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„Eine Kultur überwindet Grenzen“ Die 7.Kulturtage der Gehörlosen in Friedrichshafen

Aufregend und hektisch – so laufen die Vorbereitungen für die Kulturtage der Gehörlosen immer. So auch bei der 7. Veranstaltung, die in Friedrichshafen unter dem Motto „Eine Kultur überwindet Grenzen“ stattfindet. 1.800 Gäste werden erwartet und für die soll es ein spannendes und buntes Programm geben. Jason Giuranna ist schon zu den Vorbereitungen an den Bodensee gereist und trifft dort auch die Festivalleiterin Elisabeth Kaufmann.

Stand: 26.09.2024

Elisabeth Kaufmann mit Jason Giuranna

Sie ist die Frau, die organisatorisch für den Deutschen Gehörlosen-Bund e.V. mit ihrem Team die Verantwortung trägt, dass alles gut gelingt. Natürlich ist es für sie ganz besonders aufregend. Wenn alles so läuft, wie sie sich das vorgestellt hat, wird sie zum Abschluss der Kulturtage ein Bad im Bodensee nehmen. Eine Challenge, die Jason sofort aufgreift und ein Punktesystem für "gut laufen" entwickelt.

Jason spricht nicht nur mit dem Team, sondern auch mit den Menschen, die die Veranstaltung besuchen werden. Und die sind voll Vorfreude und Erwartung. Nach sechs langen Jahren des Wartens freut sich die Community. Einige würden sich über noch mehr Vielfalt und Diversität freuen.

Das Awareness-Team

Zwei Tage vor dem Startschuss der Kulturtage ist der Sehen statt Hören-Moderator in Friedrichshafen angekommen – und mischt sich unter das quirlige Orga-Team. Mit dabei sind Gita und Laura: das Awareness-Team, also ein Team für Bewusstseinsbildung. So etwas gab es bei den Kulturtagen noch nie - warum diesmal?

Das Awareness-Team

"Wir wollen bewusster mit bestimmten Themen umgehen“, erklärt Gita. „Die Menschen sollen sich bewusst machen, dass es Personen gibt, die bei den Kulturtagen bisher ausgegrenzt wurden.“ Dabei werden insbesondere marginalisierte Gruppen angeschaut: Menschen, die taub sind, aber eben auch noch BIPoC, queer, taubblind, mehrfachbehindert oder ähnliches. „Diese Menschen sollen in allen Bereichen mitbedacht werden – verbal, in der Haltung und in allem, was wir tun, um Diskriminierung zu vermeiden", so Gita.

Doch es geht dem Team auch darum, bestimmte Privilegien ins Bewusstsein zu holen: So haben beispielsweise Männer oder weiße Menschen Vorteile, die zu einem Ungleichgewicht oder gar zur Unterdrückung führen, erklärt Laura. "Wir möchten für die Menschen da sein, die weniger Privilegien haben, sie unterstützen und ihnen zur Seite stehen."

Die Projektleiter

Die Projektleitung: Marcel und Mai

Besonders in der Verantwortung waren die beiden Projektleiter Marcel und Mai. Sie hatten einige Änderungen der Veranstaltung zu organisieren. "Bei den bisherigen Kulturtagen gab es eine andere Struktur. Diesmal vertreten wir eine Philosophie, die zu uns passt", erklärt Mai. Die Einbindung des Awareness-Team von Beginn an war wichtig, mit ihm stand die Projektleitung im ständigen Austausch. Zudem war die Organisation der Helfenden vollkommen neu – unabhängiger vom DGB. "Das hat die Kommunikation und die Entscheidungsfindung verbessert", freut sich Mai. "Im Team gab es viele verschiedene Einstellungen: Einige waren positiv, es gab aber auch Schwierigkeiten. Aber wir haben es geschafft, richtig gut zusammenzuarbeiten. Der Zusammenhalt war stark", ergänzt Marcel.

Eine Kultur überwindet Grenzen?

DGB-Präsident Helmut Vogel eröffnet die Kulturtage.

Auch der DGB-Präsident Helmut Vogel freute sich schon im Vorfeld auf die Tage in Friedrichshafen. Ihm ist die Aussage des Mottos besonders wichtig – denn "Eine Kultur überwindet Grenzen" heißt für ihn, dass die Überwindung von Barrieren ein kontinuierlicher Prozess ist – und man noch nicht am Ziel ist.
"Während in einigen Bereichen bereits Fortschritte erzielt wurden, bleibt die Notwendigkeit bestehen, noch mehr Grenzen abzubauen. Noch mehr Bewusstsein für unsere Kultur und Sprache zu schaffen," betont Vogel. Das betrifft die Teilhabe im Bereich Schule, in der Kultur, im Berufsleben, in der Bildung und in vielen weiteren Bereichen, einschließlich des Gesundheitswesens. Überall müsse Gebärdensprache als grundlegendes Menschenrecht anerkannt werden und damit eben Grenzen überwunden werden.

