Hand drauf DGS in den Sozialen Medien
Instagram, YouTube, facebook – die sozialen Plattformen sind aus dem Leben nicht mehr wegzudenken. Auch für Gehörlose gibt es immer mehr Seiten, die in Deutscher Gebärdensprache geführt werden. Eine der erfolgreichsten ist Hand drauf. "Sehen statt Hören" hat die Macherinnen und Macher besucht.
Vor einiger Zeit, als es noch kein Internet gab, traf sich die Gehörlosen-Community im Clubheim, zu Veranstaltungen und Feiern. Heute sieht das anders aus: Das Internet ist voll von gebärdensprachlichen Beiträgen. Gerade bei Instagram ist die Anzahl an Kanälen mit DGS enorm - da bleiben keine Wünsche offen. Ein Grund dafür: Es ist mittlerweile sehr einfach, Filme und Fotos zu veröffentlichen- man nimmt ein Handy, filmt sich, fügt Untertitel ein, hübscht es auf und fertig ist der Post.
hand.drauf
Trotzdem zieht ein Kanal die Aufmerksamkeit der tauben Community besonders auf sich: Hand drauf. Die Zahl der Follower wächst hier auf Instagram rasant und es werden wöchentlich neue Beiträge und Stories zu den unterschiedlichsten Themen gepostet.
"Der Name ‚Hand drauf‘ allein besagt schon, dass all unsere Beiträge in Gebärdensprache für unsere tauben Follower gepostet werden. Wir ziehen auch Gebärdensprachinteressierte an, da wir für jeden zu sehen sind."
Toma
Entwickelt hat diesen Kanal "FUNK". Zu Beginn war es ein YouTube-Kanal und dort arbeiteten nur Hörende, nur die Moderatorin Iris war gehörlos im Team. Es zeigte sich schnell: Das Konzept hatte Schwächen. Besonders, dass so wenige Gehörlose in die Arbeit involviert waren, war von großem Nachteil. So änderte man das nach einer Pause vor nunmehr einem Jahr: Man engagierte taube Mitarbeiterinnen und wählte einen neuen Kanal für die Filme – nämlich Instagram.
"Taube Menschen stehen auf klare und kurze Informationen. Es war das perfekte Format, das wir ins Leben gerufen haben und ist es noch."
Toma
Hand drauf hat sich innerhalb eines Jahres zum echten Erfolgsformat entwickelt – und zwar bei Hörenden genauso wie bei Gehörlosen.
"Als es den Kanal noch auf YouTube gab, da hat das Team einfach nicht gestimmt. Und deshalb würde ich sagen, dass jetzt auch das Team quasi der Erfolgsfaktor ist. Einfach weil wir gemerkt haben, es kann nur funktionieren durch akzeptiert werden. Wenn wirklich auch die tauben Kolleginnen der Kompass sind und auch der Kern des Formats. Sowohl, also nicht nur vor der Kamera, sondern auch hinter der Kamera. Und deshalb würde ich sagen, ist es auf jeden Fall das Wichtigste bei uns. Und auch nur deshalb funktioniert es eben, weil unsere Kolleginnen die Hauptarbeit machen."
Pia Billecke, Redaktionsleiterin
Die Themenauswahl
Von abgesagten Weihnachtsmärkten bis Periodenprobleme: Es gibt nahezu kein Thema, das nicht auf Hand drauf auftauchen könnte. Denn der Wissensdurst in der Community ist groß.
"Taube Menschen haben einen großen Bedarf bei Tabu-Themen."
Iris
Welch umfassende journalistische Arbeit dahintersteckt, sieht man dem erfrischenden Auftritt oft nicht an.
Das Team
Aber wer genau steckt hinter den vielen Posts? Wie arbeiten sie? Das Team von "Hand drauf" setzt sich zusammen aus Hörenden und Gehörlosen. Sie alle leben in unterschiedlichen Städten und arbeiten von zu Hause aus. Das funktioniert dank moderner Technologie sehr gut. Iris Meinhardt und Toma Kobuliute sind in München daheim und beide sind nahezu von Beginn an bei hand.drauf dabei. Björn Pfeiffer und Tobias Hölle sind ebenfalls im Team – vor allem vor der Kamera. Moderator Ace Mahbaz hat sie alle besucht und mit Melissa Wessel in Birmingham per Videocall gesprochen.
