"Wissen Sie, bei diesen Veranstaltungen der Landsmannschaften hat sich natürlich auch grundlegend etwas gewandelt. Hier zeigt sich wirklich ein Bruch. Die Kinder, die 1940 oder 1942 geboren wurden und dann später in den Westen kamen, wollten hier nichts anderes sein als ganz normale Kinder. Denn sie wurden eben auch gehänselt in der Schule und auf der Straße, wurden mit Spottnamen versehen usw. Sie litten darunter und wollten daher dieses Manko des 'Anderen', des 'Flüchtlings' ganz schnell loswerden. Innerlich haben sie daher einen Bruch vollzogen: Sie wollten nichts anderes als Bayern sein! Nachdem das alles im Kindergarten, in der Schulzeit und auch in der Nachbarschaft ja schmerzhafte Erfahrungen waren, weil doch immer wieder mit gemischten Gefühlen auf sie als Flüchtlinge, als Heimatvertriebene gezeigt worden war, haben sie vielleicht auch unbewusst eine Distanz zur Heimat der Eltern und der Familie aufgebaut. Erst heute, nach 40, 50 Jahren, haben sie plötzlich ein Verlangen, ihre Wurzeln wiederzuentdecken. Weil diese ganze Zwischengeneration in den Landsmannschaften fehlt, hat sich natürlich auch deren Bild verändert. Es gibt nur noch ganz wenige Trachtengruppen und auch die Themen haben sich verändert. Es geht nicht mehr darum, in die Heimat zurückzukehren, es geht nicht mehr darum, Entschädigungen zu bekommen, sondern es geht darum, sich darauf zu besinnen, woher die Familie stammt, was die Familie damals geschafft hat, was die Volksgruppe dort gemacht hat."

Christian Knauer