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"Geh sterben!" Mobbing - Was tun?

Mobbing gehört inzwischen zum Alltag vieler Menschen. Besonders betroffen: Kinder und Jugendliche. Bevorzugter Tatort: Online. Mittlerweile ist schon jeder dritte junge Mensch Opfer geworden. Wie fühlt sich Mobbing an? Und was macht es mit den Menschen? Ganz wichtig: Was kann man dagegen tun?

Stand: 15.12.2022

Cindy ist in einem gehörlosen Umfeld aufgewachsen – erst im Kindergarten lernte sie hörende Menschen kennen. „Ich habe gemerkt, die leben anders als ich und Gebärdensprache ist nicht üblich“, erinnert sie sich. Auch für die anderen Kinder war Cindys Gehörlosigkeit fremd: Sie wollten nicht mit ihr spielen, hatten Berührungsängste – und mobbten sie schließlich. Cindy wurde bespuckt, ausgelacht, Mütze, Schal und Schuhe weggenommen. „Ich hatte die ganze Kindergartenzeit überhaupt keine Freunde“, sagt sie. Obwohl sie später eine Gehörlosenschule besuchte, ging das Mobbing weiter – denn die Familie hatte nicht viel Geld, Cindys Kleidung war abgetragen. Als dann noch ihre Noten abstürzten, machten sich die Kinder ihrer Klasse auch darüber lustig. Sie sei dumm und arm noch dazu. Selbst dass sie schlechter hören konnte als die anderen, war ein Angriffspunkt. Das Ergebnis der Attacken: Cindy wurde depressiv. Erst heute, als junge Erwachsene, ist sie darüber hinweg.

Mobbing in der virtuellen Welt

Cindy wurde sozusagen „im echten Leben“ und vor Ort gemobbt. Die Gefahr von Hass und Mobbing ist aber in der virtuellen Welt, also im Internet oder in den sozialen Medien, noch um ein Vielfaches größer. Mit einem einzigen Klick werden private oder bearbeitete Bilder auf öffentlichen Plattformen geteilt oder Unwahrheiten erzählt – und dann ist die Verbreitung kaum noch zu stoppen. Unpassende, verletzende Kommentare lassen dann auch nicht mehr lange auf sich warten. Doch was tun? Eine Untersuchung zeigt: 42 Prozent ignorieren die Hasskommentare einfach, 26 Prozent schreiben zumindest den Verfasser oder die Verfasserin an oder melden die Kommentare bei der jeweiligen Plattform. Nur ein Prozent erstattet Anzeige.

Was für Menschen sind Mobber?

Doch was sind das für Menschen, die andere mobben? Welche Motive haben sie? Und macht es für die Opfer einen Unterschied, ob sie am Schulhof gemobbt werden oder übers Internet? Sofia Wegner, Psychologin beim Evangelischen Beratungszentrum in München hat Antworten.

Der Schulhof sei ein Umfeld zum Lernen – hier werde schon immer sozial interagiert, betont die Psychologin. Da entstehen Freundschaften, aber auch Schlägereien. Dort steht man Auge in Auge, es gibt sofort Reaktionen und mehr Menschen, die regulierend eingreifen könnten. Cybermobbing habe da andere Voraussetzungen.

Was macht Cybermobbing so gefährlich?

  • Rasend schnelle Verbreitung
  • Riesiges, teilweise anonymes Publikum
  • Inhalte bleiben dort ewig, denn sie können nicht selbst und auch nicht an allen Stellen gelöscht werden
  • Online kann Mobbing rund um die Uhr stattfinden
  • Das Opfer hat keine Rückzugsmöglichkeiten, ist ausgeliefert.
  • Täter:innen und Opfer haben keinen realen Kontakt, dadurch sinkt die Hemmschwelle, das Mobbing wird extremer.
  • Die Empathie für das Opfer geht gänzlich verloren.

Für das Opfer bedeutet Cybermobbing Dauerstress – und kann gravierende Folgen haben: Schlafstörungen, Essstörungen, Depressionen und selbstverletzendes Verhalten sind nur einige davon.

