RESPEKT Freiheit und Gesetze
- Individuelle Freiheit heißt, dass ein Mensch ohne Druck oder Zwang durch andere handeln kann.
- Grenzen setzt der Staat da, wo das Recht auf freie Entfaltung die Rechte anderer verletzt oder gegen Gesetze verstößt.
- Beispiele sind Verkehrsregeln, das Rauchverbot in Kneipen, Alkoholsteuern, das Jugendschutzgesetz.
- Welche Freiheiten der Staat einschränkt, wird immer wieder neu verhandelt. Diese offenen Diskussionen sind ein wichtiges Merkmal unserer Demokratie.
Unter individueller Freiheit verstehen wir, dass ein Mensch ohne Druck oder Zwang durch andere handeln kann. Dass die eigenen Interessen verfolgt werden können, ohne herumkommandiert zu werden. Unsere demokratische Verfassung schützt individuelle Freiheit aber nicht nur, sie setzt ihr auch Grenzen. Und sie gibt Spielregeln für alle vor, damit die Handlungen der einen nicht die Rechte der anderen oder das Gemeinwohl verletzen.
Grundgesetz (Artikel 2)
"Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt."
Gemeinwohl: Schutz der Mehrheit
Definition
Der Begriff "Gemeinwohl" drückt aus, dass etwas im Interesse aller ist. Und deshalb begrenzt auch hier die Gesellschaft die Freiheit des Einzelnen. Damit Menschen eben nicht tun und lassen können, wozu sie Lust haben und damit der Allgemeinheit schaden. So verbietet der Gesetzgeber zum Beispiel, giftige Stoffe einfach in der Natur zu entsorgen. Oder er schreibt den Menschen vor, Steuern zu bezahlen. Weil es dem Gemeinwohl dient, für sauberes Trinkwasser zu sorgen oder Schulen und Krankenhäuser zu finanzieren.
Die RESPEKT-Reportage stellt die Frage, wann der Staat eingreifen darf und soll, um seine Bürger:innen vor Gefahren zu schützen. Welche Möglichkeiten gibt es? Was bringt es, aufzuklären und an die Vernunft zu appellieren? Und wie gehen andere Staaten mit der Freiheit ihrer Bürger:innen um?
Demokratie: Grenzen der Freiheit sind Verhandlungssache
Warum schränkt der Staat unsere individuelle Freiheit ein? Zum Beispiel durch strenge Gesetze für den Waffenbesitz wie in Deutschland? In den USA sind die Gesetze da deutlich weniger streng. Dabei ist die Faktenlage überall gleich. Denn für alle Länder gilt gleichermaßen, dass man sich mit einer Waffe gegen einen Angriff verteidigen oder aber Amok laufen und Unschuldige töten kann. Doch in den USA gilt Waffenbesitz als Bürgerrecht.
Waffenrecht, Zuckersteuer, Flugverbote – die Auseinandersetzung, wo Freiheit begrenzt werden soll, ist ein wichtiger Teil der Demokratie. Welche Argumente sich durchsetzen, hängt am Ende von den politischen Kräfteverhältnissen ab.
Zahlen und Fakten
Themen
- Der deutsche Staat verdient durch die Alkoholsteuer jährlich 3 Milliarden Euro und drosselt dadurch den Konsum. Zugleich verursacht Alkoholsucht jährlich einen Schaden in Höhe von 40 Milliarden Euro für den Staat.
- Das deutsche Jugendschutzgesetz erlaubt den Verkauf und Ausschank von Alkohol erst an junge Menschen ab 16.
- In den USA gibt es Alkohol erst ab 21, in Saudi-Arabien ist er weitgehend verboten.
- Kein Tempolimit auf der Autobahn: Das gibt es nur in Deutschland, Nordkorea, Afghanistan und Haiti.
Zahlen und Fakten: Quellen
- Deutsches Waffengesetz
- Kleiner Waffenschein (Polizei NRW)
- Waffenrecht USA (Amnesty International)
- Wer darf in den USA eine Waffe haben?