Schirmherr spricht über politische Verantwortung

Der Schirmherr: Bundesbehindertenbeauftragte Jürgen Dusel

Es wird schließlich ein Startschuss mit Gänsehaut: Der Schirmherr der Veranstaltung, der Bundesbehindertenbeauftragte Jürgen Dusel, betonte das gesetzlich verankerte Recht tauber Menschen, die Gebärdensprache und die Gebärdensprachkultur zu leben. Er sei aktuell dabei, Teilhabeempfehlungen für die Bundesregierung zu erarbeiten zu dem Thema "Zugang zu Kunst und Kultur - auch für taube Menschen". Am 2. Dezember werden sie übergeben. Zudem ist für das kommende Jahr eine Fachveranstaltung über das Thema der Sprachdeprivation geplant, "damit wir ein Bewusstsein schaffen für die politisch Verantwortlichen, dass man wirklich immer noch davon ausgehen muss, dass Menschen, die taub sind, systematisch, strukturell benachteiligt werden. Da muss sich noch was tun."

Und dann starten die Kulturtage …

Was die Gehörlosenkultur zu bieten hat, zeigten die anschließenden Veranstaltungstage: Vorträge zu vielen relevanten Themen der Gehörlosen-Community, Podiumsdiskussionen, internationale Kultur, Poetry Slams, es wurden Medien für gehörlose Kinder vorgestellt, Studiengänge aufgezeigt und vieles mehr - und das immer mit hochrangiger personeller Besetzung. Auch die Einbindung des Awareness-Teams zeigte sich deutlich in der Veranstaltung: So war beispielsweise das Thema "Gewalt gegen Frauen" sehr präsent und auch die queere Community kam zu Wort.

Verleihung des Kulturpreises

In guter Tradition wurden schließlich auch noch die Kulturpreis übergeben. Es gab insgesamt fünf Gewinner in den Kategorien Bildung, Kunst, Kultur, Wissenschaft und soziales Engagement – die mit großem Applaus bedacht wurden.

Die Preisträger 2024

1. Einzelpreisträgerin: Petra Piel

  • Politik: Für ihre maßgebliche Rolle bei der Entwicklung und Umsetzung von Gesetzen wie dem SGB IX und dem Bundesbehindertengleichstellungsgesetz (BGG), die die Rechte tauber Menschen gestärkt haben.
  • Soziales Engagement: Für ihre wegweisenden Maßnahmen zur Integration von Gebärdensprachdolmetschenden in den Arbeitsmarkt und ihre umfassende Aufklärungsarbeit zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen tauber Menschen.

2. Einzelpreisträger: Dieter Zelle

  • Politik: Für seinen erfolgreichen Einsatz zur gesetzlichen Anerkennung der Taubblindheit, was zur Einführung des Merkzeichens "TBl" im Schwerbehindertenausweis führte.
  • Soziales Engagement: Für seinen unermüdlichen Einsatz zur sozialen Integration und beruflichen Teilhabe von Taubblinden sowie für seine Führungsrolle in der Taubblindenbewegung.

3. Einzelpreisträger: Gerhard Ehrenreich

  • Soziales Engagement: Für seine langjährige und intensive Arbeit im Gehörlosen-Ugandaprojekt, das die Lebensbedingungen vieler tauber Menschen in Uganda verbessert hat.
  • Kunst/Kultur: Für seine Pionierarbeit im Gehörlosensport und seinen internationalen Einsatz zur Förderung der Gebärdensprache und der kulturellen Identität tauber Menschen.

1. Gruppenpreisträger: Deaf Refugees Team

  • Soziales Engagement: Für ihr herausragendes Engagement zur Unterstützung tauber Geflüchteten und Migranten in Krisensituationen, insbesondere während der Syrien- und Ukraine-Kriege.

2. Gruppenpreisträger: Deutsche Gehörlosen Jugend

  • Soziales Engagement: Für ihre bedeutende Arbeit zur Sensibilisierung und Aufklärung über Themen wie Rassismus und Queer-Rechte innerhalb der Gehörlosengemeinschaft.
  • Bildung: Für ihre Aufklärungsarbeit während der Corona-Pandemie und die Organisation von Jugendfestivals, die Raum für Austausch, Gemeinschaft und kulturelle Bildung bieten.

Fazit

Die 7.Kulturtage sind zu Ende. Wurde sie dem Motto „Eine Kultur überwindet Grenzen“ gerecht? Es hat sich gezeigt: Barrieren fallen, Netzwerke entstehen – viele Impulse wurden gesetzt und werden Neues in Gang bringen.

Die Veranstaltung war ein Erfolg – doch springt Elisabeth nun auch in den Bodensee?


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