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weiß blau Entlang der Frankenwaldhochstraße - Der Norden

Natur und Kultur. Oder: Natur und wie Menschen aus ihr Kultur und Produktionsraum schaffen, das bietet die nördliche Frankenwaldhochstraße auf besondere Art und Weise. Hier sind Heilquellen ebenso beheimatet wie kulturhistorische Erinnerungsorte; Kunst und Kultur für und von den Menschen vor Ort werden ebenso gern aufgenommen, wie die Natur, mit der man im Einklang arbeitet.

Stand: 14.04.2016 | Archiv

Begleiten Sie uns auf unserer Wanderung durch den Frankenwald, wir starten in Kronach, machen einen Abstecher zur Festungsburg Rosenberg, steigen hoch auf die Thüringer Warte und tief hinab ins Schieferbergwerk Lotharheil bei Ludwigsstadt und besuchen zu guter Letzt auch die kulturellen Highlights von Bad Steben.

weiß blau: Lichtkunst Kober

Wandern kann man wirklich gut im Frankenwald im Nordosten Bayerns, die stille und ursprüngliche Landschaft ist ein wahrer Genuss. Aber Moderatorin Annett Segerer nimmt erst einmal die Abzweigung nach Kronach. Die Kreisstadt mit ihren 17 000 Einwohnern besticht vor allem durch ihre wunderschöne mittelalterliche Altstadt, die jedes Jahr bei „Kronach leuchtet“ mit besonderen Lichtkonzepten akzentuiert wird und damit Tausende Besucher anzieht. Ausgerichtet wird dieses besondere Stadtfest vom gleichnamigen Verein, Vorsitzender Rainer Kober schwärmt für die Belebung, die die Stadt durch das Fest erfährt. 1003 wurde Kronach erstmals erwähnt, die lange Historie hat ihre Spuren im Stadtbild hinterlassen: Man kann beispielsweise den Hexenturm besichtigen, auf derselben Zwingermauer laufen wie zur Zeit des Schwedenkrieges oder den Brunnen der tapferen Frauen am Bamberger Tor bewundern, Stadtführer Thomas Baier weiß zu allem etwas.

Kronach wird aber noch durch etwas anderes bestimmt, nämlich durch die über allem thronende Festung Rosenberg. Heute wird die Festungsanlage, eine der größten Deutschlands, zum Teil als Museum benutzt: Die Fränkische Galerie residiert hier und mit ihr Kunst zwischen Spätgotik und Renaissance, besonders stolz ist man auf die Werke von Lukas Cranach, einem der berühmtesten Söhne von Kronach. Nicht nur der Geist Cranachs weht hier oben, sondern auch der zweier berühmter Franzosen, Napoleon und Charles de Gaulle. Warum genau, verrät Museumsleiter Alexander Süß. Ein weiteres kulturelles Highlight der Kronacher sind die jährlichen Faust-Festspiele, die unter freiem Himmel auf der Festung Rosenberg stattfinden. Sie sind der Grund, weshalb Daniel Leistner, Schauspieler, Intendant und Regisseur und gebürtiger Kronacher, nach dem Studium in Bayreuth wieder nach Kronach zurückkehrte. Er ist nun der kreative Kopf des Theaterfestivals, das bereits 13 000 Besucher anlocken konnte. Für ihn wie wohl auch für viele der Zuschauer ist das Gefühl, das schon die gewaltige Kulisse – die Festung Rosenberg – erzeugt, überwältigend, aber auch die ungewöhnlich vielen Statisten – in manchen Stücken sind es bis zu 50 – tragen dazu bei. Gespielt werden Komödien oder bekannte Stücke von Goethe, Schiller oder Shakespeare, Leistner möchte volksnahe und packende Inszenierungen präsentieren, die jeder verstehen kann.

Zurück auf der Frankenwaldhochstraße führt der Weg weiter nach Norden an Kleintettau vorbei, wo sich auch schottische Hochwaldrinder höchst heimisch fühlen. Zumindest sehen sie so aus. Inzwischen schon nah an der thüringischen Grenze lockt der Blick hinüber zu den Nachbarn, hoch oben auf der Thüringer Warte nahe Lauenstein hat man einen umwerfenden Ausblick über die umliegende Landschaft. An den neu gepflanzten Birken, dem sogenannten „Grünen Band“, sieht man von hier oben immer noch die Grenze, die einst nicht nur Bayern und Thüringen, sondern BRD und DDR voneinander trennte. Der bayerische Heimatforscher Siegfried Scheidig erinnert sich noch gut an die Besucherströme, die in den 1960er und 1970er Jahren zur Warte kamen, um von hier einen Blick in die so verschlossene DDR zu werfen.

Wenn man oben auf der Warte steht, ist man von drei Seiten "vom Osten“ umgeben, nur in südlicher Richtung war damals "der Westen“ – ein Wortspiel, das titelgebend für einen Bildband wurde, der anlässlich des 25jährigen Jubiläums der Grenzöffnung erschien und an die Zeit während und nach der innerdeutschen Teilung erinnern soll. Von den Erlebnissen und Zuständen auf der anderen Seite der Mauer erzählt die thüringische Ortschronistin Karin Haas, von der unendlichen Freude über die ungewohnte Freiheit und über die herzliche Freundlichkeit der Menschen, die sie damals bei ihrem ersten Besuch in Ludwigsstadt empfingen. Fernab der Hauptschauplätze des politischen Weltgeschehens erlebten Scheidig und Haas hier ein Stück Weltgeschichte. Von Grenze kann hier heute keine Rede mehr sein, auch sprachlich haben sich die Orte hörbar angenähert.

