Montenegro Die bestechliche Schöne
Der Blick vom Lovcen auf die Bucht von Kotor ist atemberaubend – und von diesen Impressionen hat das kleine Montenegro noch viele mehr zu bieten.
Der "Zwergstaat" an der südlichen Adria schickt sich an, die EU zu erobern – sprich Mitglied zu werden.
Eine Bereicherung angesichts dieser Landschaften, der vielfältigen Kultur und Geschichte. Crna Gora – die schwarzen Berge, die Montenegro den Namen gaben, präsentieren sich heute eher geheimnisvoll.
Ein schönes Land
Kotor, im 14. Jahrhundert so bedeutend wie Venedig oder Dubrovnik, gehört seit 1979 zum UNESCO Weltkultur- und Naturerbe.
Die "Boca kotorska" mit "Sveti Dorde" und der "Kirche der Jungfrau Maria". Montenegro – die "wilde Schöne", wie sich das Land selbst werbewirksam nennt, wirkt auf den ersten Blick eigentlich nur schön, bestechend schön.
Podgorica – die montenegrinische Metropole wurde 1946 Hauptstadt der jugoslawischen Teilrepublik und erhielt den Namen Titograd. Das änderte sich erst wieder 1992 und seit 2006 wird von hier aus das unabhängige Montenegro regiert.
Auf dem Weg in die Europäische Union
Montenegro ist bereits EU-Beitrittskandidat und der alte und neue - und zwischendurch immer wieder Premierminister, Milo Dukanovic, will sein Land bald in die Union führen:
"In diesem Jahr arbeiten wir daran, die geforderten Strukturen zu vervollständigen. Wir werden bis Mitte des Jahres diesen Prozess abgeschlossen haben und damit der EU die Gesamtanalyse für alle Kapitel vorlegen. Danach wird sich dann der nationale Plan zur Erfüllung dieser Vorgaben richten, was unsere verpflichtenden Angleichungen, also die Gesetzgebung betrifft. Dies muss dann bis 2018 umgesetzt sein. Das heißt aber nicht, dass wir davon ausgehen, dass wir 2018 Mitglied der EU sein werden. Wir wollen hier nicht mit irgendwelchen Zeitvorgaben nach vorne preschen. Vielmehr steht für uns die Qualität des Beitrittsprozesses im Vordergrund, weil wir durch tief greifende Reformen das Leben in Montenegro positiv voran bringen wollen. Wir denken, dass wir bis Ende dieser Dekade unseren Teil dazu beitragen können."
Milo Dukanovic
Ein optimistischer Ausblick!
Tourismus für die Schönen und Reichen
In der Bucht von Kotor scheint die Zukunft des kleinen Landes mit den großartigen Landschaften schon begonnen zu haben: Porto Montenegro.
Es ist der erste Tiefwasser Yachthafen an der Adria – bis 150 Meter lange Schiffe können hier anlegen. Umgeben ist die Luxusmarina von Residenzen, Restaurants und Edelboutiquen.
Wenn die Oase für die Reichen und Supereichen einmal fertig ist, dann wird ein Fünf-Sterne-Hotel sowie ein Golfplatz das umfangreiche Angebot in Porto Montenegro abrunden.
Bevor die ausländischen Investoren ihre Pläne umsetzen konnten, mussten sie erst für zirka 50 Millionen Euro das ehemalige Gelände der jugoslawischen Marine von Altlasten säubern. Ein vorbildliches Großprojekt ohne Korruptionsskandal - bisher. Eher selten im Land der "wilden Schönen".
Hauptinvestor ist hier der kanadische Unternehmer Peter Munk. Ein weiterer Beteiligter ist, unter anderen, der russische Oligarch Oleg Deripaska. Der ist allerdings bisher nicht durch seriöses Geschäftsgebaren aufgefallen.
Gelungene Investitionen?
