BR Fernsehen - Sehen statt Hören


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Heike Heubach Die erste gehörlose Politikerin im Bundestag

Mit den Worten "Heute schreiben wir tatsächlich Geschichte" wird am 21. März 2024 Heike Heubach im Deutschen Bundestag von der Bundestagspräsidentin begrüßt. Heike Heubach ist taub und SPD-Abgeordnete aus dem Wahlkreis Augsburg Land. Wir haben sie im Politikalltag begleitet.

Von: Holger Ruppert

Stand: 18.07.2024

Der Moment, auf den Heike Heubach eineinhalb Jahre gewartet hat, ist gekommen. Sie betritt den Bundestag, den Plenarsaal und ja: da ist ihr Namensschild, ihr fester Platz.

"Ich begrüße Sie alle recht herzlich an diesem Morgen und die Sitzung ist eröffnet. Sie wundern sich wahrscheinlich alle, aber heute schreiben wir tatsächlich Geschichte, wenn ich das so mal sagen darf. Wir haben die erste gehörlose Abgeordnete, die sich hier für ihren Wahlkreis einbringen wird."

Bärbel Bas, Präsidentin des Deutschen Bundestages

Das Rednerpult dort unten, das kennt jeder. Wann immer es politische Nachrichten aus Berlin gibt und eine Stimme aus dem Bundestag gehört werden soll, ist dieses Pult zu sehen. Aber in diesem Moment sind die Worte der Bundestagspräsitdentin nicht nur zu hören, sondern erstmals auch zu sehen. Durch die anwesende Gebärdensprachdolmetscherin.

"Oh, dass ich hier am heutigen Tag, dem 21. März, dabei bin und sie sehen kann, berührt mich außerordentlich. Eine gehörlose Person mit Gebärdensprache ist hier, mit Dolmetscherinnen. Das ist bewegend. Damit ist auch die Gebärdensprachgemeinschaft Deutschlands sichtbar, weil Heike Heubach hier im Bundestag sitzt. Es ist ein Zeichen von Inklusion, wenn in der Gesellschaft politische Teilhabe vorangebracht wird."

Helmut Vogel, Präsident Deutscher Gehörlosen-Bund

"Es ist unbeschreiblich dieses Gefühl. Es ist schön und fühlt sich an, wie angekommen zu sein. Hier zu sitzen, auf dem Stuhl, alles mitzuverfolgen, die Diskussionen: Das habe ich vorher im Fernsehen gesehen und es war weit weg. Jetzt bin ich mittendrin und dabei. Dabei sein zu dürfen, ist ein sehr schönes Gefühl."

Heike Heubach, Bundestagsabgeordnete der SPD

Der Weg nach Berlin

Heike Heubach hat vor 2008 ihre Ausbildung zur Industriekauffrau bei E.ON Energie München begonnen und seither im Konzern gearbeitet. Dort ist sie eine geschätzte Mitarbeiterin.

"Heike hat ja über viele Jahre verschiedenste Tätigkeiten auch mitbegleitet. Das reißt natürlich schon mal ein Loch mit rein. Ja, auch bei uns ist es tatsächlich gar nicht immer so einfach, auch sofort geeignetes Personal nachzufinden. Wir wünschen ihr es alle von Herzen, dass sie da eine gute Entscheidung für sich getroffen hat; wünschen ihr alles Gute, aber freuen uns auch, falls sie irgendwann wieder zu uns zurückkommt. Es ist ja kein endgültiger Abschied, auch wenn wir es ihr natürlich wünschen, dass es möglichst lange klappt im Bundestag."

Alexander Simon, Vorgesetzter von Heike Heubach

Ihr politisches Engagement lief – wie bei anderen politisch aktiven Menschen – neben dem Beruf her. Der Unterschied war allerdings, dass Heike Heubach um Dolmetschende zu kämpfen hatte.

"Beim Wahlkampf für die Kommunalwahlen hatte ich keine Dolmetschenden. Mein Antrag auf das Persönliche Budget zog sich ewig hin und dauerte. Also musste ich damals kreativ sein. Ich erstellte ein Video von mir in Gebärdensprache und mit Untertiteln und der Vertonung einer Dolmetscherin. Mit der ansässigen Fraktionsvorsitzenden bin ich dann von Haus zu Haus gegangen."

Heike Heubach.

Während wir Heike Heubach begleiten, wird spürbar: das ist keine Frau, die aufgibt. Und: Es ist eine Politikerin, die den unbedingten Willen hat, Themen nach Berlin zu tragen. Das erleben wir bei der Fachveranstaltung zum Thema Senioren in Nürnberg. Das erleben wir in ihrem Wahlkreis Augsburg-Land.

Eingelebt in Berlin

Heike Heubach und Olaf Scholz

In ihrem Büro hängen inzwischen Luftballons an der Wand: 1 – 0 – 0. 100 Tage ist die SPD-Politikerin nun im Amt. Der Terminkalender ist voll, die Zeit immer knapp, um von einem Besprechungsort zum nächsten zu kommen. Gerade kommt sie wieder mit schnellen Schritten aus einem Saal heraus:

"Die Sitzung war nicht öffentlich. Aber der Bauausschuss hat sich unter anderem mit der Wohngeld-Plus-Reform beschäftigt. Mehr kann ich aber nicht sagen. Und jetzt geht es gleich zum nächsten Termin, im Plenarsaal. Gegessen wird später. Essen ist hier ein Fremdwort. Ich gehe jetzt rüber, denn heute wird Olaf Scholz die Regierungserklärung abgeben."

Heike Heubach

Vieles haben Heike Heubach und ihr Team schon dieses Jahr geschafft, das wird am Abend gemeinsam beim Hoffest gefeiert, ehe die Sommerpause beginnt. Im Herbst geht es für die Bundestagsabgeordnete weiter. Ihr Wunsch für die nächsten Jahre: wiedergewählt werden und weiterhin in Berlin für ihre politischen Ziele kämpfen.


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