Einige Kilometer weiter geht’s von ganz oben nach ganz unten, nämlich ins Schieferbergwerk Lotharheil in der Nähe von Ludwigsstadt. Manfred Teichmann, der den Betrieb in vierter Generation führt, steigt hier mit seinen Mitarbeitern gut 40 Meter in die Tiefe. Mit nur 22 Jahren übernahm er den Familienbetrieb und ist mit dieser Entscheidung mehr als zufrieden. Auch nach vielen Jahren begeistert ihn die Arbeit in und mit der Natur nach wie vor, immer noch ist das Spalten der Schieferblöcke ein Erlebnis. Teichmanns Schiefer wird für Dachziegel oder Steinplatten für Böden oder Tische verwendet, aber auch für Dekoobjekte oder Schmuck. Inzwischen ist Lotharheil das einzige Schieferbergwerk Bayerns. Benannt ist das Schieferbergwerk übrigens nach Lothar von Faber, der im nahegelegenen Ludwigsstadt seit 1761 erst Schiefertafeln und –griffel, später auch Kunststoffprodukte produzieren ließ, die von hier aus in alle Welt verschickt wurden. Im Faber-Castell-Werk in Geroldsgrün wurden früher auch mal Sachen aus Schiefer hergestellt, heute entstehen dort unter anderem hochwertige Stifte aus Kunststoff.

Kein Stein, sondern eine Versuchung liegt Annett Segerer im Weg nach Norden und zwar die Confiserie Lauenstein. Wie Geschäftsführer Thomas Luger erzählt, war die heutige Confiserie einst eine Getreidemühle. Als ein Berliner Konfektmacher sich in die Müllerstochter verliebte, überließ ihm der Schwiegervater die ehemalige Mühle und stellte sie ihm als erste Produktionsstätte zur Verfügung. Herr Schulze, verantwortlich für Qualitätssicherung und Produktentwicklung, führt uns durch das heutige Werk und zeigt, wie handgemachte Pralinen entstehen. Eine Schokoladeninsel mitten im Frankenwald.

Eine Insel hat auch Wolfgang Binder entdeckt, allerdings eine der etwas anderen Art, nämlich eine grüne: In Steinbach an der Haide teilt sich das ganze Dorf seit Jahrhunderten eine grüne Insel, einen riesigen Garten. Zwar hat fast jede Familie seine eigene Parzelle zum Bepflanzen und Bewirtschaften, aber das große Ganze ist ein Dorfmittelpunkt zum Begegnen und Ratschen. Auf jeden Fall schafft dieser Garten gute Stimmung, Gärten sollen ja auch ein gemeinschaftsförderndes und friedenstiftendes Potential besitzen. Pflanzt deshalb in Berlin die Gartenguerilla illegale, grüne Biotope auf öffentlichen Plätzen? Wolfgang Binder denkt nach, während sich Annett Segerer im ältesten Wirtshaus des Frankenwalds, der „Adelskammer“, bei den Wirtsleuten Gebelein mit einer zünftigen Brotzeit stärkt.

Letzte Station wird in Bad Steben gemacht: Stolz und prachtvoll wird man hier im Kurpark von Bauwerken des Klassizismus und des Jugendstils empfangen, besonders sticht Leo von Klenzes Badehaus von 1837 hervor. Wasser ist ein wichtiges Thema für Bad Steben: Die hiesigen Heilquellen sollen Rheuma und Herzleiden lindern können und ziehen deshalb viele Kurgäste an. Die Therme im Kurpark lädt zur Entspannung ein, an Wellnessangeboten mangelt es hier gewiss nicht: Es gibt Trink- und Badekuren mit Bad Stebener Heilwasser oder Massagen mit Schiefersteinen aus dem nahegelegenen Schieferbergwerk Lotharheil. Für Abwechslung zwischen so viel Wellness sorgt seit 1994 das "Grafikmuseum Stiftung Schreiner“. Wolfgang Schreiner sammelte auf seinen Geschäftsreisen osteuropäische Kunst, die heute hier in dem von ihm und seiner Frau Stefanie Barbara Schreiner initiierten Museum besichtigt werden können.

Kultur wird aber in Bad Steben nicht nur ausgestellt, sondern auch erinnernd selbst praktiziert: An jedem letzten Sonntag im Monat flanieren im Kurpark die Biedermeierfreunde Bad Steben. Das mag an sich noch nicht so außergewöhnlich klingen, aber warten Sie auf die Bilder – die Biedermeierfreunde flanieren nämlich in historischen Kostümen. Und in so einem Frack, mit Monokel oder mit einem damenhaften Sonnenschirmchen flaniert es sich schon gleich ganz anders.

Abschließende Gedanken kommen noch einmal von Wolfgang Binder, der sich in Horwagen, einem Stadtteil von Bad Steben, das heutige Geotop einmal genauer angeschaut hat: Bis vor gut 20 Jahren wurde hier noch Marmor gebrochen und zwar der deutsch-rote Marmor, den man heute noch in der Walhalla bei Regensburg oder in der Glyptothek in München bewundern kann. So streckt der Frankenwald seine Äste in alle möglichen Richtungen aus und führt oft weiter, als man auf den ersten Blick zu erkennen vermeint.


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