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Grünen-Politiker Jürgen Trittin

Er polarisierte und provozierte wie kaum ein anderer: Jürgen Trittin. Anfang 2024 legte "Mr. Dosenpfand" sein Bundestagsmandat nieder. In seinem Buch "Alles muss anders bleiben" blickt er nun auf 50 Jahre deutsche Geschichte zurück.

Stand: 17.10.2024 14:26 Uhr

Jürgen Trittin, Grünen-Politiker | Bild: picture alliance / photothek | Thomas Koehler

Ein Vierteljahrhundert hat Jürgen Trittin die Bundespolitik mitbestimmt, als Bundesumweltminister, Fraktionschef und zuletzt als Außenpolitikexperte der Grünen. Seinen Rücktritt hat er bewusst gewählt.

"Man kann, zumal dann, wenn man schon eine Weile dabei ist, Wahrheiten aussprechen, die andere lieber nicht äußern sollten, wenn sie ihren Job behalten wollen."

(rnd, 12.12.23)

Dazu gehört für ihn auch die Krise der Partei, die er einst mitgegründet hatte, genau zu analysieren. Das größte Problem der Grünen sei, dass sie sowohl nach links als auch nach rechts verlieren würden. Das schlechte Image der Partei werde durch die Unzuverlässigkeit der Ampel noch verstärkt. In der personellen Erneuerung an der Spitze der Grünen sieht er gute Chancen für eine Neuausrichtung.

"Es ist ein bisschen wie beim Fußball. Julian Nagelsmann schießt keine Tore, und Hansi Flick hat auch keine geschossen. Aber Julian Nagelsmann hat jetzt ein sehr gutes Team, mit dem er gut abgeschnitten hat, weil es eine Neuaufstellung mit neuen wie alten Spielern gab. Genau das meint politische Verantwortung. Wir brauchen auch eine Neuaufstellung."

(Zeit, 04.10.24)

Politischer Kampfgeist

Die Leidenschaft, für seine Ideale zu kämpfen, erwachte schon als Jugendlicher in ihm: Der gebürtige Bremer demonstrierte gegen die Notstandsgesetze, gegen neue Schulregeln oder gegen Franz Josef Strauß. Sein rhetorisches Talent fiel auch im niedersächsischen Landtag auf, wo er 1985 als Pressesprecher der Grünen seine politische Karriere begann. Gerhard Schröder erkannte sein Talent und holte ihn 1990 als Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten in die erste rot-grüne Landesregierung nach Hannover. Gerhard Schröder war es auch, der Jürgen Trittin nach der Bundestagswahl 1998 zum Bundesumweltminister berief. Sein Einsatz für ein Zwangspfand auf Getränkedosen brachte Jürgen Trittin den Spitznamen "Mr. Dosenpfand" ein.

Vom Hoffnungsträger zum Buhmann

Nach dem Amtsantritt von Angela Merkel kämpfte er in der Opposition lautstark weiter und erreichte 2009 zusammen mit Renate Künast das bis dahin beste Wahlergebnis der Grünen bei einer Bundestagswahl. Doch die größte Niederlage folgte vier Jahre später: Die Grünen wurden zur kleinsten Oppositionsfraktion. Als Folge dieses Ergebnisses trat bis auf Cem Özdemir die gesamte Führungsriege der Grünen zurück.

"Alles muss anders bleiben"

Wie Phönix aus der Asche kehrte Jürgen Trittin im Herbst 2017 ins Zentrum des Berliner Machtgeschehens zurück und engagierte sich vor allem in der Außen- und Europapolitik. Auch wenn er sich nun nach fast 40 Jahren als Berufspolitiker von der großen politischen Bühne verabschiedet hat, würde er sich nicht gänzlich von der Politik verabschieden, sagt er. In seiner politischen Autobiografie "Alles muss anders bleiben" blickt er nicht nur auf sein eigenes Leben zurück, sondern auch auf ein halbes Jahrhundert deutscher Politik. Sein Fazit klingt fast prophetisch.

"Wer die Gesellschaft verändern will, braucht die Bereitschaft, sich selbst zu verändern. Ich habe hier auch einen Blick darauf geworfen, wie ich mich geändert habe. Ich hoffe, die Bereitschaft zur Veränderung hört mit 70 Jahren nicht auf. Auch Jürgen Trittin muss anders bleiben."

(aus: Alles muss anders bleiben)


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