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Liao Yiwu Stimme der Verfolgten

Der aus China stammende Autor Liao Yiwu hat in Frankfurt den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels entgegengenommen. Liao gilt als Chronist des Widerstands in seiner Heimat. Auch bei der Preisvergabe sparte er nicht mit Kritik.

Stand: 14.10.2012 | Archiv

Der in China verfolgte Autor Liao Yiwu vor der chinesischen Flagge und einem Foto der Niederschlagung der Studentenproteste in Peking auf dem Tiananmen-Platz | Bild: picture-alliance/dpa; BR

"Dieses Imperium mus auseinanderbrechen", sagte der 54-jährige Schriftsteller in seiner Dankesrede mit Blick auf die kommunistische Herrschaft in China. Dort dauere die blutige Unterdrückung von Dissidenten, Kirchen Tibetern und vielen anderen an. Auch mit dem Westen ging er ins Gericht. Konzerne machten unter dem Deckmantel des freien Handels mit den Henkern gemeinsame Sache. Es sei ein Irrtum zu glauben, dass der wirtschaftliche Aufschwung Chinas zwangsläufig zu Reformen führe.

"Unerschrocken und sprachmächtig"

Der Regimegegner war selbst ein Opfer der Repression. Er saß im Gefängnis und erlitt Misshandlungen. Seit seiner Flucht vor einem Jahr lebt er in Deutschland. Liao Yiwu prangere die Geschichtsvergessenheit in China an und verkörpere den Widerstand aus dem Gedächntnis heraus, hieß es in der Laudatio der Literaturkritikerin Felicitas von Lovenberg. Durch das Sammeln von Einzelschicksalen stelle Liao die Würde unzähliger Menschen wieder her, die die Machthaber am liebsten auf der Müllhalde der Geschichte entsorgen wollten. Sein Gefängnistagebuch "Für ein Lied und hundert Lieder" sei ein atemloser Balanceakt entlang der Schmerzgrenze. Als unerschrocken und sprachmächtig würdigte der Börsenverein des Deutschen Buchhandels den Preisträger.

"Kugel und Opium"

Liao wuchs in ärmsten Verhältnissen auf. Anfang der 1980er Jahre begann er sich mit westlicher Lyrik auseinanderzusetzen. Bald galt er als einer der vielversprechendsten Dichter Chinas, der in großen Zeitschriften veröffentlichte. Die Behörden beobachteten sein Tun misstrauisch, ließen ihn aber in Ruhe - bis 1987, als er wegen seines Einsatzes für mehr Offenheit im Land auf die Schwarze Liste gesetzt wurde. Die Niederschlagung der Demokratiebewegung auf dem Platz des Himmlischen Friedens am 4. Juni 1989 war für ihn eine Zäsur. An den Protesten selbst hatte er nicht teilgenommen, in der Nacht vor dem Massaker aber ein kritisches Gedicht veröffentlicht. 1990 wurde er deshalb festgenommen und zu vierjähriger Haft verurteilt. Sehr eindrücklich beschreibt er seinen damaligen Zustand in dem Buch "Kugel und Opium", das gerade in Deutschland erschienen ist und in dem er das Schicksal von Opfern des Tiananmen-Massakers schildert.

Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels

Der Preis gilt als eine der bedeutendsten literarischen Auszeichnungen in Deutschland. Er wird seit 1950 verliehen, traditionell am letzten Tag der Frankfurter Buchmesse. Die Feier in der Paulskirche ist einer der Höhepunkte der weltgrößten Bücherschau. Der Preis ist mit 25.000 Euro dotiert und wird vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels gestiftet. Ausgezeichnet wird laut Statut eine Persönlichkeit, "die in hervorragendem Maße vornehmlich durch ihre Tätigkeit auf den Gebieten der Literatur, Wissenschaft und Kunst zur Verwirklichung des Friedensgedankens beigetragen hat".

Kritik an Nobelpreisvergabe

Die Auszeichnung seines Landsmanns Mo Yan mit dem Nobelpreis für Literatur hatte Liao Yiwu kritisiert. "Ich bin fassungslos", sagte er in einem Interview des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel". Mo Yan sei ein Staatsdichter. Seine Freunde in China fragten sich angesichts des Nobelpreises für Mo Yan, ob sich der Westen als Verlängerung, als Erweiterung des chinesischen Systems verstehe.


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