist die Muskelmasse. Muskeln verbrauchen mehr Energie als Fett.
Weitere positive Effekte der Bewegung
Eine aktive Muskulatur sorgt zudem für stabilere Knochen. Das zeigen Knochendichtemessungen der Gießener Forscher. Die Osteoporose-Gefahr sinkt.
Außerdem ist der Vitamin-D-Spiegel bei sportlichen, schlanken Senioren höher als bei beleibteren Senioren. Das ist gut für Knochen, Nerven und Immunsystem. Fragt sich, warum haben Dickere weniger Vitamin D im Blut? Die Gießener Forscher vermuten, es könne damit zusammenhängen, dass Vitamin D ein fettlösliches Vitamin ist und damit auch im Fettgewebe deponiert wird. Möglicherweise steht es dem Körper nach dieser Speicherung im Fett nicht mehr zur Verfügung.
Die Krux: Vitamine und Nährstoffe sind im Alter mindestens genauso notwendig, wie in jungen Jahren. Deshalb sollten nicht so sportliche Senioren keinesfalls FDH machen, aber Lebensmittel essen, die kalorienarm, aber nährstoffreich sind.
Welche Lebensmittel sind gut für Senioren?
Senioren sollten viel Obst, Gemüse und Vollkornprodukte essen. Milchprodukte, Fisch und mageres Fleisch nur in Maßen. Hülsenfrüchte und Nüsse sind gute pflanzliche Eiweißlieferanten und enthalten viele weitere wichtige Inhaltsstoffe. Gleiches gilt für bestimmte Öle, wie zum Beispiel Raps-, Oliven-, Hanf- oder Leinöl.
Die Gießener Forscher wollen konkretere Ernährungsempfehlungen geben, wenn sie alle Daten der Studie ausgewertet haben. Klar ist aber schon jetzt: wer sich im Alter bewegt, profitiert. Die Muskulatur zu erhalten, trägt wesentlich zur Gesundheit bei.
Fitness im Alter
Aber kann man im Alter Muskelabbau und Gewichtszunahme wirklich aufhalten? Wir testen bei unseren Probanden Horst (68 Jahre) und Jonas (22 Jahre) Ausdauer und Muskelkraft. Auf dem Ergometer müssen beide mit zunehmender Kraft treten, bis sie nicht mehr können. Gemessen wird, wie viel Sauerstoff die Testpersonen maximal aufnehmen können. Das ist ein Maß für die Fitness ihrer Muskulatur und ihres Herz-Kreislaufsystems.
Jonas nimmt in der Minute 45 Milliliter Sauerstoff pro Kilogramm Körpergewicht auf, das entspricht dem Durchschnittswert. Horst schafft exakt denselben Wert wie Jonas! Das ist exzellent! Der Vergleich mit dem Normwert seiner Altersgruppe macht das deutlich; der beträgt 29-32 Milliliter Sauerstoff pro Kilogramm Körpergewicht.
Der Sportwissenschaftler Prof. Kuno Hottenrott ist über die messbare Fitness des Freizeitsportlers Horst erstaunt und begeistert. Damit hatte selbst er nicht gerechnet, obwohl er in seinen Studien zeigen konnte, dass prinzipiell sogar ältere unsportliche Menschen ihre Leistungen innerhalb von wenigen Monaten deutlich verbessern können, die Leistungsfähigkeit deutlich über den Durchschnitt erhöhen und diese Leistungsfähigkeit über viele Jahre hinweg erhalten können. Und: durch einen damit einhergehenden höheren Kalorienverbrauch können fitte Senioren auch energiereichere Lebensmittel essen.