BR Fernsehen - Sehen statt Hören


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Ulrich "Uli" Hase Ein Unikat geht in Rente

Insgesamt 46 Jahre hat sich Uli Hase für die Gehörlosengemeinschaft und Menschen mit Behinderung eingesetzt. Jetzt ist damit erst einmal Schluss, er geht in Rente. Sein wohl größter Erfolg: Als Präsident des Deutschen Gehörlosen-Bundes hat er maßgeblich an der Anerkennung der Gebärdensprache mitgewirkt. Doch auch sonst hat er bislang ein sehr spannendes Leben geführt.

Stand: 19.05.2021

Uli Hase ist ein Kommunikationstalent und ein positiver Menschenfänger mit faszinierender Ausstrahlung. Da ist sich sein ganzes Umfeld einig. Und er ist jemand, der mit Herzblut für seine Ziele arbeitet. Und das schon seit vielen Jahren.

Stimmen zu Uli Hase

Olaf Tischmann

"Wenn man ihn ansieht, dann strahlt er so etwas aus… das nicht so ist wie bei anderen. Er ist anders… es ist etwas ganz Spezielles - auf keinen Fall behindert."

Ines Helke

"Er setzt sich für die politische Bildung Hörgeschädigter, Gehörloser, Hörbehinderter ein, für alle in diesem Bereich - damit sie soziale Teilhabe erfahren."

Annika Hase

"Uli ist als Vater und als Person genau die gleiche Person, nämlich sehr authentisch und sehr ehrlich und sehr leidenschaftlich. Er bringt überall immer viel Herzblut mit rein. Das haben wir Kinder unser Leben lang gespürt und das hat man in der Arbeit gespürt, die er gemacht hat."

Olaf Tischmann

"Es ist Wahnsinn, was er bisher alles geleistet hat. Angefangen über sein Jura-Studium, dann war er im Schwerhörigen- bzw. Hörbehindertenzentrum, er hat das Reha-Zentrum in Rendsburg mit aufgebaut, dann war er Vorsitzender bei der BHSA, er war in Kiel an der Hochschule für Sozialwissenschaften, dann im Deutschen Gehörlosen-Bund, später in der Deutschen Gesellschaft. Und natürlich auch noch Landesbehinderten-Beauftragter in Schleswig-Holstein. Es ist unglaublich."

Christian Rathmann

"Er ist einfach ein Kommunikationsprofi. Er schafft es, Menschen in ihrer eigenen Identität voranzubringen, auch in Bezug darauf, die richtigen Kommunikationsstrategien zu finden."

Olaf Tischmann

"Die Worte, die er wählt, sind wie eine Waffe. Damit kann er andere an die Wand hauen und die können nicht mehr."

Stefan Goldschmidt

"Er ist ein unglaublich guter Rhetoriker, lebt von seiner Spontanität. Er hat Visionen, weiß, welche Wege man gehen muss, bleibt dabei aber flexibel im unterschiedlichen Miteinander und den richtigen Argumenten. So erreicht er immer seine Ziele."

Lenker, Leiter, Vermittler

Als ab Mitte der 1980er-Jahre die Erkenntnisse zu Gebärdensprachen auch in Deutschland ankamen, gab es zwei maßgebliche Aktionsfelder: das wissenschaftliche mit Prof. Siegmund Prillwitz und seinem Team an der Universität Hamburg. Und das politische, das Uli Hase ausfüllte, ab 1989 dann in der Funktion des Präsidenten des Deutschen Gehörlosenbundes. Innerhalb der Gehörlosengemeinschaft gab es erbitterte Diskussionen für und wider Laut- und Gebärdensprache. Uli Hase wurde zum Lenker, Leiter und Vermittler, hat es geschafft, diese unterschiedlichen Interessen und Meinungen geschickt zu moderieren und zu kommunizieren. Er fand die Kompromisse, wenn andere sich verrannt hatten. Mit ihm ging der gemeinsame Weg immer weiter, egal welch kontroverse Auseinandersetzungen es vorab gab. In der Community bekommen viele noch heute Gänsehaut, wenn sie an die legendäre Demo 1993 in Hamburg zurückdenken: Ganz klar formulierte Uli Hase dort erstmals die Hauptforderung der Gehörlosen: Anerkennung der DGS.

Woher kommen diese Fähigkeiten?

Er sei nicht schwerhörig, nicht hörend, auch nicht voll gehörlos – er sei so wie er nun mal ist, sagt Uli Hase. Ein Mensch mit viel Spaß an der Kommunikation, der gut zuhören kann, das Wesentliche rauspickt und alles so zusammenbringt, dass sich am Ende alle damit wohlfühlen. Obwohl der Weg nicht immer einfach war.

"Ich bin unter Hörenden aufgewachsen. Ich kenne die Kämpfe mit Hörenden. Ich musste mich viel durchsetzen, obwohl ich oft nicht verstanden habe. Es war sehr mühsam, aber es hat geklappt."

