8. DEGETH 2022 Deutsches Gehörlosen-Theaterfestival in München
1997 trafen sich erstmals verschiedene deutsche Gebärdensprachtheatergruppen zu einem Festival– dem DEGETH-Festival. In diesem Jahr fand das Festival bereits zum achten Mal statt. Und es wurden wieder viele Preise vergeben. Sehen statt Hören war dabei.
Wegen der Pandemie musste auch das DEGETH zweimal verschoben werden: 2020 und 2021 konnte es nicht stattfinden. Für die Theaterkultur war das eine lange Durststrecke - und die macht sich bemerkbar: Vor Corona waren es noch zwölf Theatergruppen. Die Anmeldungen für das diesjährige DEGETH sind dann aber auf nur drei Gruppen geschrumpft sind. Nach vielem Werben sind es doch noch sieben Gruppen geworden. Noch etwas hat sich verändert, es sind diesmal überwiegend Duos aufgetreten, neben einem Dreier-Team und "Gestus" einer Gruppe, bestehend aus sieben Personen.
Das waren die sieben Theater-Gruppen
Theater Türkis, Alpha Theater, Moin Moin Deafies, Die Visionäre, T.A.S.,
Antiheroines, Gestus
Blick hinter die Kulissen
Sehen statt Hören-Moderator Ace Mahbaz hat sich nicht nur - wie das begeisterte Publikum - von den Auftritten der Schauspielenden begeistern lassen. Er durfte auch schon im Vorfeld und während des Festivals hinter die Kulissen blicken. Manch eine Gruppe konnte nicht, wie geplant proben (Coronainfektionen haben leider auch in 2022 die Probensituation für Manche erschwert). Andere haben immer wieder an den Rollen und am Ausdruck gefeilt. Bei einer Gruppe war die Vorrecherche für das Stück besonders intensiv: Wie bringt man Schizophrenie respekt- und eindrucksvoll auf die Bühne?
Wo steht das Gebärdensprach-Theater in Deutschland - im Gespräch mit der Jury
Die DEGETH-Festivals sind für die Theaterlandschaft von großem Wert. Dennoch hat das Gehörlosen-Theater in Deutschland nicht den Stellenwert, den sich viele wünschen. Die Schauspieler*innen stehen meist "nur" in ihrer Freizeit auf der Bühne. Deutsche Gebärdensprachler blicken in Sachen Professionalisierung in anderen Länder - dort habe man bereits mehr erreicht. Warum ist das so? Oder sehen wir Deutsche unser Theater zu kritisch? Die Meinungen aus dem Ausland loben unsere vielen Talente und deren Potenzial. Ace Mahbaz hat darüber mit den Mitgliedern der DEGETH-Jury gesprochen:
"Das berührt mich, weil unsere Sprache so schön ist. Das, was ich sehe, bereitet mir Gänsehaut. Die Gebärdensprache ist eine eigene Kunstform. Und deshalb verstehe ich es nicht. Für mich ist es schwierig, denn ich pendele zwischen beiden Welten. Ich bin oft in der Theaterwelt der Hörenden und habe natürlich auch immer mal wieder Auftritte vor tauben Menschen. Es macht mich zornig, dass Hörende nicht begreifen, wie Gebärdensprache das Publikum ansprechen und sie im Herzen berühren kann. Das System in Deutschland muss sich ändern. Es geht um den Respekt gegenüber der Gebärdensprache als eigene Kunstform."
Athina Lange, Jury-Mitglied
"Das Niveau ist in Deutschland sehr hoch. Das muss ich wirklich sagen. Ich sage das nicht, um zu schmeicheln. Es ist einfach so. Ich arbeite seit vielen Jahren im Theaterbereich und sehe hier und da anspruchsvolles Theater, aber hier in Deutschland wird ohne professionelle Theaterarbeit dennoch solch ein Niveau erreicht. Mein Respekt dafür.
Ich weiß, es ist hart, dafür kein Geld zu bekommen. Neben der Arbeit immer wieder Theater zu spielen, ist schwierig. Man darf aber nicht aufgeben."
Mira Zuckermann, Jury-Mitglied
"Hut ab vor dem, was es in Deutschland schon gibt. Es ist noch nicht das Beste, aber ich denke, dass es in Zukunft noch besser werden könnte. Ich komme aus Israel und ich würde mir wünschen, dass die Deaf-Community in Israel mehr hervorbringen könnte. Und wenn ich die Situation hier sehe, habe ich Hoffnung für die Zukunft."
Gal Naor, Jury-Mitglied
"Ich denke, es müsste eine Zusammenarbeit geben, dass Deutschland mit anderen Ländern Kooperationen hat."
Ralf Brauns, Jury-Mitglied
"Es wäre ein Traum, wenn es in Deutschland ein Schauspielhaus geben würde, an dem Ausbildungen, Schulungen, Choreografie und vieles mehr angeboten werden."
Tomato Pufhan, Jury-Mitglied
Die Preisträger*innen
Ausgezeichnet wurden die beste Schauspielerin (Anne Zander) und der beste Schauspieler (Rafael-Evitan Grombelka) sowie die beste Theatergruppe (Antiheroines) und die beste Kulisse (Alpha Theater). Zum zweiten Mal verlieh die Jury den DeGeTh-Preis – der an T.A.S. (two against the stereotypes) ging und zum dritten Mal wurde der Publikumspreis verliehen: Die Mehrheit votete in diesem Jahr für T.A.S..
Die besten Schauspielenden dürfen in 2023 an einem Theater-Workshop am IVT - International Visual Theatre in Frankreich teilnehmen. Die Preisträger-Gruppen T.A.S. und Antiheroines sind nach Herborn eingeladen, um am 25. März 2023 dort ihre Stücke aufzuführen.