Schuppenflechte Wie Patienten im Stich gelassen werden
Menschen mit Schuppenflechte geraten bis heute schnell ins soziale Abseits. Zwar ist eigentlich seit Jahren bekannt, dass der schuppige Hautausschlag nicht ansteckend ist. Doch bei vielen in der Bevölkerung ist das noch nicht angekommen. Dazu kommt, dass viele Hautärzte aufwendige Therapien bei Patienten mit Schuppenflechte meiden. Zu viel Aufwand für zu wenig Geld. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat das Problem erkannt und deshalb ihre Mitgliedsstaaten aufgerufen, sich mehr zu engagieren.
Etwa zwei Millionen Menschen in Deutschland leben mit Schuppenflechte. 400.000 von ihnen sind schwer betroffen. Schätzungsweise nur 150.000 von diesen schwer-betroffenen Patienten bekommen eine adäquate Versorgung. Die Gründe dafür sind vielfältig.
Dr. Ralph von Kiedrowski vom Berufsverband der deutschen Dermatologen sagt: Ein Grund für die schlechte Versorgung der Patienten ist die schlechte Bezahlung der Hautärzte. Cremes zu verschreiben ist weniger aufwendig, als die Therapie mit Biologika. Wegen möglicher Nebenwirkungen sind regelmäßige Kontrollen nötig.
"Ich hab den Patienten mehrfach in einem Quartal zu sehen, sei es zur Kontrolle sei zur Umstellung oder Adaption der Therapie und im Unterschied zu einer kleinen Handwarze habe ich für die Patienten das gleiche Budget. Das heißt ich bekomme zwischen 15 und 20 Euro als Quartalsvergütung egal, ob Sie mit einer Handwarze kommen oder einer schwersten Schuppenflechte alle zwei Wochen zur Kontrolle und zusätzliche Betreuung brauchen."
Dr. med. Ralph von Kiedrowski, Berufsverband deutscher Dermatologen
Die WHO hat das Problem erkannt
Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO spricht von einem "ernsten globalen Problem". Menschen würden weltweit "unnötig an der Schuppenflechte leiden". Auch wegen "Stigmatisierung". In ihrer Resolution ruft die WHO die Mitgliedsstaaten und so auch Deutschland auf, sich mehr für die Belange von Psoriasis-Patienten einzusetzen. Denn neben dem stigmatisierenden Hautausschlag haben Patienten eine höhere Wahrscheinlichkeit an einem Herzinfarkt, einem Schlaganfall, Diabetes, Übergewicht oder Depressionen zu erkranken. Patienten geraten so nicht nur ins soziale Abseits, sondern auch nicht selten in Frührente. Die WHO schreibt in ihrem Bericht von einer "beträchtlichen wirtschaftlichen Last für den Steuerzahler".
"Natürlich könnte man Folgekosten vermeiden. Aber eine Krankenkasse denkt heute eigentlich immer nur ein zwei Jahre im Voraus. Es geht um die Vermeidung von Zusatzbeiträgen, um die Beitragsstabilität, um keine Versicherten zu verlieren, und da ist es dann fast so, dass man langfristige Ziele aus dem Auge verliert. Deswegen sind mit diesen Argumentationen nie besondere Vergütungen zu erzielen gewesen. Auch wenn wir nach wie vor der Überzeugung sind, dass ein insgesamt gesünderer Mensch weniger Begleiterkrankungen bekommt."
Dr. med. Ralph von Kiedrowski, Berufsverband deutscher Dermatologen
Keine Änderung absehbar
mehr/wert fragt nach beim Bundesgesundheitsministerium und beim Spitzenverband der Krankenkassen GKV. Ist eine bessere Vergütung für Hautärzte geplant? Und: Was wollen sie tun, um die Situation für Psoriasis-Patienten zu verbessern?
Der GKV schreibt uns unter anderem:
"Die Klage von Ärzten, die Behandlung einer Schuppenflechte sei nicht ausreichend finanziert, können wir nicht nachvollziehen."
GKV
Und das Bundesgesundheitsministerium erklärt:
"Deutschland verfügt über eine hochwertige Gesundheitsversorgung für chronisch Kranke. Die Optimierung der Versorgung (...) ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe."
Bundesgesundheitsministerium
Ändern wird sich wohl erstmal nicht viel. Dr. Hortensia Pfannenstiel ist Hautärztin in München und sieht deshalb auch ihre Kollegen in der Pflicht: Sie müssten sich unabhängig von der Vergütung mehr für die Menschen einsetzen.
"Es ist das Interesse nicht da, was sie eigentlich brauchten. Das Interesse ist bei den Ärzten nicht allzu groß, wie generell in der Öffentlichkeit. Die Schuppenflechte gilt nach wie vor als Aussatz. Das sind ausgestoßene Menschen aus der Gesellschaft."
Dr. med. Hortensia Pfannenstiel, Dermatologin, München