Unser Bayern 2050 Woher kommen die Daten und was sagen sie aus?
Daten-Grundlage für das BR-Projekt "Unser Bayern 2050" sind die Baykis-Daten des Bayerischen Landesamts für Umwelt. Die Daten bestehen aus Beobachtungsdaten, die die Vergangenheit beschreiben, und Klimaprojektionsdaten, die für verschiedene Indikatoren die Klimazukunft in Bayern beschreiben. Für “Unser Bayern 2050” haben wir die Zukunftsdaten auf Landkreisebene benutzt. Als “früher” bezeichnen wir dabei die Durchschnitte der Referenzzeit zwischen 1971 und 2000.
Wie kommt das LfU auf die Daten für die Zukunft?
Um die Projektionen für Bayern zu errechnen, kommen mehrere Datenquellen zusammen. Das exakte Verfahren beschreibt das LfU in seinen Datengrundlagen. Zusammengefasst braucht es:
- Beobachtungsdaten: Das sind Daten aus deutschen und europäischen Wetter-Messstationen. Dort wird aufgezeichnet z.B. wie warm es ist, ob Regen fällt, wenn ja wie viel und wie intensiv die Sonnenstrahlung ist. Kurz: wie das Wetter ist. Je nach Bedarf werden diese Daten zu stündlichen, täglichen, monatlichen oder jährlichen Durchschnitten zusammengefasst.
- Klimamodelle: Das sind komplexe mathematische Modelle, die das globale Klima in seiner Gesamtheit abbilden sollen. In Formeln wird ausgedrückt, wie Temperatur, Regen, Wind und viele andere Faktoren miteinander in Beziehung stehen und sich beeinflussen. Es gibt verschiedene Klimamodelle, die unterschiedlich komplex sind. Daher ergeben verschiedene Modelle leicht unterschiedliche Ergebnisse für die gleichen Eingaben. Diese Spannweite ist unterschiedlich groß.
- Szenario: Grundsätzlich sind Szenarien Was-wäre-wenn-Annahmen. Sie beschreiben gesellschaftliche, technologische, wirtschaftliche Zusammenhänge. In der Klimaforschung werden sie genutzt, um bestimmte Entwicklungen zu beschreiben. Sie unterscheiden sich etwa darin, welche politischen Entscheidungen getroffen werden, welcher Energiemix global genutzt wird, welche technischen Mittel eingesetzt werden, um z.B. CO2 zu speichern – kurz also: wie viele Emissionen ausgestoßen werden. Seit dem Fünften Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC werden die wichtigsten Szenarien als RCP (Representative Concentration Pathway) zusammen mit einer Zahl angegeben, z.B. RCP 8.5 als ein Szenario, das keine Klimaschutzmaßnahmen annimmt. Die Zahl 8.5 steht dabei nicht für eine globale Erwärmungstemperatur, sondern für den Strahlungsantrieb. Eine komplex ermittelte Zahl, die aus unterschiedlichen klimarelevanten Kennzahlen errechnet wird und die Änderung der Energiebilanz der Erde beschreibt.
- Klimaprojektion: Projektionen sind das Ergebnis aus den drei Einflüssen Beobachtungsdaten, Klimamodellen und Szenarien. Von der Welt ausgehend, wie sie bisher ist (Beobachtung) und dem Weg, der global eingeschlagen wird (Szenario), wird errechnet, wie sich das Weltklima verhalten wird (Modell). Die Projektion ist dann das Endergebnis. Mehr Informationen dazu gibt es beim Umweltbundessamt.
Die Daten für Bayern
Für die Baykis-Daten wurden wissenschaftlich fundierte Klimamodelle und Szenarien auf bayerische Beobachtungsdaten angewandt. Die drei verwendeten Szenarien entsprechen dem RCP 8.5 (kein Klimaschutz), RCP 4.5 (moderater Klimaschutz) und RCP 2.6 (eine Welt unter 2°C globaler Erwärmung). Als Referenzzeitraum wird die Zeit zwischen 1971 bis 2000 verwendet. Aus dieser Zeit stammen die Beobachtungsdaten. Das mittlere Jahr des Referenzzeitraums ist daher 1985.
Warum die drei Szenarien?
Die drei berechneten Szenarien des Baykis-Datensatzes sind RCP 2.6, 4.5 und 8.5. Sie entsprechen einer Welt unter 2°C Erwärmung, einer mit moderatem und einer ohne Klimaschutz. Für sie liegen ausreichend Modellrechnungen vor, die auf Bayern angewendet werden können. Zudem werden gerade das 2.6 und 8.5 Szenario international häufig verwendet, um die Klimazukunft zwischen Ziel (RCP 2.6) und derzeitigem Pfad (8.5) zu beschreiben.
Was ist das besondere an den Daten?
Die meisten Klimamodelle beschreiben das Klima der ganzen Welt. Dafür wird in computergestützten Berechnungen die Welt "nachgebaut". Allerdings werden dafür im globalen Maßstab eher Bausteine der Größe von Handelscontainern benutzt. Um spezifische Angaben für Bayern zu bekommen, ist das zu grob. Gebraucht wird eher ein Nachbau der Größe von Ziegelsteinen oder sogar Legosteinen.
Für den Baykis-Datensatz wurden die Modelle überprüft, wie gut sie die bayerischen Gegebenheiten in der Vergangenheit erfasst haben. Ein systematischer Fehler, den manche Modelle haben, wurde korrigiert. Das ist vergleichbar mit dem Autofahrer, der das Ziel hat, genau 80 Kilometer pro Stunde zu fahren und weiß, dass sein Tacho zu wenig anzeigt – und der Autofahrer daher laut Tacho 85 Kilometer pro Stunde fährt, um in Wahrheit auf genau 80 zu kommen.