Doch was haben die Täterinnen und Täter davon? Sofia Wegner sieht deren Motivation darin, Macht zu spüren und Anerkennung zu bekommen. Zumindest bei einem Teil der Mobber. "Manchmal wollen sie auch von eigenen Problemen ablenken. Viele haben Gewalt im Elternhaus erlebt oder haben Eltern, die sich nicht für ihre Kinder interessieren", sagt sie. 

Gefährliche Mitläufer und ängstliche Wegschauer

Selten ist Mobbing die Tat einer Einzelperson – sondern sie schart häufig eine Gruppe um sich. In so einer Gruppendynamik ist einer der Täter oder die Täterin, die anderen sind Mitläufer, die ihren Anführer bewundern – und möglicherweise auch nachahmen. "Darüber hinaus gibt es eine weitere Gruppe, die wegschaut und Angst hat. Die sich nicht aktiv beteiligt, dem Opfer aber auch nicht hilft, sondern einfach nichts tut. Häufig aus Angst", weiß die Psychologin.

Wege aus der Opferrolle

Die wohl wichtigste Frage bleibt, wie das Opfer aus dieser belastenden Situation herauskommt. Der erste Schritt:  Es muss sich anderen anvertrauen – am besten den Eltern oder Lehrern, aber auch professionelle Hilfsangebote wahrnehmen. Die Opfer müssen verstehen, dass sie an dem Mobbing nicht schuld sind, sondern es wirklich jeden treffen kann. Letztlich brauchen Opfer einen Schutzraum – und das bedeutet bei Cybermobbing zunächst: Sich bei den jeweiligen Onlineportalen abzumelden. Sie sollten sich auch nicht davor scheuen, psychotherapeutische Beratung in Anspruch zu nehmen, damit das Erlebte verarbeitet werden kann.

"Aus psychologischer Sicht sind Soziale Medien erst ab 16 zu empfehlen. Für Jüngere wird davon abgeraten, da Mobbing meist bei den 13- bis 15-Jährigen passiert."

Sofia Wegner, Psychologin

Schulen machen gemeinsam mobil gegen Mobbing

Manche Bildungseinrichtungen haben sich mittlerweile schon einem Mentorenprogramm mit dem Titel „Digitale Helden“ angeschlossen. Darin lernen Schülerinnen und Schüler, welche Gefahren im Internet lauern und was an Chats gefährlich ist. Dieses Wissen behalten sie jedoch nicht für sich. „Sie unterrichten sozusagen selbst die anderen über die vorher erlernten Gefahren. Außerdem trifft man sich mit anderen teilnehmenden Schulen, vernetzt sich und erfährt, wie andere Schulen mit dem Thema umgehen“, erklärt Indra Schindelmann, Leiterin der Schule am Sommerhoffpark Förderzentrum in Frankfurt.

Hilfe vom Staat?

Was aber, wenn das alles nichts hilft? Kann die Polizei tätig werden und den Opfern helfen? Ein Gesetz gegen Mobbing gibt es nicht, erklärt Polizeihauptmeisterin und Jugendbeamtin Monika König von der Münchner Polizei. „Aber grundsätzlich sind im Mobbing immer Straftaten enthalten, die natürlich verboten sind.“

Rechtliches zum Thema Mobbing

Mobbing ist kein eigener Straftatbestand. Mobbing beinhaltet aber immer strafbare Handlungen wie:

  • Beleidigung
  • Üble Nachrede und Verleumdung
  • Erpressung
  • Bedrohung
  • Nötigung
  • Verletzung des Rechts am eigenen Bild / des Persönlichkeitsrechts

Immer Hilfe suchen – und Beweise sammeln

Auch die Polizei rät dringend, Mobbing immer zu melden, in erster Instanz am besten einem Erwachsenen. Das muss nicht unbedingt das Opfer selbst machen, sondern jeder, der etwas von den Vorgängen bemerkt, sollte Hilfe holen. Nicht vergessen: unbedingt Beweise sammeln. Screenshots anfertigen von Chat-Verläufen, Beleidigungen oder Fotos, die gemacht wurden, als Beweismittel sichern.

Ein Fazit

Mobbing ist immer eine Form von Gewalt – und niemals einfach nur ein Spaß. Und: Mobbing muss man sich nicht gefallen lassen. Man kann und muss etwas dagegen tun. Am besten gemeinsam.


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