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Evangelische Theologin Margot Käßmann

Sie war die erste Frau an der Spitze der Evangelischen Kirche in Deutschland. Für viele ist Margot Käßmann bis heute die "Bischöfin der Herzen". Mit ihrem neusten Buch "Farben der Hoffnung" will sie in Krisenzeiten Trost spenden.

Stand: 10.10.2024 14:26 Uhr

Die evangelische Theologin Margot Käßmann, aufgenommen nach einem dpa-Interview. Käßmann wünscht sich einen flexibleren Umgang in Deutschland mit dem Ruhestand. | Bild: picture alliance/dpa | Patrick Seeger

Der Glaube spielte in ihrer Familie schon immer eine große Rolle. Auch wenn sie als Kind ihre Freizeit am liebsten in der Autowerkstatt ihres Vaters verbrachte, bestand ihre Mutter auf dem sonntäglichen Kirchgang. Dass Glaube und Nächstenliebe mehr sind als das geschriebene Wort der Bibel, erfuhr Margot Käßmann als 16-Jährige während eines Auslandsjahres in Lakeville an der Westküste der USA. Dort wurde sie mit Rassismus und seinen Folgen konfrontiert. Auf Tonbändern hörte sie Reden des Baptistenpastors und Menschenrechtlers Martin Luther King.

"Kaum jemand konnte so faszinierend reden wie er. Das hat mich inspiriert, Theologie zu studieren."

(spiegel-online, 02.08.24)

Karriere in der evangelischen Kirche

Diesen Vorsatz setzte sie nach dem Abitur in die Tat um. Nach dem Theologiestudium übernahm sie schnell verantwortungsvolle Aufgaben in der evangelischen Kirche. 1983 wurde sie Vikarin, 1985 Pastorin und 1999 schließlich die erste Landesbischöfin von Hannover. Ihre Wahl war für die damals 41-jährige Theologin selbst eine große Überraschung.

"Es wurde früher immer gesagt, man muss über 50 sein, um Bischof zu werden, weil man ja hinterher nichts anderes mehr machen kann. (…) Ich hab‘ noch viele andere Sachen gemacht, nachdem ich Bischöfin war, insofern ist es gut, dass es nicht nur das Bild des seriösen gesetzten älteren Herrn im Kopf ist, wie ein Bischof aussehen könnte."

(NDR, 05.06.24)

"Bischöfin der Herzen"

Nur zehn Jahre später erreichte sie das höchste Amt der Evangelischen Kirche in Deutschland. Sie wurde die erste Ratsvorsitzende - als geschiedene Frau und Mutter von vier Kindern. Dem stetigen Aufstieg folgte 2010 der jähe Fall: Nach einer Autofahrt unter Alkoholeinfluss, bei der sie eine rote Ampel missachtete, trat sie von allen kirchlichen Leitungsämtern zurück. Ihrer Popularität hat das nicht geschadet. Bis heute gilt sie als eine der populärsten deutschen Theologinnen und als „Bischöfin der Herzen“. Auch wenn sie seit vier Jahren offiziell im Ruhestand ist, ist sie aktiver denn je: Sie predigt, schreibt Bücher und hat einen eigenen Podcast.

Überzeugte Pazifistin

Margot Käßmann steht zu ihren Überzeugungen - auch wenn sie dafür Kritik einstecken muss. Als Pazifistin unterschrieb sie beispielsweise Anfang 2023 das umstrittene „Manifest für Frieden“ von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer. Für sie sind Waffenlieferungen der falsche Weg.

"Deutschland hätte sich zur großen Diplomatie aufschwingen und eine entscheidende Vermittlerrolle zwischen Russland und der Ukraine spielen können. Stattdessen sind wir der zweitgrößte Waffenlieferant. (…) Waffen töten. Von dieser brutalen Realität des Krieges, der Verzweiflung und dem Grauen in den Schützengräben, davon bekommen wir viel zu wenig mit. Wir haben uns an den Krieg gewöhnt, auch medial."

(evangelisch.de, 08.02.24)


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