Das LfU hat die Daten in einer eigenen Anwendung verpackt, in der sie auch verglichen werden können, aufgeteilt nach Vergangenheit und Zukunft.
Welche Unsicherheiten hat der Datensatz?
Bei "Unser Bayern 2050" zeigen wir Werte aus den Projektionen des Baykis-Datensatzes. Dabei handelt es sich um Durchschnittswerte. Für jedes Szenario wurde mit mehreren Klimamodellen gerechnet, die sich leicht unterscheiden (siehe oben). Um aus verschiedenen Werten für ein Szenario auf einen Wert zu kommen, werden die Ergebnisse als Median gemittelt, zudem wird mit einem Maximalwert und einem Minimalwert eine Spannweite aufgemacht. Bei "Unser Bayern 2050" zeigen wir nur den Median der Projektion.
Durch die spezifischen Anforderungen sind nur wenige Modelle vorhanden und geeignet, um bei Baykis berücksichtigt zu werden. Daher können die Minimial-, Maximal- und Mittelwerte leicht verzerrt sein.
Ebenfalls gemittelt wird über einen Zeitraum. Wenn wir von 2050 sprechen, bezeichnet das das mittlere Jahr des Szenariozeitraums. Die Werte wurden für die Spanne von 30 Jahren berechnet. Der Wert, den wir für 2050 zeigen, entspricht also dem Median der Klimaprojektionen für die Zeit von 2036 bis 2065.
Generell bedeuten Durchschnittswerte eine Glättung der Werte, was beabsichtigt ist, aber für die konkrete Arbeit zu Problemen führen kann. Mit Durchschnittswerten werden keine Extreme abgebildet. Üblicherweise schwanken Beobachtungswerte stark um Mittelwerte.
Die Realität kann das Problem noch verschärfen: Während konstant warme Sommer für Flora und Fauna relativ gut verkraftbar wären, sind es drei Rekordhitze-Sommer hintereinander nicht. Dass danach vielleicht drei gemäßigtere Sommer kommen, hilft Bäumen, die vertrocknet oder von Schädlingen befallen wurden, nicht mehr – obwohl der Durchschnitt unkritisch aussieht.
Ein letzter Punkt, der Einschränkungen mit sich bringt, ist die Aufteilung in Landkreise. Gerade Kreisfreie Städte können flächenmäßig sehr klein sein, so dass nicht genügend Messdaten aus der Vergangenheit für diese Gegend vorliegen. Die Vorhersagen des Baykis sind auf Raster von 12.5 mal 12.5 Kilometer heruntergerechnet. Damit ausreichend valides Datenmaterial vorliegt, fasst Baykis teilweise mehrere Kreise zusammen. Aus 96 Landkreisen und kreisfreien Städten werden so 29 Landkreiseinheiten. Für "Unser Bayern 2050" teilen wir diese wieder in die Landkreise auf. Allerdings haben die Landkreise der ursprünglichen Einheiten dann die gleichen Werte.
Wie verlässlich sind die Daten?
Die Unsicherheitsfaktoren bestehen wie oben beschrieben. Daher sind konkrete Werte mit einer gewissen Skepsis zu betrachten. Die Richtung der Entwicklung – mehr oder weniger Starkregen, mehr oder weniger Hitzenächte - ist davon unberührt. Die Klimaforschung ist hier robust.
Generell gilt, dass bei allen Temperaturindikatoren, wie Hitzetage, Tropennächte, Temperaturanstieg, nur ein kleiner Unsicherheitsbereich besteht. Temperatur wird zum einen schon sehr lang verlässlich gemessen, ist weniger lokal als etwa Niederschlag und wird in Modellen gut beschrieben.
Etwas mehr Unsicherheit besteht bei Niederschlagsindikatoren, insbesondere Starkregen. Gerade letzteres ist ein sehr lokales Phänomen. Tritt ein Starkregenereignis genau bei einer Messstation auf, wird er aufgezeichnet, ist der Schwerpunkt des Regens wenige Kilometer daneben, dann nicht. Mittlerweile werden auch komplexere Messmethoden als Messstationen in die Forschung, wie etwa Radarmessungen, einbezogen, die diese Nachteile ausgleichen. Diese Zeitreihen sind aber im Moment noch relativ kurz. Hinzu kommt, dass klimatische Zusammenhänge für Niederschlag komplex sind, weshalb sie in den Modellen nicht ganz so exakt nachgebildet werden können.
Generell gilt aber, dass die Richtung der Entwicklung dennoch durch die Modelle korrekt abgebildet wird. Für die gezeigten Daten heißt das: Eventuell wird es im Sommer 2050 nicht exakt 16 Hitzetage mehr geben, es werden aber mit Sicherheit mehr sein, als noch in der Referenzzeit von 1971 bis 2000 oder als heute.
Auf welchem Pfad sind wir?
Die Forschung sieht die Welt aktuell auf dem Pfad, den wir in "Unser Bayern 2050" als ein stark verändertes Bayern beschreiben.
Der jüngste Bericht des Weltklimarats IPCC beschreibt zudem, dass das nur leicht veränderte Bayern aus "Unser Bayern 2050" kaum noch zu erreichen ist.
Die reale Entwicklung muss nicht exakt in dem einen oder anderen Szenario liegen. Aktuell werden weltweit Anstrengungen unternommen, die Emissionen einzudämmen. Dadurch sind Zustände der Welt zwischen den Szenarien nicht nur möglich, sondern auch wahrscheinlich. Die Folgen der Erderwärmung sind dabei nicht linear: Der Unterschied zwischen 1 Grad und 1.1 Grad ist nicht genau 10% mehr, sondern wirkt sich in der Realität deutlich stärker aus.