Bericht von der Fachtagung Recht auf Bildung mit Gebärdensprache
Die Deutsche Gesellschaft der Hörbehinderten (DG) hatte zu einer Fachtagung nach Berlin eingeladen, an der auch Mitglieder der Kultusministerkonferenz teilnahmen. Die wichtigste Forderung der Deutschen Gesellschaft: Anerkennung der Deutschen Gebärdensprache als gleichwertiges (Fremd-)Sprachenfach.
Wird in Deutschland bei einem hörbehinderten Kind der sogenannte Förderbedarf festgestellt und ist das Kind gebärdensprachlich orientiert, so gibt es zwei Möglichkeiten der Beschulung: Zum einen kann dieses Kind die Regelschule mit einem Dolmetscher besuchen. Dabei wird an einer normalen Schule der Unterricht von einer Gebärdensprachdolmetscherin übersetzt. In den meisten Fällen ist das Schulkind das einzige hörbehinderte Kind unter all den anderen Schülern. Die zweite Möglichkeit ist der Besuch einer Gehörlosenschule.
Sehen statt Hören hat Familie Müllensiefen begleitet, die sich die zweite Möglichkeit für ihre Kinder wünscht, insbesondere wegen des sozialen Umfelds. Zwei Lehrkräfte sorgen dafür, dass die individuellen gebärdensprachlichen Bedürfnisse gedeckt werden. Der bimodal-bilinguale Unterricht ermöglicht, zwei Sprachen gleichzeitig einzusetzen: Die Lautsprache begleitend mit Gebärden und die Deutsche Gebärdensprache. Noch können die Kinder der Müllensiefens so lernen. Aber was, wenn sie aufs Abitur zusteuern?
Laut einer Befragung der Schulen, beherrschen nur 8 Prozent des Lehrpersonals die DGS. Dem gegenüber steht die gesetzliche Anerkennung der DGS und die UN-Behindertenrechtskonvention mit dem Recht auf gebärdensprachliche Bildung.
Auch gibt es so ein Angebot auf Grundschulniveau durchaus nicht überall, denn in Deutschland ist Schule Ländersache. Fünf Bundesländer haben das Fach Deutsche Gebärdensprache fest im Rahmenlehrplan. Sonst gibt es keine bundesweite Verpflichtung.
Petition mit 19.000 Unterschriften an Kultusministerium
Für das Recht auf Bildung in Gebärdensprache kämpfen in Bayern viele betroffene Eltern. Mit einer Petition wollen sie die Situation an den Schulen verändern und haben dafür über 19.000 Unterschriften gesammelt. Diese wurden dem Bayerischen Kultusministerium übergeben.
Fachausschuss der Deutschen Gesellschaft der Hörbehinderten
Die Deutsche Gesellschaft der Hörbehinderten hat schon vor längerem einen Fachausschuss ins Leben gerufen und sich bereits dreimal mit Vertretern und Vertreterinnen der Kultusministerkonferenz, kurz KMK, getroffen. Diesem Ausschuss gehören unter anderem Prof. Dr. Claudia Becker und Prof. Dr. Christian Rathmann von der Humboldt Universität Berlin an.
"Wichtig ist, den ersten Schritt zu machen und den Rahmenlehrplan in jedem Bundesland einzuführen. Das muss in jedem Bundesland erst einmal beschlossen werden. Dafür brauchen die Länder aber eine klare Aussage seitens der KMK. Bisher hat man sich dagegen gewehrt."
Prof. Dr. Christian Rathmann, Mitglied des Fachausschusses
Fachtagung in Berlin, Landesvertretung Schleswig-Holstein
Nun hat die Deutsche Gesellschaft der Hörbehinderten auch eine Fachtagung initiiert. Geladen waren Experten rund um das Thema Schule sowie Mitglieder der Kultusministerkonferenz. Titel der Veranstaltung "Gebärdensprache an Schulen jetzt!" Im Raum stehen sieben Forderungen:
- DGS als gleichwertiges (Fremd-)Sprachenfach
- Lehrpläne für das Unterrichtsfach DGS in allen Bundesländern und Schulstufen
- Anerkennung der DGS als Fremdsprache bei Schulabschlüssen
- DGS als Abiturprüfungsfach
- Ressourcen für das Fach DGS in die Stundentafel
- Qualifizierungsmaßnahmen für Lehrkräfte
- Finanzierung für Materialien und Forschung
Das Ergebnis der Fachtagung: Die Kultusministerkonferenz hat sich zu einer Empfehlung an die Länder durchgerungen. Wie diese genau lautet, und weshalb betroffene Eltern und Mitglieder des Fachausschusses enttäuscht reagierten, sehen Sie in der nächsten Sendung von Sehen statt Hören.