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Alles frisch? Wie Lebensmittel-Hersteller tricksen

Frische Weidemilch, kühlfrischer Orangensaft oder fangfrischer Fisch – immer mehr Produkte im Supermarktregal tragen die Auslobung "frisch". Doch wie frisch sind sie tatsächlich? mehr/wert hat verschiedene Lebensmittel mit Frische-Versprechen unter die Lupe genommen und zeigt, wie die Lebensmittelindustrie gesetzliche Lücken geschickt ausnutzt, um Verbraucher zum Kauf ihrer Produkte zu verleiten.

Stand: 20.06.2016

Abgepackte Biotomaten und Biokarotten: Wie Discounter und Supermärkte Agrarpolitik betreiben | Bild: imago/Sven Simon

Die Verbraucherschützerin Wiebke Franz hat Dutzende Produkte, die mit besonderer "Frische" werben, untersucht. Das Ergebnis ernüchternd.

"Wir haben festgestellt, dass eigentlich fast alle Produkte entweder einer Wärmebehandlung unterzogen sind oder konservierend verpackt sind, oder eben gar nicht erkennbar ist, wieso die frischer sein sollen als vergleichbare Produkte, die nicht den Hinweis 'frisch'haben."

Wiebke Franz

Beispiel 1: der "kühlfrische" Orangensaft

Worin besteht der Unterschied zwischen dem "kühlfrischen" Saft von Valensina für 2,99 Euro und ungekühltem Orangen-Direktsaft für fast die Hälfte? In der Straßenverkostung erkennen unsere Probanden kaum einen Unterschied. Für Valensina kein Problem: "Die eingetragene Subbrand "kühlfrisch" wird von uns verwendet, um den Kunden eine Unterscheidung zwischen ungekühlten und kühlpflichtigen Säften zu erleichtern. Widersprüche oder Irritationen sind uns nicht bekannt", heißt es auf Anfrage.

"Schonend pasteurisiert"

So seien ungekühlte Säfte viel länger haltbar, teilt uns das Unternehmen weiter mit. Dabei hält der kühlfrische Orangensaft auch schon 24 Tage - für einen frischen Saft ganz schön lange. Auf der Verpackung kleingedruckt der Hinweis "schonend pasteurisiert", also haltbar gemacht.

Gerichtsurteil

Das Landgericht Düsseldorf hat zu einem ähnlichen Produkt geurteilt, dass ein als frisch beworbener Saft vergleichbar sein muss mit frisch ausgepressten Früchten. Eine Haltbarkeitsmachung - insbesondere durch Pasteurisierung - sei unzulässig, weil dann das Produkt zwischenbehandelt werde. Valensina sieht darin kein Problem und erklärt, ihr "erntefrisch" sei etwas anderes als das verhandelte "tagesfrisch". Und ihr "kühlfrisch" sage nichts darüber aus, wann die Orangen gepresst wurden.

Beispiel 2: die "fangfrischen" Tintenfischringe

Frischen Fisch erkennen:


- Frischer Fisch stinkt nicht nach Fisch
- glänzende Schuppen, klare Schleimschicht
- feuchte, glänzende, kräftig rote Kiemen
- klare, nach außen gewölbte Augen
- Drucktest: Frisches Fischfleisch ist fest, die Delle sollte sofort verschwinden


Calamares im Backteig, vom Hersteller Iglo als "fangfrisch" beworben. Dabei hat der Tintenfisch in Wahrheit einen langen Weg hinter sich, wird zur Weiterverarbeitung angetaut und mit der Panade vorgebacken. Sieht so frischer Fisch aus?
Laut EU-Verordnung nicht. Diese definiert den Begriff "frisches Fischerzeugnis" so, dass es weder verarbeitet noch tiefgefroren sein darf. Wie geht das bei Tintenfischringen im Backteigmantel aus der Tiefkühltruhe?

Auf Anfrage antwortet Iglo:

"Das industrielle Schnellfrostverfahren konserviert den Fisch auf natürliche Weise und hält den Fisch frisch."

Iglo

Dass dies nichts mit der EU-Verordnung zu tun hat, ist dem Unternehmen offenbar einerlei. Denn es kann so lange mit falschen Angaben werben, bis es ihm gerichtlich untersagt wird. Auf den meisten Etiketten fehlen die Angaben, wann das Tier geschlachtet wurde.

Beispiel 3: das "frische" Hähnchen

Fleisch darf sogar dann noch als frisch gekennzeichnet werden, wenn es tiefgekühlt, wieder aufgetaut und danach haltbar gemacht wurde. Hühnchen aus der Kühltheke beispielsweise gelten bis zum Verbrauchsdatum als frisch. Dabei sagt dieses Datum nichts darüber aus, wann das Tier geschlachtet wurde und wie lange es schon im Supermarkt-Regal liegt.

Beispiel 4: "backfrisch" aus dem Automaten

"Wir backen täglich frisch für Sie", behaupten viele Supermärkte und Discounter und meinen damit ihre Automaten. Dabei werden die Brötchen für den Backautomaten bei Aldi beispielsweise vorgebacken oder als Tiefkühlteiglinge angeliefert. "Uns bietet dieser Prozess des laufenden Frisch-Fertig-Backens die Möglichkeit, unseren Kundinnen und Kunden Produkte von höchster Qualität anzubieten...", argumentiert Aldi.

Frisch gebacken oder nicht? Darüber haben Aldi und die Bäckerinnung jahrelang gestritten. Doch weil der Prozess mit einem Vergleich geendet hat, gibt es bis heute keine richterliche Entscheidung, ob Discounter und Supermärkte ihre "frischen Backwaren" bewerben dürfen.

Fazit:

Was frisch ist, bestimmt der Hersteller. Gesetzliche Vorgaben gibt es nur wenige. Solange aber selbst diese nur unzureichend eingehalten werden, haben Verbraucher keinerlei Frische-Garantien - und Unternehmen machen weiterhin Kasse.


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