Rechtsextremer Verdachtsfall Was tut die AfD für Gehörlose?
In Umfragen schneidet die rechtspopulistische bis rechtsextreme AfD weiter gut ab. Unter den Sympathisanten und Anhängern sind auch Gehörlose. Dabei zeigt die Geschichte, dass von rechten Parteien selten Gutes für gehörlose Menschen zu erwarten ist. Sehen statt Hören-Reporterin Iris Meinhardt stellt daher die Frage: "Was tut die AfD für Gehörlose?". Ein Faktencheck.
Das Oberverwaltungsgericht Münster bestätigte im Mai, dass bestimmte Bestrebungen der Partei gegen das Demokratieprinzip gerichtet sind und sie deshalb als "rechtextremistischer Verdachtsfall" eingestuft werden darf.
In der Gehörlosen-Community gibt es trotzdem einige Befürworter - mit einer eigenen Facebook Seite und einer eigenen Homepage. Sie nennen sich "Alternative für Hörgeschädigte" (AfH). Der letzte Post stammt von 2020, trotzdem kommen weiterhin neue Follower*innen hinzu, zuletzt Ende Mai.
Sehen statt Hören-Reporterin Iris Meinhardt trifft einen der Befürworter:
"Mein Ziel ist schon lange die Anerkennung von tauben Menschen, das ist mir wichtig. Seit meiner Kindheit habe ich das Gefühl, dass wir zu wenig Anerkennung bekommen. Das ist mir ein großes Bedürfnis. Ich denke, dass ich vielleicht über die Alternative für Deutschland diesem Ziel näherkommen kann."
Thomas
3 Themen: Inklusion, Gehörlosengeld, Migration
Auf der Seite der AfH finden wir die Forderung nach Abschaffung der Inklusion und die Forderung nach einem Gehörlosengeld. Und die AfD möchte Menschen mit Migrationshintergrund "remigrieren" - also Menschen, die selbst oder deren Eltern aus einem anderen Land nach Deutschland eingewandert sind, massenweise aus Deutschland abschieben. Davon betroffen wären natürlich auch Gehörlose mit Migrationshintergrund.
Bernd Schneider, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft der Hörbehinderten und Vorsitzender des Landesverbands Bayern der Gehörlosen in München, macht anschaulich, dass das Thema Gehörlosengeld in Wirklichkeit von Vereinen und Verbänden erkämpft worden ist und weit vor der AfD von allen anderen Parteien aufgenommen - und zum Teil schon umgesetzt - wurde.
Inklusion an der Regelschule oder Förderschule? Das ist eine schwere Entscheidung und Stefan Goldschmidt von der LMU München erklärt, dass es die eine einfache Lösung nicht geben darf:
"Die Förderschulen verfolgen noch das alte, kollektivistische Konzept. Sie bündeln taube Kinder an einem Ort, dort können die Kinder miteinander gebärden, in ihrer Peer-Group, fühlen sich wohl und sind an das Vereinsleben angebunden. Aber klar, schaut man sich den Unterricht an, ist er lautsprachlich geprägt oder vereinfacht. Die Bedingungen wären eigentlich gut, aber man kann nicht pauschal sagen, dass das Förderzentrum besser wäre. Beide Seiten, Inklusion und Förderzentrum haben gute und schlechte Seiten. Selbstverständlich müssen wir das Konzept der Förderschulen und die Bedingungen dort verbessern, aber das heißt nicht, dass Inklusion von vornherein ausgeschlossen wird. Beide Optionen müssen gleichberechtigt zur Verfügung stehen. Alle müssen die Möglichkeit haben, die für sie beste Option wählen zu dürfen. Man kann nicht einfach sagen, das bekommt ihr nicht, das schränkt die Auswahl ein und das geht nicht!"
Stefan Goldschmidt, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Ludwig-Maximilians-Universität München
Populimus - alles möglichst einfach
Ein Werkzeug, dessen sich Rechtspopulismus bedient, ist das Vereinfachen komplexer Themen. Informationen werden reduziert auf einen Aspekt und in ein Schwarz-Weiß-System gepackt. Am Beispiel der Schulen: Es gibt komplexe Argumente dafür und dagegen, für beide Beschulungen. Tatsächlich muss jede Familie ihren eigenen Weg finden - weil die Voraussetzungen individuell unterschiedlich sind. Eine sehr starke Reduktion der Argumente verfälscht häufig die Aussage.
"Wir sind mehr"
Iris trifft auch auf AfD-Gegner, wie Mustafa, Minna oder auch Hanna, die gegen Rechts demonstriert. Anders als bei der AfD-Veranstaltung, gibt es hier Dolmetschende auf der Bühne.
Bei den Demonstrationen gegen Rechts haben sich Anfang des Jahres über das ganze Land hinweg immer wieder Hunderttausende angeschlossen. Mit fast vier Millionen Teilnehmenden auf mehr als 1200 Kundgebungen sind die Proteste die größte Demonstrationsserie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Die Veranstaltungsorte waren sowohl in großen Städten, als auch in kleineren Ortschaften.
"Was in der Geschichte in Deutschland mit tauben Menschen schon passiert ist, die Zwangssterilisationen, das darf nie wieder passieren. Nein."
Hanna