Iris arbeitet als Host für hand.drauf – das bedeutet, sie ist dort Moderatorin. Ihre Ausbildung machte sie beim BR – und das, obwohl sie davor nicht im Traum daran gedacht hatte, einen journalistischen Beruf zu wählen. Tatsächlich war es ein Praktikum bei "Sehen statt Hören" während ihrer Studienzeit, die Iris dieses Berufsfeld näherbrachte. Einfach war der Weg nicht immer für sie, doch Toma hatte Spaß und war sehr ehrgeizig. Im Team von Hand drauf ist Iris die einzige ausgebildete Journalistin.
"Journalismus ist ein hartes Metier, weil es sich in der Welt der Hörenden bewegt. Bei Hand drauf ist es einfacher, da es ein Format für Taube ist und wir vorwiegend mit Tauben zu tun haben. Auf der anderen Seite gibt es die Redaktionen, die von Hörenden geleitet werden. Ich brauche dann also meistens einen Dolmetscher. Viele sind dann erst einmal gehemmt, weil sie die Situation mit Dolmetscher nicht kennen. Andere wiederum sind da eher aufgeschlossen. Das ist sehr unterschiedlich."
Iris
Toma arbeitet als Presenterin für Hand drauf. Doch das ist nicht ihre einzige Tätigkeit: Sie ist auch Autorin und Moderatorin. In Socialmedia ist sie auch privat unterwegs: In ihrem Insta-Kanal berichtete sie von ihrer Weltreise. Denn: Sie liebt Herausforderungen jeglicher Art. Der Start bei hand.drauf war jedoch holprig: Als sie sich bei FUNK bewarb, wurde sie zunächst nicht genommen - aber als Protagonistin für einen Beitrag ausgewählt. So blieb Toma im Kopf der Redaktion.
"Ein Jahr später, im Sommer 2020, kam eine erneute Anfrage. Sie wollten mit einem völlig neuen Konzept starten und fragten mich, ob ich mir eine Mitarbeit vorstellen könnte. Und wie ich das konnte! Ich war total happy über die Chance und sagte zu."
Toma
Melissa lebt in England und ist bei hand.drauf eher im Hintergrund tätig – als Autorin und vor allem als Ideengeberin. Planerin und Vernetzerin. Hin und wieder hat sie einen Gastauftritt vor der Kamera. Melissa ist auch Community Managerin: Sie beantwortet die Kommentare bei Instagram. Eine journalistische Ausbildung hat sie nicht, aber viel journalistische Erfahrung gesammelt – unter anderem bei der Deutschen Gehörlosenzeitung und bei "See Hear" bei der BBC. Doch für sie ist klar: die meisten Menschen haben ein falsches Bild von tauben Menschen. Sie werden unterschätzt und müssen sich immer erst beweisen.
"Mein Gefühl ist, dass Hand drauf eine gute Gelegenheit dazu ist, sich zu beweisen. In unserem Team sind auch hörende Mitarbeiter, die wiederum dem WDR angehören. Es gibt uns die Möglichkeit, neue Netzwerke zu bilden. Ich denke, dass man hier - unabhängig von Themen rund um die Taubheit - sicher Chancen bekommt, journalistisch tätig zu werden."
Melissa
Björn und Tobias sind Presenter bei Hand drauf. Die beiden sind zu dem Format gestoßen, ohne zuvor journalistische Erfahrungen gesammelt zu haben. Und doch haben sie es geschafft, in die Rolle des Journalisten zu schlüpfen. Unterstützt wurden sie dabei vom ganzen Team.
"Natürlich hat mir das Team viele Tipps mitgegeben. So konnte ich mein Wissen zum journalistischen Arbeiten erweitern. Ich finde das spannend. Durch die Arbeit bei Hand drauf wurde mein Interesse für journalistisches Arbeiten geweckt. Ich könnte mir vorstellen, das später zu vertiefen; vielleicht sogar eine Ausbildung zu machen. Das würde mich interessieren."
Tobias Hölle
Besonders wichtig: Das gesamte Team – egal ob hörend oder gehörlos - versteht sich herausragend gut. So gut, dass sie sich schon nicht mehr nur als Kollegen bezeichnen, sondern fast schon als Familie. Und das sieht man Hand drauf auch an.