Uli Hase

Neuer Schwung im DGB

Jürgen Stachlewitz

Jürgen Stachlewitz, langjähriger Moderator von Sehen statt Hören, war es schließlich, der Uli Hase zum Deutschen Gehörlosen-Bund brachte. Gerade weil er schon damals so viel mit Politikern zu tun hatte und er so gut im Kommunizieren und Vernetzen war, konnte sich Stachlewitz seinen Freund in den Verbänden gut vorstellen. Obwohl Uli Hase eigentlich schon wegen seiner Familie keine Zeit dafür hatte, wurde er schließlich tatsächlich DGB-Präsident. Warum? Er habe gespürt, dass dort einiges im Argen lag und der Verband Hilfe benötigte. Ein Selbstverständnis für Gebärdensprache musste her. Und ein Teamgedanke.

"Als du dann Präsident wurdest, hast du viel Neues bewegt, vor allem die Fachausschüsse ins Leben gerufen, wo jeder eigenverantwortlich war. Vorher gab es nur eine Person an der Spitze, die entschied. Jetzt waren es mehr."

Jürgen Stachlewitz

Wechsel in den Dachverband

Nach 10 Jahren als DGB-Präsident wechselte Uli Hase zur Deutschen Gesellschaft. Das ist der Dachverband aller Hörbehinderten – dessen Hauptziel es ist, mit den vielen Bundesverbände und anderen Verbänden im Austausch zu sein und gemeinsame Ziele zu definieren und durchzusetzen. Vernetzen - genau das, was Uli Hase so gut kann. Selbst in Zeiten des großen Umbruchs mit vielen Emotionen und Grabenkämpfen hat er es geschafft letztendlich alle zusammenzuführen.

"Alle Seiten mussten sich bewegen und er versuchte, dass sich alle in der Mitte treffen. Und das hat er geschafft."

Ines Helke

Berufswunsch Gehörlosenlehrer

Für all die Umbrüche ist Uli Hase sein Jurastudium sehr hilfreich. Obwohl Jurist nicht sein eigentlicher Traumberuf war. Er wollte Gehörlosenlehrer werden. Doch das Bildungsministerium von Nordrhein-Westfalen teilte ihm mit, dass er sich das Studium genau überlegen sollte – denn er bekäme als Gehörloser keine vollwertige Stelle wie ein Hörender. Das stieß den jungen Mann damals vor den Kopf. Erst durch dieses Erlebnis suchte er den Kontakt zu anderen Hörgeschädigten. Zuvor kannte er tatsächlich keinen einzigen. Dabei stieß Uli Hase dann auf zwei unterschiedliche gehörlose Welten: Eine, die sehr angestrengt, ernst und unzufrieden war, weil sie komplett auf Lautsprache setzte. Und eine andere, in der mit Leichtigkeit kommuniziert wurde – in Gebärdensprache. Damit hatte Uli Hase seine Mission gefunden.

"Gehörlose mussten viel aushalten, sehr viel aushalten. Für mich fühlte es sich wie starke Diskriminierung an. Ich habe das sehr stark so empfunden, obwohl es viele Gehörlose selber gar nicht so empfunden haben. Für sie war es ein Stück weit normal. Ich konnte das kaum aushalten. Ich wusste, wenn erst einmal ganz klar die Anerkennung der Gebärdensprache da ist und die Gleichstellung Gehörloser, dann können sie Hörenden auch auf Augenhöhe begegnen. Aber ohne Anerkennung der Gebärdensprache würden Gehörlose weiterhin benachteiligt bleiben und die fehlende Augenhöhe würde weiterbestehen."

 Uli Hase

Ein Kampf – beruflich, politisch und privat

Gemeinsam mit Siegmund Prillwitz kämpfte er mit Herzblut für die DGS, war aktiv in den Verbänden und als Landesbeauftragter auch politisch tätig. Privat hatte er zu der Zeit fast noch mehr zu bewältigen: Seine Frau verstarb früh, er war alleine für die zwei Kinder da. Dann hatte er noch einen Reitstall, einen Beruf und arbeitete an einer Doktorarbeit. Wie er das geschafft hat, das fragt er sich heute auch manchmal. Das einzige, was er schweren Herzens aufgegeben hat war der Reitstall.

Verabschiedung mit Standing Ovations

Jetzt geht der aktive Mann in Rente. Aus dem Kieler Landtag ist der langjährige Landesbeauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderung mit einer sehr persönlichen Rede von Ministerpräsident Daniel Günter und Standing Ovations verabschiedet worden.

"[…] Mir fällt es echt richtig schwer zu sagen, dass du jetzt in den Ruhestand gehst. Ich bin mir aber sicher Uli, so wie ich dich kennengelernt habe, dich wird das trotzdem nicht loslassen. Und ich weiß, dass du dich in diesen Dingen weiter einbringen wirst. […] Großartig, was Du geleistet hast, lieber Uli und danke, dass ich ein paar Worte sagen durfte."

Daniel Günther, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein

 Auf was freut sich Uli Hase jetzt am meisten? Darauf, selbst über seinen Terminkalender entscheiden zu können. 


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