Transgender Im falschen Körper geboren
Über 60 Jahre lang verdrängt Margrit ihren sehnlichsten Wunsch, ein Mann zu sein. Nur beim Fasching kann sie ihre Sehnsucht ausleben.
Schon im Kindergarten hat die kleine Margrit lieber mit den Buben gespielt. Holzgewehre und Fußballspielen standen bei ihr viel höher im Kurs als Puppen.
Doch sie wächst in einem strengen Elternhaus auf – und als sie ihren Eltern dann mit acht Jahren erzählte, sie wäre lieber ein Bub, fiel die Antwort der Mutter ganz klar aus: „Gott hat Dich so geschaffen.“ Für Margrit eine große Enttäuschung. Doch das Verlangen, ein Bub zu sein, blieb trotzdem riesig – und so fragte sie sogar ihre Mitschüler, wie sie wohl ein Junge werden könnte. Die waren ratlos.
Das einzige Ventil in all der Zeit war für Margrit der Fasching.
"Während der Faschingszeit habe ich mich immer als Mann verkleidet und mich so wohl gefühlt. Nach ein, zwei Tagen, wenn der Fasching vorbei war, musste ich wieder zurück in meine alte Rolle, meine Frauenkleidung. Das hat mich so unglücklich gemacht und war immer so ein starker Kontrast zum Fasching, wo ich mich so gut gefühlt habe. Ich habe es hinnehmen müssen."
Bruno
Transgender…
… sind Menschen, die sich mit ihrem biologischen Geschlecht, mit dem sie auf die Welt kommen, nicht identifizieren können. Eine Anpassung des Geschlechts geht aber nicht von heute auf morgen, sondern ist ein langer Prozess.
Flucht in die Ehe
Margrit heiratete 1973 einen Mann. Schon alleine, um dem Elternhaus zu entfliehen. Die Ehe hält 44 Jahre. Doch einfach war das nicht. Denn ihr großes Verlangen, ein Mann zu sein, lässt sich nicht komplett unterdrücken.
"Ich habe oft die Kleidung von meinem Mann angezogen, er hatte so schöne Sachen. Das hat mir gutgetan. Mein Mann war irritiert und hat sich gefragt, was ich da mache. Ich habe ihm gesagt, dass mir das gefällt, er konnte es nicht glauben."
Bruno
Erlösung durch die Traumfrau
63 Jahre lang hat Margrit gegen ihr Bedürfnis gekämpft. 2018 lernte sie Claudia kennen. Ihre Traumfrau, ihre große Liebe. Und ihr Durchbruch. Fast ein ganzes Leben lang verdrängte Margrit ihren sehnlichsten Wunsch, ein Mann zu sein. Mit Claudia an ihrer Seite ist sie dafür stark genug. Endlich.
Ein langer Weg startet
Doch ganz so schnell ging es dann natürlich doch nicht: Als erstes musste Bruno zu einer Therapie. Der Rat der Therapeutin war zunächst, Männerkleidung im Alltag zu tragen.
"Das war ja schon immer mein Wunsch. Endlich konnte ich die ganzen Frauenklamotten aus dem Kleiderschrank aussortieren. Es war ein tolles Gefühl. Ich hab mich so aufs Einkaufen gefreut, ich wollte unbedingt Hemden tragen, wie ein feiner Herr und mit Krawatte."
Bruno
Erstes Outing als Transmann
Auch Pfarrer Sauer und Maggie sind wichtige Vertrauenspersonen für Bruno. Er kennt sie aus seiner langjährigen Zugehörigkeit zur evangelischen Gehörlosengemeinde Schweinfurt, bei der er auch Gemeindesprecher ist. Dort hat er sich Anfang 2020 als Transmann geoutet. Leicht gefallen ist es ihm nicht und hätten Brunos Eltern noch gelebt, hätte er es sich nicht getraut. So war die Akzeptanz in seinem Umfeld aber groß.
Die gerichtliche Anerkennung
Doch der Weg ist mit dem Coming-Out noch lange nicht zu Ende. Denn selbst wenn ihn viele zu diesem Zeitpunkt schon Bruno nennen, so ist sein Name auf dem Papier, auf offiziellen Dokumenten immer noch Margrit. Und er ist eine Frau. Die Anpassung von Namen und Geschlecht hat auf dieser Ebene noch nicht stattgefunden. Dafür müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein. Neben mehreren ärztlichen Gutachten gehört auch ein ausführlicher Lebenslauf dazu. Und der weist traumatische Erlebnisse auf. Psychotherapeutin Ramona Tanjala begleitet Bruno auf diesem Weg. Mit Erfolg. Das Gericht erkennt Bruno als Mann an. Ein Gänsehautmoment. Erst mit Ende 60 wird aus Margrit Bruno.
Die hormonelle Behandlung
Doch nicht nur auf dem Papier, sondern auch optisch wird Bruno immer männlicher: Alle drei Monate bekommt er eine Hormonspritze. Das nimmt Bruno körperlich mit – und trotzdem freut er sich, dass er zusehends zum Mann wird: Flaum wächst am Kinn, die Schultern werden breiter, der Körperbau stärker. Nur der Busen wird und wird nicht weniger.
Die Identitätssuche
Doch findet Bruno durch all diese „Äußerlichkeiten“ auch seine Identität als Mann? Das ist die schwierigste Aufgabe – die Frage zu beantworten „Was heißt es, ein Mann zu sein?“. Dieser Frage geht Bruno zusammen mit seiner neuen und ebenfalls gehörlosen Therapeutin Annika Atzert nach.
"Die Therapie ist sehr gut für mich und hilft mir innerlich. Zum Thema Männlichkeit soll ich jetzt ein Tagebuch führen und aufschreiben, welche Erfahrungen ich im Alltag als Mann mache."
Bruno