Porto Montenegro gehört zur Gemeinde Tivat, die in der Vergangenheit kaum touristisch aufgefallen ist – lediglich der nahe Charterflughafen machte sie bekannt. Das hat sich mit Baubeginn der Marina geändert – Tivat profitiert in vielerlei Hinsicht von dem Projekt: ein neues Ortszentrum mit Rathaus und Hotel. Die Bedeutung des Yachthafens für die kleine Stadt wird in der Zukunft zunehmen.
Die Uferpromenade mit Cafes und Restaurants sowie das renovierte Grandhotel sind Folgeinvestitionen. Der alte Stadthafen mit Fischerbooten und eher bescheidenen Freizeitschiffchen – können die Einheimischen mit der Luxusoase in ihrer Mitte umgehen? Mittlerweile ja, meint der Bürgermeister, kaum jemand hier drehe sich nach einem Ferrari um oder bestaune eine Superyacht.
Tourismus funktioniert noch nicht überall
Im einige Kilometer entfernten Budva hat sich bisher niemand die Frage nach dem sozialen Frieden gestellt. Die kleine Altstadt, eine der schönsten an der Adria, gehört mit ihren Sandstränden in der angrenzenden Bucht zu den beliebtesten Urlaubszielen des Landes und wird schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts touristisch vermarktet.
Im strukturschwachen Gebiet um den Skutari-See im Süden des Landes hat sich in den letzten Jahrzehnten wenig getan. Hier wäre eine Entwicklung in Richtung europäischer Standards dringend notwendig. Die zurückhaltende Schönheit dieser Landschaft hat die Phantasie der Investoren mit dem Hang zum schnellen Geld noch nicht erregt.
Korruptionsverdacht beim Aluminiumwerk
Das sieht ein paar Kilometer weiter in Richtung Podgorica ganz anders aus: der hochgiftige Abwasser-See des Aluminiumkombinats. Hier kannte der Ideenreichtum des russischen Mehrheitsinvestors keine Grenzen. Das Kombinat, kurz KAP genannt, ist das wichtigste Unternehmen des Landes. Noch vor der Unabhängigkeit Montenegros verkaufte der Staat 2005 zwei Drittel der Anteile an den russischen Oligarchen Oleg Deripaska – und das für schlappe 150 Millionen Euro – ein Schnäppchen. Damals für den Deal verantwortlich: Premier Dukanovic.
Die Ermittler der Nichtregierungsorganisation MANS haben das undurchsichtige Spielchen um dieses Kombinat mit Bestechung, Vorteilsnahme, Steuerhinterziehung und Subventionsbetrug, entwirrt.
"Seit dem Verkauf dieses Unternehmens haben die Russen es verstanden, mit Hilfe buchhalterischer Akrobatik den Wert des Kombinats um 400 Millionen Euro herabzustufen. Und vielleicht ist das jetzt ein gutes Beispiel: hier gab es drei Betriebsteile - das Aluwalzwerk, das Weiterverarbeitungswerk und dann noch den Teil, der aus Aluminium Drähte herstellte. Diese drei Fabriken wurden in den Büchern mit fünf Millionen Euro abgeschrieben, während die Russen auf der anderen Seite dann aber eine der drei Fabriken für sieben Millionen Euro verkauft haben. Also haben wir hier eine kontinuierliche mehr oder weniger große Korruption vorliegen von Seiten des russischen Managements. Und die Regierung Montenegros weiß die ganze Zeit darüber Bescheid, denn die Regierung ist ja auch Anteilseigner des Kombinats. Die hat aber bisher nichts getan und das russische Management müsste doch in erster Linie die Gesetze dieses Landes hier beachten. Letztlich müsste doch auch das erfüllt werden, was in den Verträgen vereinbart wurde."
Vuk Maras
Bevor hier nicht eine akzeptable Lösung des Problems gefunden ist, wird die EU hoffentlich die Verhandlungskapitel Korruption, organisiertes Verbrechen und Umweltschutz nicht für abgeschlossen erklären.
