Nachwuchsmangel Dolmetscher gesucht
Die meisten kennen das: Wer kurzfristig einen Dolmetscher benötigt, bekommt häufig eine Absage. Das Problem des Dolmetschermangels ist seit langem bekannt - Sehen statt Hören hat schon häufiger darüber berichtet. Die Lösung? Ganz klarer Fall: Es muss mehr Nachwuchs her.
Daniel Roses Kalender ist voll – denn seine Dienste sind heißbegehrt: Er ist Gebärdensprachdolmetscher. Die Anfragen seiner tauben Kunden muss er häufig absagen.
Auch seine Kollegin Anja Bergmann aus dem Umkreis Straubing/Cham spürt die Auswirkungen des akuten Dolmetschermangels. „Andere Dolmetschende wohnen mindestens eine halbe Stunde weiter südlich oder östlich. Also bin ich hier die Einzige. Das Problem oder die Herausforderung daran ist, dass ich viele Anfragen aus Straubing/Bogen oder Cham bekomme, die ich ablehnen muss, weil ich das allein nicht alles schaffe.“
Nachfrage nimmt zu
In Deutschland gibt es immer noch zu wenig Gebärdensprachdolmetscher. Am Beispiel Bayern kann man das verdeutlichen: Im Freistaat leben 9.500 Gehörlose und es gibt 155 Dolmetschende . Einerseits ist die Zahl der in Bayern gelisteten Dolmetscherinnen und Dolmetscher sogar gestiegen - andererseits ist aber auch der Bedarf nochmals größer geworden. Ein Grund ist die Inklusion - an Schulen, an Unis. Hier sind diese: bereits weit im Voraus gebucht. Aber auch die Nachfragen von Firmen, Ämtern und Behörden nehmen zu.
Zahl der Studierenden nimmt ab
Doch wie kann man dieser Entwicklung begegnen? Es braucht mehr Nachwuchs. An acht deutschen Hochschulstandorten wird der Studiengang „Gebärdensprachdolmetschen“ inzwischen angeboten. Doch an einigen ist die Zahl der Studierenden zurückgegangen.
Auch Prof. Dr. Sabine Fries, Leiterin des Studiengangs an der Hochschule in Landshut kennt die Zahlen. Sie denkt aber nicht, dass das allgemeine Interesse an der Gebärdensprache gesunken sei. „Sie ist immer noch interessant, exotisch, etwas Besonderes. Auch die Form der Sprache als eine Ausdrucksform des Körpers hat noch immer eine starke Wirkung“, betont die Professorin.
Aufnahmekriterien hoch
Doch es gäbe einige Gegebenheiten rund um den Studiengang Gebärdensprachdolmetschen, die diese Entwicklung begünstigen. So seien die Aufnahmekriterien hoch. „Landshut hat, soweit ich weiß, die höchsten Aufnahmekriterien deutschlandweit. Wir verlangen 90 Std. DGS-Unterricht vorab, bevor das Studium überhaupt begonnen werden kann. Wir möchten so einen guten Qualitätsstandard erreichen. Allerdings müssen wir jetzt darüber nachdenken, das hier zu reduzieren, denn es ist schon eine große Hürde“, betont Sabine Fries. Diese Kurse müssen sich die Studierenden nicht nur eigenständig suchen, sondern auch selbst finanzieren. Das sei durchaus abschreckend für eine ganze Reihe Interessentierte.
Aufnahmeprüfungen abschaffen
Auch an der FH Zwickau treten immer weniger den Studiengang „Gebärdendolmetschen“ an. Die Fachhochschule reagiert. „Wir haben uns dazu entschlossen, die Aufnahmeprüfungen komplett abzuschaffen“, sagt Prof. Dr. Alejandro Oviedo. Ursprünglich hätten die Aufnahmekriterien dazu gedient, die besten Bewerber:innen auszuwählen. Doch die Erfahrung hat ein anderes Bild gezeigt. „Es stellte sich heraus, dass Studierende, die in der Aufnahmeprüfung gut abgeschnitten haben, nicht zwangsläufig nach vier Jahren ihr Studium erfolgreich abgeschlossen haben. Einige, die bei der Aufnahmeprüfung herausragten, haben ihr Studium vorzeitig abgebrochen, während eher mittelmäßige Bewerber:innen erfolgreich waren“, so der Professor. Damit habe die Prüfung ihren Zweck verfehlt. Sie sei mittlerweile vor allem eine Belastung für die Bewerberinnen und Bewerber, die häufig dazu führen, dass sie sich gegen das Studium entscheiden.
Öffentlichkeitsarbeit verstärken
An der Hochschule Landshut setzt man auf andere Mittel, um wieder mehr Nachwuchs zu gewinnen. „Wir haben das große Glück, dass das Bayerische Staatsministerium für Soziales vor kurzem die Finanzierung des Projekts „signs4inclusion“ übernommen hat. Aufgabe des Projekts ist es, zu informieren, Öffentlichkeitsarbeit zu leisten, was die Tätigkeit Gebärdensprachdolmetschen oder auch Kommunikationsassistenz, Taubblindenassistenz und so weiter umfasst“ erklärt
Prof. Dr. Sabine Fries. Dieses Projekt nutzt Landshut gerade, um für den Studiengang zu werben. Mit dabei sind Vorträge in Schulklassen, die kurz vor dem Abitur stehen – hier wird der potenzielle Nachwuchs für diesen besonderen Studiengang begeistert.
Beruf mit Zukunft und Abwechslung
Der Wunsch und die Hoffnung, dass die Pläne aufgehen und wieder mehr Gebärdendolmetscher zur Verfügung stehen, ist groß. Und das von allen Seiten. Eines ist klar: Es ist ein Beruf mit Zukunft. Ein sicherer und trotzdem flexibler Arbeitsplatz mit großem Bedarf und Abwechslung.
"Einen anderen Job könnte ich mir gar nicht vorstellen, z.B. jeden Tag ins Büro zu gehen und das gleiche zu machen, das würde ich langweilig finden. Jeder Tag ist anders und man lernt immer etwas, das macht für mich den Reiz des Berufs aus. Ich würde mir wieder mehr Nachwuchs wünschen, der sich für den Beruf begeistert… Denn es ist wirklich ein toller Beruf."
Daniel Rose