- Waffenrecht USA (Tagesschau)
- Alkoholsteuern in Europa
- Folgekosten durch Alkoholismus
- Aktionswoche Alkohol
- Jugendschutzgesetz Deutschland (PDF)
- Jugendschutzgesetz USA
- Alkoholverbot in Saudi-Arabien
- Alkoholverbot in Kuwait
- Tempolimit in Deutschland
- Tempolimit-Diskussion (Tagesschau)
- Tempolimit in der Schweiz
- Geschwindigkeitsüberschreitung in der Schweiz
- Unfallstatistik Deutschland
- Alkohol im Straßenverkehr (PDF)
Alkoholismus kostet die Allgemeinheit Millionen
Die Einnahmen durch die Alkoholsteuer sind weitaus geringer als die Kosten, die durch Alkoholismus entstehen – direkt und indirekt. Direkte Kosten entstehen vor allem durch die Behandlung von Alkoholsucht in Krankenhäusern, indirekte Kosten durch Arbeitsausfall. Denn wer alkoholsüchtig ist, ist weniger produktiv, häufiger krankgeschrieben und stirbt meist früher. Das heißt, Alkoholiker:innen können deshalb weniger arbeiten und verdienen, sie zahlen weniger Steuern und gehen früher in Rente.
Dadurch belasten Alkoholiker:innen, ebenso wie Raucher:innen, nicht nur ihr unmittelbares Umfeld, sondern auch die Staatskasse und damit alle. Warum also nicht Alkohol und Nikotin ganz verbieten? Die Antwort überrascht: Weil sich das nicht durchsetzen ließe. Weder gesetzlich noch praktisch. Die Nachfrage nach diesen Substanzen ist nämlich so groß, dass sich immer Mittel und Wege fänden, sie notfalls illegal ins Land zu bringen.
Klimaschutz: Wer macht (freiwillig) mit?
Klimaschutz ist überlebenswichtig für unseren Planeten. Also eine Sache des Allgemeinwohls. Die Politik kommt jedoch nur zögerlich in die Gänge. Wo müsste sie Freiheiten ganz konkret einschränken, um das Klima zu schützen? Was können Einzelpersonen tun, um das Klima zu schützen? – Darüber haben sich die Mitglieder von "Fridays for Future" in München Gedanken gemacht. 31 Münchner Forderungen zum Klimaschutz haben sie aufgelistet, zum Beispiel das Verbot von Kurzstreckenflügen oder Autos in der Innenstadt. Derartige Vorschläge zu machen, ist das Recht aller Bürger:innen in einer Demokratie.
"Wir sehen, dass es einfach wissenschaftlich eine Scheiß-Idee ist, hier jetzt Freiheiten bestehen zu lassen. Und wir nehmen das Recht aus der wissenschaftlichen Legitimierung, dass wir uns sicher sind, dass eine Welt ohne Kurzstreckenflüge uns in Zukunft mehr Freiheit erlaubt."
Filmzitat Benedikt Heyl, Fridays for Future, München
Nudging: sanfter Zwang zum Guten
Angenommen, wir wären uns einig, dass wir alle unser Leben ändern sollten – reichen dann Gesetze oder Strafen aus, um schlechte Gewohnheiten abzulegen? Nein, in der Regel nicht. Denn wir alle sind Gewohnheitstiere und bequem. Deshalb braucht es Mittel, die uns sozusagen "mit sanfter Gewalt" dazu bringen, uns für das Gute zu entscheiden. Dazu gehört "Nudging" ("Schubsen"). Nudging setzt "Anreize", die das Verhalten von Menschen beeinflussen, ohne dass sie das bewusst wahrnehmen.
Das wird zum Beispiel bei Spendenaufrufen eingesetzt. Da gibt es oft konkrete Summen, die man ankreuzen kann, zum Beispiel: 25 Euro oder 50 Euro. Viele Menschen lassen sich davon unbewusst dazu verleiten, mehr zu spenden als sie eigentlich vorhatten. Denn die vorgegebenen Summen interpretieren sie als sinnvollen Hinweis darauf, was von ihnen erwartet wird.
"Die Grundidee dabei ist, dass wir menschliche Verhaltensmuster und menschliche Wahrnehmung ausnutzen können und so Menschen dazu bringen können, bestimmte Entscheidungen eher zu treffen, als sie das in einer anderen Entscheidungsumgebung tun würden."
Filmzitat Simeon Schudy, Verhaltensökonom an der LMU München
Nudging schränkt aber ebenso wie Framing die individuelle Freiheit ein, weil es Menschen manipuliert. Das gilt auch, wenn Nudging genutzt wird, um wichtige Ziele zu erreichen wie etwa mehr Klimaschutz.
Mehr Infos zum Thema
Autorin: Monika von Aufschnaiter