Gefahr für die Umwelt
Eine offensichtliche Bedrohung für die ganze Region einschließlich der Hauptstadt Podgorica ist der Abwasser-See des Aluminiumkombinats. Bei Rissen oder gar einem Bruch der Sicherheitswanne würde die Brühe durch den durchlässigen Karst nicht nur das Grundwasser verseuchen.
Vor allem der nahe Skutari-See, das größte Trinkwasserreservoir des Balkans, wäre betroffen. Eine Katastrophe für die Menschen weit über die Region hinaus. Der Goldkarpfen, ein Fisch, der nur in diesem See vorkommt und Lebensgrundlage der Fischer ist, hätte keine Überlebenschance.
Der Tourismus knüpft an die Geschichte an
Wie überall an der Küste wird um diese Jahreszeit die Saison vorbereitet, kleinere Winterschäden repariert und gründlich saubergemacht. Das ist im Vier-Sterne-Hotel "Queen of Montenegro" nicht anders. Ursprünglich ein österreichisch-montenegrinisches Joint Venture, hat dieses Haus nun auch einen russischen Teilhaber, sehr zum Verdruss der Montenegriner.
Die "Queen of Montenegro" sieht sich in einer besonderen Tradition: die Suiten haben klangvolle Namen wie "Milena" oder "Zorka" – so hießen Damen der montenegrinischen Königsfamilie. Diese herrschte bis zum Zusammenschluss mit Serbien 1918 im "Land der schwarzen Berge" und lieferte Franz Lehar die Inspiration zu seiner Operette "Die lustige Witwe".
Hotelzimmer in diesem Preissegment fehlen in der Region Budva, um ein ernstzunehmender Partner für westliche Reiseveranstalter zu werden. Rund 5000 werden gegenwärtig angeboten, 10.000 sollten es aber schon sein. Hier geht gar nichts mehr, die Bucht ist verbaut.
Budva - natürlich schön
Die Altstadt von Budva, eine der schönsten an der Adria, lockt Touristen an mit dem, was die Bucht nicht zu bieten hat: Flair und Jahrhunderte gewachsene Strukturen und nicht zuletzt Kultur. Dieses Kleinod wurde 1979 durch ein Erdbeben nahezu zerstört, aber originalgetreu wieder aufgebaut.
Warum konzentrieren sich die Tourismusverantwortlichen derart auf die Region von Budva? Südlich davon gibt es an der Küste weitere schöne Buchten, die man in ein Konzept einbeziehen könnte. Dort gibt es natürlich noch keine Strandcafes, die die Einheimischen an sonnigen Frühlingstagen anlocken.
Die Krise macht vor Montenegro nicht halt
Die internationale Finanzkrise hat sich auch im Tourismus in Montenegro ausgewirkt und hier traf es besonders den Bauboom. Die Folgen: Baustopp und Leerstand.
Die häufig zu dünne Kapitaldecke der Bauherren führt nun zu einem "Ausverkauf" von Immobilien, was zwar die überhöhten Preise der Vergangenheit wieder reguliert, aber die dennoch keine Käufer anlockt. Zahlreiche Verkaufsschilder in Englisch und Russisch erweisen sich auch nicht als hilfreich. Westliche Anleger wären hochwillkommen, doch welcher Luxemburger, Holländer oder Deutsche bringt sein Geld in Krisenzeiten hierher?
Der EU-Beitritt wird hart
Der Wunsch nach einem EU-Beitritt ist in der montenegrinischen Bevölkerung ausgeprägt. Man erhofft sich nach der eher unglücklichen Zusammenarbeit mit russischen Investoren eine Annäherung an den Westen.
Solange sich die montenegrinische Gesellschaft nicht öffnet, sich die Regierung eher reformunfähig zeigt, scheint ein Beitritt in die Europäische Union noch in weiter Ferne.
Dieser Text ist eine stark gekürzte und leicht veränderte Fassung des Sendungsmanuskripts.