"Und das ergibt vielleicht doch einen gewissen Unterschied zu einem anderen Teil der deutschen Literatur, die ich oft als eine Klageliteratur bezeichne. Bei mir ist hoffentlich auch ein Hauch Dankesliteratur mit drin. Zu diesen Prägungen gehörte eben auch sehr stark die Zonengrenze vor unserer Haustür: Sie verlief wirklich nur drei Kilometer von uns entfernt. Da war der Tod sehr nahe. Wenn dort nachts ein heftiges Geräusch ertönte – und ich habe als Kind dieses Geräusch öfter gehört –, dann wusste man, dass entweder ein Reh in den Todesstreifen geraten ist oder ein Mensch. Und das mitten in Deutschland, drei Kilometer von meinem Bett entfernt. Das war wirklich ein lebendes Geschichtsbuch, das mir schlicht erzählte, was hier geschehen war, wie die Rechnung aussieht dafür. Wenn man in ein Dorf in der DDR hineinschaute, was sah man dort für eine feindliche Welt: Man stand einander gegenüber und war bereit, bis zum Tode zu kämpfen. Dieser Wahnsinn ging ins Gemüt ein und ließ mich früh dafür dankbar sein, in der Bundesrepublik zu leben. Dabei schwang bei mir auch schon sehr früh mit, dass die Ideale der Demokratie und der Zivilgesellschaft hochzuhalten und zu betonen sind. Das geschieht ja auch in diesem Thomas-Mann-Zitat von vorhin: 'Freiheit und Bildung'. Das ist mir neben den Geschichten und natürlich den Gefühlswelten der Menschen immer unendlich wichtig, denn ich schreibe nicht ideologisch – so hoffe ich zumindest –, sondern mit Optimismus."

Hans Pleschinski