"Um es etwas drastisch auszudrücken: Ich möchte damit aus einem geistigen Gefängnis ausbrechen. Um beim Beispiel Oper zu bleiben: Die Opernhäuser spielen heutzutage weltweit doch nur noch 30 Opern. Wenn wir das erweitern, dann sind es insgesamt vielleicht 100 verschiedene Opern. Wenn Sie jedoch das Opernlexikon von Franz Stieger zur Hand nehmen, das eine Sammlung von Werken für Fachleute bietet, dann finden Sie dort etwa 26000 Titel. Da ist doch irgendetwas schief gelaufen! Ich bin der Überzeugung, dass die Kanonisierung der Musiktitel zu einer enormen geistigen Begrenzung führt. Wenn Sie Diskussionen verfolgen, dann merken Sie, dass jeder denkt, er wisse bereits alles über Musikgeschichte und deren Vielfalt. Das ist aber gar nicht wahr: Ich entdecke an mir selbst, dass auch mein Denken da immer noch sehr, sehr begrenzt ist. Deshalb empfinde ich es als enorm wichtig, hier die Kreise immer weiter zu ziehen. Opern oder Operetten, die zum Beispiel aus den 20er Jahren stammen, sind ja auch Zeitkapseln. Darin ist ja enthalten, wie Menschen die Welt damals ästhetisch wahrgenommen haben, welche Wirkungen der Komponist erzielen wollte und ob das überhaupt funktionieren konnte."

Ulf Schirmer